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Stepping Future

Choreographien von Craig Davidson, Itzik Galili, Can Arslan und Jacopo Godani

In Between
Choreographie von Craig Davidson, Musik von Franz Schubert

The Sofa
Choreographie von Itzik Galili, Musik von Tom Waits

Sakura
Choreographie von Can Arslan, Musik von Diana Krall

Versus Standard
Choreographie von Jacopo Godani, Musik von 48nord

Aufführungsdauer: ca. 1h 20' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 28. April 2016



Theater Dortmund
(Homepage)

Von Schubert zum Elektro-Sound

Von Thomas Molke / Fotos von Bettina Stöß (Stage Pictures)

Nachwuchsförderung spielt für den Dortmunder Ballettdirektor Xin Peng Wang eine besondere Rolle. Deswegen hat er 2014 das NRW Juniorballett ins Leben gerufen, in dem insgesamt 12 jungen Tänzerinnen und Tänzern, die am Anfang ihrer Karriere stehen, die Möglichkeit geboten wird, zwei Jahre lang in Dortmund Praxis-Erfahrungen in Produktionen der Ballett-Compagnie zu sammeln, sich in Blockseminaren und Workshops weiterzubilden und dabei ein eigenes Repertoire - teilweise auch mit eigenen Kreationen - aufzubauen. Nachdem Wang nun in den letzten beiden Jahren mit deutschlandweiten Tourneen und zahlreichen Auftritten an diversen Bildungsinstitutionen die zentrale Bedeutung der Tanzsparte in Dortmund hervorgehoben hat - schließlich handelt es sich in Dortmund nach Hamburg und München erst um die dritte deutsche Junior-Compagnie -, gibt es nun zum Abschluss der zwei Jahre im Opernhaus einen Ballettabend unter dem Titel Stepping Future, der andeuten mag, wohin die Reise bei den jungen Tänzerinnen und Tänzern stilistisch nun hingehen mag. Wer aber nun erwartet, in den insgesamt vier Choreographien überwiegend Mitglieder des Juniorballetts zu erleben, wird eines Besseren belehrt. Allein zwei Kreationen werden - zumindest am Premierenabend - von "alten Hasen" des Dortmunder Balletts bestritten. Aber vielleicht ist das Juniorballett mittlerweile mit der Compagnie so verschmolzen, dass es nicht nur zentrale Partien in den übrigen Ballettabenden übernimmt, sondern auch Mitglieder der Compagnie zum Teil des "jungen Ensembles" werden.

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Haruka Sassa in In Between

Den Anfang macht das Stück In Between, das der australische Tänzer und Choreograph Craig Davidson 2013 für das Royal Ballet of Flanders kreiert hat. Darin verfolgt Davidson zu zwei Streichquartetten von Franz Schubert die klassisch akademische Linie des Tanzes und spielt ähnlich wie William Forsythe mit dem klassischen Repertoire. Zwischen Schuberts Streichquartett in g-Moll, das er bereits als 18-jähriger Komponist 1815 vollendete und das noch zahlreiche musikalische Reminiszenzen an Mozart und Beethoven enthält, und seinem "Spätwerk" Der Tod und das Mädchen, das er neun Jahre später kurz vor seinem Tod komponierte, versuchen drei Tänzerinnen und vier Tänzer eine Standortbestimmung mit der Frage "Wer bin ich eigentlich?" vorzunehmen. In einem recht düster gehaltenen Raum versuchen die Tänzer mal in Soli, mal in Pas de deux und dann in Ensembles existenziellen Fragen auf den Grund zu gehen, und kleiden diese Suche in eine wunderbar poetische Körpersprache ein. In diesem Teil können insgesamt fünf Tänzer des Juniorballetts ihr Talent unter Beweis stellen und zeigen bei einem fließenden Wechsel zwischen klassischer Spitze und erweiterten Ausdrucksformen ihre Vielseitigkeit.

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Francesco Nigro (links) und Andrei Morariu (rechts) in Sofa

Das zweite Stück ist eine humorvolle Kurzgeschichte mit zahlreichen Slapstickeinlagen und trägt den Titel Sofa. Mit zwei Tänzern und einer Tänzerin kreiert der israelische Choreograph Itzik Galili eine aberwitzige Geschichte auf dem Titel gebenden Möbelstück. Zu Tom Waits' "Nobody" zeigen zunächst Andrei Morariu und Debora di Giovanni ein Paar auf einem Sofa, wobei Morariu mit machohaften Allüren ganz eindeutige Absichten hat, denen sich di Giovanni immer wieder entzieht. Dabei lassen sich die beiden mit punktgenau abgestimmter Akrobatik auf das Sofa fallen, rollen herunter und werden dem Partner gegenüber auch schon einmal handgreiflich. Dann kippen sie mit dem Sofa um. Als das Sofa wieder zurückkippt, sitzt Morariu nun mit Francesco Nigro darauf, der mit übertrieben femininen Gesten einen stereotypen Homosexuellen mimt. Nun werden die Rollen getauscht. Nigro übernimmt den aktiven Part, der am sexuellen Kontakt mit dem anderen Mann interessiert ist, wobei sich Morariu mit den gleichen Bewegungen zu entziehen versucht, wie es di Giovanni in der Szene zuvor getan hat. Die gleiche Geschichte wird mit ähnlichen Bewegungen noch einmal erzählt, wobei Nigro und Morariu der Szene durch großartig komödiantische Mimik noch eine ganz eigene Note geben. Erneut kippt das Sofa um. Wenn es nun wieder umgedreht wird, sitzen wieder Morariu und di Giovanni auf dem Sofa. Doch die Geschichte beginnt nicht von vorne. Di Giovanni verlässt die Bühne, und Morariu bleibt leicht verwirrt zurück. Das Publikum belohnt diesen Teil mit großem Jubel für die drei Tänzer.

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Sakura: Jelena-Ana Stupar und Andrei Morariu als "Kirschblüte"

Auch nach der Pause geht es mit zwei Solisten weiter, die nicht dem Juniorballett, sondern der Dortmunder Compagnie angehören. Jelena-Ana Stupar und Andrei Morariu präsentieren das Stück Sakura des türkischstämmigen Choreographen Can Arslan, den seine tänzerische Karriere von der Münchner Ballettakademie über die Oper Berlin zum Nationaltheater Lissabon geführt hat. Arslan orientiert seine Stücke häufig an einem einzigen Begriff, auf den er eine poetische Bewegungssprache entstehen lässt. In seinem Stück Sakura, das 2010 im Rahmen einer Ballett-Gala in Dortmund entstand, ist es die japanische Kirschblüte. Zur Musik der Jazzpianistin Diana Krall lässt Arslan durch die Bewegungen der Tänzer eine Kirschblüte entstehen. Zu Beginn liegen Stupar und Morariu auf einem schwarzen Klavierschemel, von dem sie sich allmählich erheben. In einem ergreifenden Pas de deux mit modernem Ausdruckstanz bringen sie diese Blüte zur vollen Entfaltung, bevor Stupar allein auf der Bühne zurückbleibt und am Ende wieder auf den Schemel wie eine verwelkte Blüte herabsinkt.

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Versus Standard: von links: Giacomo Altovino, Erk Sosa Sánchez, Nae Nishimura und Dayne Florence

Im letzten Teil des Abends stehen wieder überwiegend Solisten des Juniorballetts auf der Bühne. Bei Versus Standard von Jacopo Godani, der zunächst zehn Jahre führender Solist bei William Forsythes Ballett Frankfurt war und seit 2015 die Compagnie als Direktor leitet, ist der Titel regelrecht Programm. Nicht nur die Musik steht mit dem eigens komponierten Elektrosound der Band 48nord im absoluten Kontrast zu den übrigen drei Stücken. Auch der Tanz der sechs Tänzerinnen und Tänzer ist im Ausdruck noch moderner und abstrakter als bei den anderen Choreographien. Dabei treten die sechs Tänzer in einem Sport-Outfit auf, das genauso wie das Flutlicht im Bühnenhintergrund an einen Wettkampf in einem Stadion erinnert. Mal treten die Tänzer gegeneinander an. Dann sinken sie erschöpft zu Boden. Mal formieren sie ein Team. Dann präsentieren sie sich als Einzelkämpfer. Die Bewegung entwickelt sich dabei von innen, und man kann stellenweise den Eindruck gewinnen, dass nicht der Sound den Tanz, sondern der Tanz den Klang beeinflusst. Das Juniorballett zeigt in diesem Teil große Ausdruckskraft und begeistert durch beeindruckende Figuren und Bilder. Auch diese Produktion wird mit großem Beifall vom Publikum aufgenommen. Seine besondere Wertschätzung für die Tänzerinnen und Tänzer zeigt Xin Peng Wang, indem er am Ende der einzelnen Teile nicht nur die Choreographen, sondern auch die Solisten mit Blumen beschenkt.

FAZIT

Das Ballett Dortmund kann in vier musikalisch völlig unterschiedlichen Choreographien mit absolut unterschiedlichen Tanzstilen seine Vielseitigkeit unter Beweis stellen. Um eine Präsentation des Juniorballetts handelt es sich allerdings im eigentlichen Sinn nicht, da das Juniorballett in der Hälfte der Produktionen - zumindest an diesem Abend - gar nicht beteiligt ist.


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Produktionsteam

In Between

Choreographie
Craig Davidson

Einstudierung
Martin Vedel

Kostüme
Kate Venables

Lichtdesign
Tanja Rühl

Tänzerinnen und Tänzer

*Premierenbesetzung

*Karina De Sousa Moreira /
Barbara Melo Freire
*Hiroaki Ishida /
Giuseppe Ragona
*Nae Nishimura /
Sae Tamura
*Giacomo Altovino /
Alysson da Rocha Alves
*Haruka Sassa /
Clara Sorzano Hernandez
*Dayne Florence /
Andrei Morariu
*Davide D'Elia /
Javier Cacheiro

 

Sofa

Choreographie und Lichtdesign
Itzik Galili

Einstudierung
Elisabeth Gibiat

Bühnenbild
Janco van Barneveld

Kostüme
Natasja Lansen

Tänzerinnen und Tänzer

*Premierenbesetzung

Moonsun Yoon /
*Debora di Giovanni
Dayne Florence /
*Andrei Morariu
Giacomo Altovino /
*Francesco Nigro

 

Sakura

Choreographie und Lichtdesign
Can Arslan

Kostüme
Rosa Ana Chanza

Tänzerinnen und Tänzer

*Premierenbesetzung

Jelena-Ana Stupar
Andrei Morariu

 

Versus Standard

Choreographie, Kostüme und
Lichtdesign
Jacopo Godani

Einstudierung
Francesca Caroti
Nora Sitges Sardà

Lichtdesign
Michael Heidinger

Tänzerinnen und Tänzer

*Premierenbesetzung

*Nae Nishimura /
Denise Chiarioni
*Barbara Melo Freire /
Risa Terasawa
*Amanda Vieira /
Moonsun Yoon
*Giacomo Altovino /
William Dugan
*Dayne Florence /
Harold Quintero
*Erik Sosa Sánchez /
Francesco Nigro


Weitere
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Theater Dortmund
(Homepage)



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