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Sogno d'un mattino di primavera
(Traum eines Frühlingsmorgens)


Oper nach dem gleichnamigen Schauspiel von Gabriele d'Annunzio
Musik von Alexander Muno


in itlienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 10' (keine Pause)

Uraufführung im Theater Detmold am 8. April 2016


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Landestheater Detmold
(Homepage)
Das Geheimnis der Liebe ist größer als das Geheimnis des Todes

Von Stefan Schmöe / Fotos von Schomburg / Landestheater Detmold


Es ist ein Eintauchen in eine vergangene Welt. Nicht nur des (im italienischen Original vertonten) "dramatischen Gedichts" Sogno d'un mattino di primavera von Gabriele d'Annunzio wegen, 1897 veröffentlicht; auch knüpft Komponist Alexander Muro musikgeschichtlich an eine zerfallende, aber noch latent erahnbare Tonalität an, wie sie sich bei Debussy und Ravel oder Zemlinsky abzeichnet. Aus kleinen, oft ostinaten Motiven entstehen Klangräume, die die Figuren der Oper umgeben, oft in der hohen Streicherlage, und es gibt zwar auf kleinster Ebene diffizile rhythmische und thematische Strukturen, die aber im Gesamtklang zu einer vibrierenden Fläche verschmelzen - eine "unendliche Melodie", von der die kantablen Gesangslinien getragen werden. Zunächst ist das im Gestus eher lyrisch, bekommt aber gerade im Finale auch zunehmend dramatische Züge. Muno verwendet durchaus moderne Mittel, entwickelt die impressionistisch gefärbte Klangsprache mit eigenen Mitteln weiter (etwa mit glissandoartig angeschliffenen Tönen oder beinahe geräuschhaften Elementen, aber auch diese vornehmlich auf einer Subebene). Im Gesamteindruck entsteht eine doch sehr eigenständige, berückend schöne und sehr expressive Musik, die ihre ästhetische Nähe zu den genannten Spätromantikern nicht verleugnet und keinerlei avantgardistische Züge hat, sich aber auch nicht anbiedert - und dem bild- und wortgewaltigen Text eine eigene Dimension entgegen setzt.

Szenenfoto Isabella wird vom Dottore und von Teodata gepflegt.

Alexander Muno, geboren 1978 in der Nähe von Trier, hat mit dieser Oper den Detmolder "Giselher-Klebe-Wettbewerb" gewonnen, der für den Sieger neben einem Preisgeld die Uraufführung am Landestheater Detmold vorsieht. Gemäß den Wettbewerbsbedingungen sollen die eingereichten Werke eine literarische Vorlage haben - vorgeblich "in Erinnerung an das musikdramatische Schaffen Giselher Klebes" (der viele Jahre bis zu seinem Tod 2009 in Detmold lebte und an der dortigen Musikhochschule lehrte) , wohl eher um übermäßig experimentelle Entwürfe von vornherein auszuschließen und dem Detmolder Publikum keine allzu abwegigen Konzepte zuzumuten. Das mag man kritisieren, aber immerhin gehört das Detmolder Theater zu den Häusern, die Werke uraufführen, und es basieren natürlich eine Vielzahl von bewährten Repertoirestücken zwischen der Hochzeit des Figaro und La Bohème oder Pellèas et Melisande auf solchen "literarischen Vorlagen". Muno jedenfalls versteckt sich keineswegs hinter dem (ohnehin auf deutschen Bühnen nicht präsenten) Drama d'Annunzios, sondern greift dessen immanente Musikalität auf. Sein Verständnis von Oper ist sicher ein traditionelles und auch ein "romantisches", das auf eine unmittelbare Sinnlichkeit der Musik setzt.

Szenenfoto

Viel ändert sich nicht an der Szenerie ...

Inhaltlich geht es um die junge Isabella, die einige Zeit zuvor morgens aufwachte mit dem blutüberströmten, toten Geliebten in den Armen (man erfährt dies aus Erzählungen). Darüber wahnsinnig geworden, wird sie von Arzt und Dienerschaft auf ihrem Landgut gepflegt. Virginio, der Bruder des Toten, erscheint, und Isabellas Schwester Beatrice hofft, dass dessen Ankunft Isabellas Zustand verbessern könne, aber als Isabella ihn erkennt und noch einmal in Gedanken die schreckliche Nacht durchlebt, verfällt sie vollends dem Wahnsinn.

An äußerer Handlung passiert also nichts, da ist das Libretto völlig undramatisch. Quasi in Echtzeit läuft das Geschehen in Dialogen und Monologen ab, und ein Problem der Oper besteht sicher darin, dass Muno allzu einheitlich den schwärmerisch-expressiven Grundton über zwei Stunden beibehält, sozusagen mehr die Aura des Stücks als die unterschiedlichen Charaktere vertont. Der Isabella hat er zwei grandiose Szenen, darunter ein Finalmonolog von geradezu Wagnerschen oder Strauss'schen Dimensionen, geschrieben. Eva Bernhard, seit dieser Spielzeit festes Ensemblemitglied in Detmold, bewältigt das eindrucksvoll. Zwar hat die Stimme beim Übergang von der Mittellage zur Höhe oft ein paar unschöne Eintrübungen (in der ersten Hälfte ist das störender als in der dramatischeren zweiten), aber das ist mit großer Intensität gesungen - und mit der erforderlichen Kraft im Finale.

Szenenfoto ... und auch hier nicht: Isabella mit Pflegepersonal

Lotte Kortenhaus getaltet Isabellas Schwester Beatrice mit warmem, sehr kantablem Mezzosopran, Ewandro Stenzowski singt den Vigilio mit schwärmerischem, italienisch gefärbten und weitgehend höhensicherem Tenor (bei ganz wenigen Spitzentönen verliert er an Farbe). Nobel und elegant ist Andreas Jören als Arzt, souverän Patricia Roach als ältere Dienerin Teodata, lyrisch-kokett (aber mitunter angestrengt) Kirsten Labonte aus dem Opernstudio als junge Dienerin Simonetta, forsch auftrumpfend Stephen Chambers als Gärtner Panfilo. Das symphonische Orchester des Landestheaters Detmold beginnt unter der Leitung von Chefdirigent Lutz Rademacher ein wenig tastend, spielt dann aber zunehmend sicher und zupackend.

Szenenfoto

Isabella und ihre Schwester Beatrice

Regie führt Intendant Kay Metzger persönlich. Er verlegt die Handlung aus dem Garten in einen ovalen, fensterlosen Raum mit, bei dem die Natur als monochromes Abbild an den Wänden erscheint - das Innere eines Mausoleums vielleicht, was auf d'Annunzio verweist (dem Mussolini ein solches "spendierte"). Blumen gibt es als Topfplanzen, blütenlos, denn Isabella kann seit der besagten Nacht kein Rot mehr ertragen. Die Ausstattung (Michael Heinrich) spielt virtuos mit den Farben, setzt Isabellas rötliches Haar als Kontrast gegen die schwarz-weiß-grau-Architektur und das Grün der Pflanzen (und Isabellas Umhang). Durch die seitliche Tür fällt gleißend weißes Licht, was man als Außenraum, vielleicht auch als Vision des Todes sehen kann.

Metzger untersucht die psychoanalytische Dimension des Dramas, und das meint vor allem die kaum versteckte sexuelle Dimension. Den toten Liebhaber Isabellas lässt er mehrfach erscheinen, was wegen der unausgesprochenen Präsenz dieses Mannes zwar inhaltlich schlüssig, aber szenisch nicht wirklich gut geglückt ist, weil das unfreiwillig nach schlechter Geisterbahn aussieht. In der Finalszene deutet sie bei der Erinnerung an die Schreckensnacht den Liebesakt an - es ist dem Geschick der Sängerin zu verdanken, dass die Szene nicht vollends ins Peinliche abrutscht. Die Intention des Regisseurs wird aber klar, es geht um die verdrängte Sexualität, die auch Isabellas Schwester Beatrice nicht ausleben darf (eher schon das Dienerpaar Simonetta - Panfilo, das aber prompt beim Quickie überrascht wird). Von der erwähnten Geistererscheinung abgesehen gelingt es Metzger gut, mit einer unaufdringlichen, aber genauen Personenregie die Geschichte zu erzählen und auszudeuten, ohne dem Werk zusätzlichen Ballast mitzugeben.


FAZIT

Eine Uraufführung, die der Entdeckung wert ist: Sogno d'un mattino di primavera setzt wenig avantgardistisch, aber doch sehr eindrucksvoll und durchaus eigenständig eine romantische Operntradition mit modernen Mitteln fort.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lutz Rademacher

Inszenierung
Kay Metzger

Ausstattung
Michael Heinrich

Dramaturgie
Elisabeth Wirtz



Statisterie des
Landestheater Detmold

Symphonisches Orchester des
Landestheater Detmold


Solisten

Isabella
Eva Bernard

Beatrice
Lotte Kortenhaus

Teodata
Patricia Roach

Dottore
Andreas Jören

Virginio
Ewandro Stenzowski

Simonetta
Kirsten Labonte

Panfilo
Stephen Chambers



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Landestheater Detmold
(Homepage)



Da capo al Fine

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