Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Alles nur geträumt?
Von Stefan Schmöe
/
Fotos: Monika und Karl Forster
Zum Schlussapplaus lassen sich die Techniker bejubeln. Dabei besteht das Bühnenbild (Kathrin-Susann Brose) zu diesem Sommernachtstraum doch "nur" aus einem Bettlaken, einem gigantischen allerdings, das die gesamte Bühne ausfüllt, das aber an etlichen Schnüren befestigt ist und sich hebt und senkt: Eine zart poetische Traumlandschaft, die immer im Fluss ist. Mit raffinierter Beleuchtung (Licht: Patrick Fuchs) wandelt sich das flüchtige Bild von einem Augenblick zum nächsten, bleibt irreal, wie Träume eben so sind, und hat eine wunderbare Leichtigkeit. Da ist der Beifall für die sechs Techniker, die das alles punktgenau realisieren, mehr als verdient.
Oberon (rechts) und Puck
Nun ist A Midsummer Night's Dream bei William Shakespeare und Benjamin Britten nicht nur romantische Komödie, sondern besitzt ganz handfesten Witz. Michael Schulz, Gelsenkirchener Intendant und Regisseur, setzt daher ganz heutige Personen in die Nacht- und Traumlandschaft. Die Elfen etwa sind zerlumpte Gestalten vom Rand der Gesellschaft, die ein Hauch von Pippi Langstrumpf umgibt. Puck, der trottelig agierende `Gehilfe des Elfenkönigs Oberon, erscheint als Ruhrgebietskumpel von Nebenan mit dem Herz auf dem rechten Fleck ("Hömma!")im Unterhemd. Klaus Brantzen verkörpert diesen gutmütigen Geist, von Britten als virtuose Sprechrolle über die Musik gelegt, umwerfend. Das letzte Wort lassen Shakespeare und Britten ihm sowieso (und dafür darf er in Gelsenkirchen auch von der englischen in die deutsche Sprache wechseln), Schulz schreibt ihm dazu noch einen kurzen Prolog. Da sitzen an einem Tisch, zunächst durch das Betttuch verdeckt, alle Akteure der Oper wie bei da Vincis Abendmahl beieinander an einem Tisch, und Puck stellt sie kurz vor: König Theseus von Athen und seine Verlobte Hyppolita (am langen Haar und am getigerten Kleid erahnt man die Amazone - nicht nur hier spielen die Kostüme von Renée Listerdal beziehungsrteich mit kleinen Details), die egozentrische Hermia (mit Smartphone immer auf ein Selfie aus), die in den etwas schwächlichen Schöngeist Lysander verliebt ist, aber Kraftprotz Demetrius heiraten soll, der wiederum von der schulmädchenhaft biederen Helena begehrt wird. Elfenkönig Oberon und Gattin Tytania, aus vergangenen Märchenzeiten übrig geblieben. Und die Handwerker, die hier zu Honoratioren der Stadt werden - Bürgermeister und Gewerkschaftler etwa.
Aus träumendem Schlaf um manche Eerkenntnis reicher erwacht: (von links) Hermia, Demetrius, Lysander und Helena
Manche Idee mag überzogen sein (etwa dass Demetrius und Helena wie in einem schlechten Action-Film in Kämpfermontur mit Maschinengewehr aufeinander und auf Hermia und Lysander zugehen), aber insgesamt hat die Inszenierung neben Poesie auch Witz und Tempo, wo es verlangt ist, und Zeitlosigkeit und Gegenwärtigkeit sowieso. Und da steht ein ausgesprochen spielfreudiges, aber auch stimmlich exzellentes Ensemble auf der Bühne. Angefangen beim klangschönen Frauen- und Kinderchor über die gut besetzten solistischen Elfenpartien (Sina Jacka, Sion Choi, Katrin Stösel, Lisa Maria Laccisaglia) zu den komödiantischen Handwerkern (E. Mark Murphy, Jacoub Eisa, William Saetre und Piotr Prochera) mit Joachim G. Maaß als Bürgermeister-Zimmermann Quince als Anführer und Urban Malmberg als Bottom als Weber und Hauptdarsteller, der zeitweilig in einen Esel verwandelt und als solcher in den Wirren der Nacht zu Hyppolitas Liebhaber wird - in ihren "richtigen" Rollen wie auch in der überdrehten Pyramus-und-Tisbe-Komödie finden sie den passenden Ton.
Die Handwerker, hier verdiente Bürger der Stadt.
Countertenor Matthias Rexroth ist mit unangestrengtem, flexiblen Ton ein eindrucksvoller Elfenkönig Oberon, Bele Kumberger eine Tytania mit betörend schönem, leichten und beweglichem Klang. Anke Sieloff singt und spielt eine attraktive und hinreißend selbstverliebte Hermia mit schönem Sopran, Cornel Frey eienn schwärmerischer Lysander mit nicht zu kleinem Tenor, Alfia Kamalova eine leidenschaftliche Helena und Michael Dahmen einen Demetrius mit schlankem, elegantem Bariton. Vervollständigt wird das in ausnahmslos allen Partien gut besetzte Ensemble durch Dong-Won Seo als Theseus und Almuth Herbst als Hippolyta.
Da stehen sie alle, wenn der Schleier der Sommernacht sich hebt, ein Spiegel unserer selbst.
Ganz ausgezeichnet spielt die Neue Philharmonie Westfalen unter der Leitung der englischen Dirigentin Julia Jones, die diese Musik sehr zurückhaltend kammermusikalisch interpretiert, ohne einen romantischen Schleier darüber zu legen, oft sehr leise, ein diffiziler, sehr transparenter Klangteppich, aus dem einzelne Klangereignisse aufblitzen. Das trifft die spezifische Klangsprache dieser Oper mit manchen Reminiszenzen an altenglische Musik sehr genau. Großes Lob für die vielen Soli etwa der Trompete und der Flöte.
Ganz starker Saisonauftakt im MiR: Michael Schulz und Julia Jones balancieren den Sommernachtstraum mit ausgezeichnetem Ensemble und Orchester gekonnt aus zwischen Poesie und Komödie.
|
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Chor
Kinderchor
Dramaturgie
Solisten
Tytania
Oberon
Puck
Theseus
Hippolyta
Lysander
Demetrius
Hermia
Helena
Bottom
Peter Quince
Flute
Snug
Starveling
Snout
Cobweb
Peaseblossom
Mustardseed
Moth
|
© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de