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Musiktheater
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Bł vertanzt

Dreiteiliger Ballettabend mit Choreographien von David Dawson, Bridget Breiner und Benvindo Fonseca

A Sweet Spell of Oblivion (Orchestrierte Erstaufführung)
Ballett von David Dawson, Musik von Johann Sebastian Bach

Hold Lightly (Neufassung)
Ballett von Bridget Breiner, Musik von Ludwig van Beethoven

Dawn of an Announced End (Uraufführung)
Ballett von Benvindo Fonseca, Musik von Ludwig van Beethoven

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (zwei Pausen)

Premiere im Großen Haus des Musiktheaters im Revier am 31. Januar 2016
(rezensierte Aufführung: 12.02.2016)

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Musiktheater im Revier
(Homepage)

Tanz trifft Sinfoniekonzert

Von Thomas Molke / Fotos von Costin Radu


Seit einigen Spielzeiten stellen Xin Peng Wang in Dortmund und Ricardo Fernando in Hagen die Vielseitigkeit ihrer Ballett-Compagnien unter Beweis, indem sie neben großen Handlungsballetten auch in dreiteiligen Ballettabenden dem Publikum eine breite Palette unterschiedlicher Tanzstile präsentieren. Auch die Gelsenkirchener Ballettdirektorin Bridget Breiner, die seit 2012 das Ballett im Revier leitet und für ihre Arbeit bereits 2013 und 2015 mit dem FAUST-Theaterpreis belohnt worden ist, hat den Reiz dieser dreiteiligen Abende für ihre Compagnie entdeckt und präsentiert nun nach Sweet Tragedies in der letzten Spielzeit erneut drei Choreographien an einem Abend, die alle eine unterschiedliche Handschrift tragen. Dafür wechselt sie dieses Mal allerdings nicht nur vom Kleinen Haus auf die große Bühne, sondern bietet auch mit der Neuen Philharmonie Westfalen ein musikalisches Live-Erlebnis. Der Titel Bł vertanzt dürfte dabei zum einen auf die drei Choreographien anspielen, die an diesem Abend zu erleben sind. Zum anderen steht das "B" für die Komponisten, deren Musik in den einzelnen Stücken "vertanzt" wird: Johann Sebastian Bach und Ludwig van Beethoven.

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A Sweet Spell of Oblivion: Bridget Breiner und José Urrutia beim Pas de deux

Den Anfang macht eine Choreographie von David Dawson, der in Gelsenkirchen vor allem noch durch das Handlungsballett Giselle, das in der letzten Spielzeit hier als Koproduktion mit dem Aalto-Ballett Essen präsentiert wurde, in bester Erinnerung sein dürfte. A Sweet Spell of Oblivion entstand 2007 für die Ballett-Compagnie in Antwerpen und zeigt zu 9 Präludien aus Bachs wohltemperiertem Klavier 1 traumhafte Sequenzen, in denen das Wort "Vergessen" angedeutet werden soll. Während seiner Proben in Antwerpen hörte Dawson eine Orchesterfassung des berühmten C-Dur Präludiums, was ihn dazu inspirierte den Abend bei einer Neueinstudierung komplett von einem live spielenden Orchester begleiten zu lassen. Diesem Wunsch kam Gelsenkirchens 1. Kapellmeister Valtteri Rauhalammi gerne nach und arrangierte die neun ausgewählten Präludien für ein großes Orchester neu. So erklingen diese Klavierklassiker nun mit einem vollständigen Orchesterapparat, ohne den Stücken den Klavier-Charakter zu nehmen, und bereits der erste Teil des Abends lässt sich als Zusammentreffen von Tanz und Sinfoniekonzert beschreiben. Zum C-Dur Präludium, mit dem das Stück beginnt, zaubert Louiz Rodrigues mit Ayako Kikuchi, Francesca Berruto, Bridget Breiner und Rita Duclos einen zarten Moment des neoklassischen Tanzes auf die Bühne, der in fließenden Bewegungen unter die Haut geht. Beeindruckend ist auch das abstrakte Bühnenbild von John Otto, das in ein kreisförmiges Nichts führt, was wie ein schwarzes Loch an einen Ort des Vergessens erinnert. In den folgenden Präludien wechseln sich dann Ensembles, Soli und Pas de deux ab und übersetzen die Atmosphäre der Musik in bewegende Bilder, bis am Schluss erneut das C-Dur Präludium erklingt. Nun befinden sich die Tänzerinnen bereits auf der anderen Seite der Wand und verschwinden mit dem Verklingen der Musik gewissermaßen im Nichts.

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Hold Lightly: Klavierkonzert 1. Satz: Spiel mit den Eimern (von links: Tessa Vanheusden, Valentin Juteau und Francesca Berruto)

Der zweite Teil des Abends stammt von der Ballett-Chefin höchstpersönlich. Hold Lightly entstand als erste große Auftragsarbeit 2009 für das Kevin O'Day Ballett Mannheim und hat für Gelsenkirchen eine ganz besondere Bedeutung. Diese Choreographie veranlasste nämlich den Intendanten des Musiktheaters im Revier, Michael Schulz, der zu der Zeit auf der Suche nach einem neuen Ballettdirektor war, Breiner diesen Posten anzubieten, und die Choreographie legt ein Zeugnis dafür ab, welch gute Entscheidung Schulz damit getroffen hat. Der Titel soll dabei wohl auf ein Zitat aus dem Film Der Croupier anspielen, wobei das korrekte Zitat allerdings lautet: "Hang on tightly, let go lightly", was wiederum auf einen Songtitel von John Denver zurückgeht, "Hold on Tightly, Let Go Lightly". Breiner verknüpft zum Klavierkonzert Nr. 3 C-Moll von Ludwig van Beethoven das Festhalten mit dem leichten Loslassen. Dabei hat sie für die drei Sätze des Klavierkonzertes jeweils eine sehr unterschiedliche Tanzsprache gefunden. Das "Allegro con brio" beginnt regelrecht komödiantisch. Vier Tänzer und Tänzerinnen sitzen auf einem weißen Quadrat auf großen Eimern, wobei es schon eine logistische Höchstleistung ist, diese Eimer in den Tanz zu integrieren. Während der Klavier-Soli im ersten Satz lösen sich einzelne Tänzerinnen und Tänzer aus der Gruppe heraus und versuchen, sich in der Masse ihre Individualität zu bewahren. Doch die Kraft des Orchesters lässt ihnen keinen Spielraum und holt sie immer wieder in die Gruppe zurück. Am Ende des ersten Satzes wird ein riesiges Tuch aus dem Schnürboden herabgelassen, das von einem Drahtgestell umgeben ist, und die Tänzerinnen und Tänzer zudeckt.

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Hold Lightly: Klavierkonzert 2. Satz: Die Paare finden zueinander (von links: Francesca Berruto, Carlos Contreras, Tessa Vanheusden und José Urrutia).

Vor dem "Largo" folgt nun eine kurze Sequenz ohne Musik. Ayako Kikuchi ist als einzige von der Gruppe übrig geblieben und irrt in dem Gestell umher, wobei sie immer wieder auf das Gestell klopft und damit die Stille durchbricht. Dann verschwindet sie, und Francesca Berruto nimmt ihren Platz ein. Das "Largo" beginnt mit einem bewegenden Pas de deux zwischen Berruto und Junior Demitre, wobei die beiden nicht richtig zueinander finden können, da Demitre sich außerhalb des Gestells bewegt, während Berruto das Gestell nicht verlässt. Im weiteren Verlauf folgt mit Tessa Vanheusden, Carlos Contreras und José Urrutia eine Dreiergruppe, die dann am Ende des Satzes mit Berruto im Gestell zu einer Einheit zusammenfindet. Der dritte Satz, das "Rondo", nimmt dann die Idee der Eimer wieder auf. Nun sind die Eimer allerdings wesentlich kleiner und knallrot. Wie schon der erste Teil trägt auch der dritte Teil sehr komödiantische Züge. Rita Duclos versucht, mit verschmitztem Blick die Eimer zu horten, während ihr die anderen Tänzerinnen und Tänzer die Eimer immer wieder wegnehmen. Das Gestell wird schräg emporgehoben und schafft für die Tänzerinnen und Tänzer somit immer neue Räume für den Tanz. Die Körpersprache bewegt sich zwischen neoklassischem Tanz und modernem Ausdruckstanz und ist wunderbar auf Beethovens kraftvolle Musik abgestimmt, wobei neben der Neuen Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Valtteri Rauhalammi auch Christian G. Nagel, der als Klaviersolist für diesen Abend verpflichtet worden ist, ein ganz großes Lob für seine eindringliche Interpretation des Klavierkonzertes verdient. So gibt es nach diesem Teil frenetischen Beifall für alle Beteiligten.

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Dawn of an Announced End: Sinfonie 4. Satz: Pure Lebensfreude (Ensemble)

Der dritte Teil des Abends ist eine Uraufführung, mit der sich der in Südamerika und Portugal seit vielen Jahren sehr bekannte Choreograph Benvindo Fonseca erstmals am Musiktheater im Revier vorstellt. Seine Choreographie Dawn of an Announced End verwendet ebenfalls Musik von Ludwig van Beethoven. Bemerkenswert ist, dass die verwendete Sinfonie Nr. 2 D-Dur zeitgleich mit dem Klavierkonzert aus dem zweiten Teil des Abends 1803 zur Uraufführung gelangte. Fonseca überträgt in seiner Interpretation Beethovens Ringen mit seinem Schicksal und Kampf gegen seine beginnende Taubheit, die man aus der Sinfonie als Widerstreit zwischen Licht und Dunkel heraushören kann, auf die Geschichte des Ruhrgebietes als das permanente Leben der Bergmänner zwischen Dunkelheit und Licht. So siedelt er den ersten Satz, "Adagio molto", gewissermaßen unter Tage an. In einem schmalen Lichtstrahl sieht man Junior Demitre, auf den Sand aus dem Schnürboden herabregnet. Aus dieser Enge befreit er sich und kämpft sich allmählich an die Oberfläche. Aus dem Schnürboden werden nun Körbe herabgelassen, in denen die Tänzerinnen und Tänzer ihre Bergarbeiterkleidung deponieren. Der zweite Satz erzählt dann von der Rückkehr nach Hause. Fonseca wählt für seine Tanzsprache einen energiegeladenen ziemlich erdgebundenen Stil, der dann im letzten Satz in einer Feier des Tanzes bzw. des Lebens kulminiert. Hier tragen die Tänzerinnen und Tänzer bunte Kostüme und strahlen in ihren Bewegungen pure Lebensfreude aus, die sich auf das Publikum überträgt. Auch hierfür ernten die Tänzerinnen und Tänzer und die Neue Philharmonie Westfalen mit ihrem Leiter Valtteri Rauhalammi tosenden Applaus und zeigen erneut, wie an diesem Abend Tanz und Sinfoniekonzert zu einer wunderbaren Einheit verschmelzen.

FAZIT

Dieser Dreiteiler ist nicht nur musikalisch ein Hochgenuss, sondern zeigt auch die Vielfalt der kleinen Ballett-Compagnie in Gelsenkirchen, in die sich Breiner selbst als Tänzerin wunderbar bescheiden einreiht.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Valtteri Rauhalammi

Licht
Mariella von Vequel-Westernach

Dramaturgie
Juliane Schunke

 

Neue Philharmonie Westfalen

 

A Sweet Spell of Oblivion

Choreographie
David Dawson

Einstudierung
Tim Couchman

Bühne
John Otto

Kostüme
Yumiko Takeshima

Lichtdesign
Bert Dalhuysen

Tänzerinnen und Tänzer

Francesca Berruto
Bridget Breiner
Rita Duclos
Ayako Kikuchi

Louiz Rodrigues
Ledian Soto
José Urrutia

 

Hold Lightly

Choreographie
Bridget Breiner

Klaviersolist
Christian G. Nagel

Bühne
Jürgen Kirner

Kostüme
Andreas Meyer nach
Dorothee Schuhmacher

Lichtdesign
Bonnie Beecher

Tänzerinnen und Tänzer

Francesca Berruto
Rita Duclos
Ayako Kikuchi
Tessa Vanheusden

Carlos Contreras
Junior Demitre
Valentin Juteau
José Urrutia

 

Dawn of an Announced End

Choreographie
Benvindo Fonseca

Bühne
Georgios Kolios

Kostüme
Thomas Lempertz

Lichtdesign
Mariella von Vequel-Westernach

Tänzerinnen und Tänzer

Madeline Andrews
Francesca Berruto
Bridget Breiner
Rita Duclos
Ayako Kikuchi
Tessa Vanheusden
Sara Zinna

Carlos Contreras
Junior Demitre
Valentin Juteau
Louiz Rodrigues
Ledian Soto
José Urrutia

 

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