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Fledermaus
mit etwas anderem Ende Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski
Kammerzofe Adele (Marie Heeschen) träumt von einem besseren Leben. Kommt der erste Akt noch relativ klassisch daher, hat man beim Fest des Prinzen Orlovsky im zweiten Akt schon fast den Eindruck, man sei in der Rocky Horror Show gelandet, was die Skurrilität der Party-Gäste betrifft. Gar nicht nachvollziehbar wird, wieso Adeles Schwester Ida von einem Mann in Frauenkleidern gespielt wird, der sich dann auch noch als Countertenor entpuppt. Sion Chois Anlage der Figur bleibt absolut blass und liefert auch keinen weiteren Erklärungsansatz, außer dass hier wohl mit den Geschlechterrollen gespielt werden soll. Überflüssig ist auch die Burlesque-Tänzerin Eden Berlin, die zur extra vom musikalischen Leiter Thomas Rimes arrangierten Musik zunächst einen Strip hinlegt, um dann im Stil von Dita Von Teese in einem riesigen Sektglas baden zu gehen. So sieht dann wohl Champagner-Seligkeit im 21. Jahrhundert aus. Die Bühne von Jürgen Kirner ist dabei fantasievoll und zweckmäßig gehalten. So verwandeln sich drei Tischlampen in unterschiedlicher Größe, die die Wohnung der Eisensteins in den Mief der 60er Jahre verlegen, beim Übergang zum zweiten Akt in drei Sektgläser, indem die Lampenschirme einfach entfernt werden. Prinz Orlovsky nimmt gewissermaßen als Regisseur der ganzen Szene auf einem weißen Stuhl im Rang Platz und beobachtet das Treiben auf seiner Party, während sich ein Double von ihm mit maskenhaftem Gesicht unter den Gästen tummelt und zu seinem berühmten Auftritts-Couplet "Ich lade gern mir Gäste ein" die Lippen bewegt. Skurrile Gesellschaft beim Prinzen Orlovsky (Chor) Ab dem dritten Akt geht Kirchmeier dann in seiner Inszenierung ganz eigene Wege. Die umgestürzten Gläser auf der Bühne und die derangierten weißen Sitzgelegenheiten deuten an, dass man sich eventuell gar nicht im Gefängnis, sondern vielleicht immer noch beim Prinzen befindet und die Gefängnisszene nur ein weiteres Spiel des Prinzen ist. So gibt es auch keinen Gefängniswärter Frosch, sondern ein "Frl. Forsch", die eigentlich als Putzfrau hier arbeitet und nun mangels anderer Anwesender zunächst einmal die Aufsicht über die Gefangenen hat, die sich aus dem Off mit ihr unterhalten. Dabei macht Ute Wieckhorst aus dieser Figur einen echten Glanzpunkt der Aufführung und hat die Lacher auf ihrer Seite, ob sie nun als Schattenspiel bei der Einleitungsmusik zum dritten Akt im Takt die Toilette putzt oder scharfzüngige Kommentare abgibt. Großartig ist auch das wortlose Spiel mit Joachim Gabriel Maaß als Gefängnisdirektor Frank, der noch sichtlich angetrunken seinen Dienst antritt und dabei Frl. Forsch zunächst gar nicht bemerkt. Doch mit dem Auftreten der weiteren Figuren wird die Handlung dann abstrus. Eisenstein tötet den Advokaten Dr. Blind, weil dieser ihm nicht seinen Talar geben will. Frank erschießt sich auf der Toilette, weil er von Adele erpresst wird. Als vermeintlicher Advokat tötet Eisenstein am Ende des Terzetts Alfred und anschließend Adele, woraufhin er von Ida erschossen wird. Das kann Rosalinde nicht auf sich sitzen lassen und tötet Ida. Schließlich bleibt Frl. Forsch nichts anderes mehr übrig, als nun auch noch Rosalinde zu erschießen. Das sei, so Orlovsky aus dem ersten Rang, seine Vorstellung vom Ausgang der Geschichte. Doch Dr. Falke wünscht sich ein anderes Ende und lässt die Figuren zum Finale alle wieder auferstehen. Gabriel Eisenstein (Michael Dahmen) umgarnt auf dem Ball des Prinzen seine eigene Frau Rosalinde (Alfia Kamalova). Musikalisch wird eine Salonfassung für neun Instrumente gespielt, die Franz Wittenbrink arrangiert hat und die erstmals 1992 am Theater Basel zu erleben war. Die Musik wird dabei komplett beibehalten, klingt allerdings ein bisschen weniger opulent, als man sie aus einem vollbesetzten Orchester gewöhnt ist. Dies fällt besonders bei der Ouvertüre auf. Doch Thomas Rimes gelingt es, mit den weiteren acht Musikern der Neuen Philharmonie Westfalen die Reichhaltigkeit und Sensibilität der Musik detailliert herauszuarbeiten, so dass man sich sehr schnell auf den etwas feineren Klang einstellen kann. Die Musiker sind auf der rechten Seite der Bühne positioniert und werden auch Teil der Inszenierung. So treten sie im ersten Akt noch in schwarzen Anzügen auf, die sie aber für das Fest bei Orlovsky ablegen und in etwas lockererem Outfit weitermusizieren. Beim Übergang vom ersten zum zweiten Akt gibt es eine interessante Improvisation zu Orlovskys "Ich lade gern mir Gäste ein", bei der zum Schlagzeug und Sieloffs Gesang die Bühne von Eisensteins Wohnung mit den Tischlampen in Orlovskys Party mit den Sektgläsern umgestaltet wird. Am Morgen danach: Gefängnisdirektor Frank (Joachim Gabriel Maaß) mit der Aushilfskraft "Frl. Forsch" (Ute Wieckhorst)
Michael Dahmen begeistert als Gabriel Eisenstein mit markantem Bariton und
komödiantischem Spiel. Alfia Kamalova steht ihm als seine Gattin Rosalinde mit
höhensicherem Sopran stimmlich und darstellerisch in nichts nach. So entfalten
die beiden bei ihrer Trennung im ersten Akt mit "O je, o je, wie rührt mich
dies" großartige Komik. Fragwürdig ist allerdings Kamalovas Verkleidung auf
Orlovskys Ball. Mit dem riesigen grauen Skorpion auf und um den Kopf erscheint
sie zwar ähnlich skurril zur Party wie die anderen Gäste. Ob der dünne schwarze
Schleier allerdings als Maske reicht, so dass ihr Mann sie wirklich nicht
erkennt, darf doch bezweifelt werden. Stimmlich punktet sie auch im zweiten Akt
bei ihrer großen Arie "Klänge der Heimat" mit enormer Durchschlagskraft in den
Höhen. Marie Heeschen stattet die Kammerzofe Adele mit jugendlichem Sopran aus
und punktet mit leicht angesetzten Höhen. Bei "Mein Herr Marquis" fehlt den
Koloraturen allerdings noch ein wenig die Beweglichkeit. Szenisch gut umgesetzt
wird ihre Arie im dritten Akt, "Spiel ich die Unschuld vom Lande", bei der die
unterschiedlichen Teile jeweils von kurzen Einwürfen von "Frl. Forsch"
unterbrochen werden, die dann zum nächsten "Rollenspiel" überleiten. Joachim
Gabriel Maaß begeistert als Gefängnisdirektor Frank mit großer Komik und
beweglichem Bass. Anke Sieloff verleiht dem Prinzen Orlovsky einen warmen
Mezzosopran, wirkt optisch allerdings wie ein Wesen aus einer anderen Welt.
Hongjae Lim überzeugt als Alfred mit tenoralem Glanz. So gibt es am Ende großen
Applaus für das Ensemble. Was die Zuschauer von der Inszenierung halten, lässt
sich schwer beurteilen, da sich das Regie-Team bei dieser vierten Vorstellung
nicht dem Publikum stellt.
FAZIT Carsten Kirchmeier präsentiert eine
etwas andere Sicht auf Die Fledermaus, wobei "Frl. Forsch" noch die
witzigste Abwandlung der eigentlichen Geschichte ist. Musikalisch bewegt sich
die Aufführung auf gutem Niveau.
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ProduktionsteamMusikalische Leitung Inszenierung Bühne und Kostüme Choreographie Chor Licht Dramaturgie
Neue Philharmonie Westfalen Opernchor des Musiktheater im Revier Statisterie des Musiktheater im Revier
SolistenGabriel Eisenstein Rosalinde, seine Frau Adele, Dienstmädchen Alfred Dr. Falke, Notar Frank, Gefängnisdirektor Prinz Orlovsky Dr. Blind, Advokat Ida "Frl. Forsch" Gefangene Tänzer Burlesque-Tänzerin
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