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Die Fledermaus

Operette in drei Akten
Text von Carl Haffner und Richard Genée nach Henri Meilhac und Ludovic Halévy
Musik von Johann Strauß (Sohn) (Orchesterfassung von Franz Wittenbrink)


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 55' (eine Pause)

Premiere im Kleinen Haus im MiR am 10. Juni 2016
(rezensierte Aufführung: 19.06.2016)

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Musiktheater im Revier
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Fledermaus mit etwas anderem Ende

Von Thomas Molke / Fotos von Pedro Malinowski


Seit Anfang Juni ist das Große Haus des Musiktheaters im Revier zwecks Renovierungsarbeiten für vier Monate geschlossen. Dennoch geht der Spielbetrieb bis zur Sommerpause mit umfangreichem Programm weiter. Während auf dem Theatervorplatz der Cirque Bouffon sein Zelt aufgeschlagen hat und zu seinem aktuellen Programm Quilombo einlädt (siehe auch unsere Rezension), gibt es im Kleinen Haus vor ständig ausverkauftem Haus die letzten Vorstellungen der Rocky Horror Show in der Inszenierung von Johannes Reitmeier (siehe auch unsere Rezension). Neben das Kultmusical hat man nun zum Abschluss der Saison noch die "goldenste aller goldenen Operetten" auf den Spielplan gestellt, Johann Strauß' Die Fledermaus, und damit einen weiteren Kassenschlager im Programm, der für ausverkaufte Vorstellungen sorgt. So war bei der vierten Aufführung am Sonntagnachmittag die Abendkasse gar nicht mehr besetzt, da es sowieso keine Karten mehr für diese Vorstellung gegeben hätte. Dabei geht Carsten Kirchmeier, der 2014 mit dem Gelsenkirchener Theaterpreis ausgezeichnet worden ist, mit der Vorlage stellenweise doch freier um, als es manchem Operettenliebhaber recht sein dürfte.

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Kammerzofe Adele (Marie Heeschen) träumt von einem besseren Leben.

Kommt der erste Akt noch relativ klassisch daher, hat man beim Fest des Prinzen Orlovsky im zweiten Akt schon fast den Eindruck, man sei in der Rocky Horror Show gelandet, was die Skurrilität der Party-Gäste betrifft. Gar nicht nachvollziehbar wird, wieso Adeles Schwester Ida von einem Mann in Frauenkleidern gespielt wird, der sich dann auch noch als Countertenor entpuppt. Sion Chois Anlage der Figur bleibt absolut blass und liefert auch keinen weiteren Erklärungsansatz, außer dass hier wohl mit den Geschlechterrollen gespielt werden soll. Überflüssig ist auch die Burlesque-Tänzerin Eden Berlin, die zur extra vom musikalischen Leiter Thomas Rimes arrangierten Musik zunächst einen Strip hinlegt, um dann im Stil von Dita Von Teese in einem riesigen Sektglas baden zu gehen. So sieht dann wohl Champagner-Seligkeit im 21. Jahrhundert aus. Die Bühne von Jürgen Kirner ist dabei fantasievoll und zweckmäßig gehalten. So verwandeln sich drei Tischlampen in unterschiedlicher Größe, die die Wohnung der Eisensteins in den Mief der 60er Jahre verlegen, beim Übergang zum zweiten Akt in drei Sektgläser, indem die Lampenschirme einfach entfernt werden. Prinz Orlovsky nimmt gewissermaßen als Regisseur der ganzen Szene auf einem weißen Stuhl im Rang Platz und beobachtet das Treiben auf seiner Party, während sich ein Double von ihm mit maskenhaftem Gesicht unter den Gästen tummelt und zu seinem berühmten Auftritts-Couplet "Ich lade gern mir Gäste ein" die Lippen bewegt.

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Skurrile Gesellschaft beim Prinzen Orlovsky (Chor)

Ab dem dritten Akt geht Kirchmeier dann in seiner Inszenierung ganz eigene Wege. Die umgestürzten Gläser auf der Bühne und die derangierten weißen Sitzgelegenheiten deuten an, dass man sich eventuell gar nicht im Gefängnis, sondern vielleicht immer noch beim Prinzen befindet und die Gefängnisszene nur ein weiteres Spiel des Prinzen ist. So gibt es auch keinen Gefängniswärter Frosch, sondern ein "Frl. Forsch", die eigentlich als Putzfrau hier arbeitet und nun mangels anderer Anwesender zunächst einmal die Aufsicht über die Gefangenen hat, die sich aus dem Off mit ihr unterhalten. Dabei macht Ute Wieckhorst aus dieser Figur einen echten Glanzpunkt der Aufführung und hat die Lacher auf ihrer Seite, ob sie nun als Schattenspiel bei der Einleitungsmusik zum dritten Akt im Takt die Toilette putzt oder scharfzüngige Kommentare abgibt. Großartig ist auch das wortlose Spiel mit Joachim Gabriel Maaß als Gefängnisdirektor Frank, der noch sichtlich angetrunken seinen Dienst antritt und dabei Frl. Forsch zunächst gar nicht bemerkt. Doch mit dem Auftreten der weiteren Figuren wird die Handlung dann abstrus. Eisenstein tötet den Advokaten Dr. Blind, weil dieser ihm nicht seinen Talar geben will. Frank erschießt sich auf der Toilette, weil er von Adele erpresst wird. Als vermeintlicher Advokat tötet Eisenstein am Ende des Terzetts Alfred und anschließend Adele, woraufhin er von Ida erschossen wird. Das kann Rosalinde nicht auf sich sitzen lassen und tötet Ida. Schließlich bleibt Frl. Forsch nichts anderes mehr übrig, als nun auch noch Rosalinde zu erschießen. Das sei, so Orlovsky aus dem ersten Rang, seine Vorstellung vom Ausgang der Geschichte. Doch Dr. Falke wünscht sich ein anderes Ende und lässt die Figuren zum Finale alle wieder auferstehen.

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Gabriel Eisenstein (Michael Dahmen) umgarnt auf dem Ball des Prinzen seine eigene Frau Rosalinde (Alfia Kamalova).

Musikalisch wird eine Salonfassung für neun Instrumente gespielt, die Franz Wittenbrink arrangiert hat und die erstmals 1992 am Theater Basel zu erleben war. Die Musik wird dabei komplett beibehalten, klingt allerdings ein bisschen weniger opulent, als man sie aus einem vollbesetzten Orchester gewöhnt ist. Dies fällt besonders bei der Ouvertüre auf. Doch Thomas Rimes gelingt es, mit den weiteren acht Musikern der Neuen Philharmonie Westfalen die Reichhaltigkeit und Sensibilität der Musik detailliert herauszuarbeiten, so dass man sich sehr schnell auf den etwas feineren Klang einstellen kann. Die Musiker sind auf der rechten Seite der Bühne positioniert und werden auch Teil der Inszenierung. So treten sie im ersten Akt noch in schwarzen Anzügen auf, die sie aber für das Fest bei Orlovsky ablegen und in etwas lockererem Outfit weitermusizieren. Beim Übergang vom ersten zum zweiten Akt gibt es eine interessante Improvisation zu Orlovskys "Ich lade gern mir Gäste ein", bei der zum Schlagzeug und Sieloffs Gesang die Bühne von Eisensteins Wohnung mit den Tischlampen in Orlovskys Party mit den Sektgläsern umgestaltet wird.

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Am Morgen danach: Gefängnisdirektor Frank (Joachim Gabriel Maaß) mit der Aushilfskraft "Frl. Forsch" (Ute Wieckhorst)

Michael Dahmen begeistert als Gabriel Eisenstein mit markantem Bariton und komödiantischem Spiel. Alfia Kamalova steht ihm als seine Gattin Rosalinde mit höhensicherem Sopran stimmlich und darstellerisch in nichts nach. So entfalten die beiden bei ihrer Trennung im ersten Akt mit "O je, o je, wie rührt mich dies" großartige Komik. Fragwürdig ist allerdings Kamalovas Verkleidung auf Orlovskys Ball. Mit dem riesigen grauen Skorpion auf und um den Kopf erscheint sie zwar ähnlich skurril zur Party wie die anderen Gäste. Ob der dünne schwarze Schleier allerdings als Maske reicht, so dass ihr Mann sie wirklich nicht erkennt, darf doch bezweifelt werden. Stimmlich punktet sie auch im zweiten Akt bei ihrer großen Arie "Klänge der Heimat" mit enormer Durchschlagskraft in den Höhen. Marie Heeschen stattet die Kammerzofe Adele mit jugendlichem Sopran aus und punktet mit leicht angesetzten Höhen. Bei "Mein Herr Marquis" fehlt den Koloraturen allerdings noch ein wenig die Beweglichkeit. Szenisch gut umgesetzt wird ihre Arie im dritten Akt, "Spiel ich die Unschuld vom Lande", bei der die unterschiedlichen Teile jeweils von kurzen Einwürfen von "Frl. Forsch" unterbrochen werden, die dann zum nächsten "Rollenspiel" überleiten. Joachim Gabriel Maaß begeistert als Gefängnisdirektor Frank mit großer Komik und beweglichem Bass. Anke Sieloff verleiht dem Prinzen Orlovsky einen warmen Mezzosopran, wirkt optisch allerdings wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Hongjae Lim überzeugt als Alfred mit tenoralem Glanz. So gibt es am Ende großen Applaus für das Ensemble. Was die Zuschauer von der Inszenierung halten, lässt sich schwer beurteilen, da sich das Regie-Team bei dieser vierten Vorstellung nicht dem Publikum stellt.

FAZIT

Carsten Kirchmeier präsentiert eine etwas andere Sicht auf Die Fledermaus, wobei "Frl. Forsch" noch die witzigste Abwandlung der eigentlichen Geschichte ist. Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf gutem Niveau.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Thomas Rimes

Inszenierung
Carsten Kirchmeier

Bühne und Kostüme
Jürgen Kirner

Choreographie
Paul Kribbe

Chor
Christian Jeub

Licht
Andreas Gutzmer

Dramaturgie
Juliane Schunke

 

Neue Philharmonie Westfalen

Opernchor des Musiktheater im Revier

Statisterie des Musiktheater im Revier

 

Solisten

Gabriel Eisenstein
Michael Dahmen

Rosalinde, seine Frau
Alfia Kamalova

Adele, Dienstmädchen
Marie Heeschen

Alfred
Hongjae Lim

Dr. Falke, Notar
Peter Rembold

Frank, Gefängnisdirektor
Joachim Gabriel Maaß

Prinz Orlovsky
Anke Sieloff

Dr. Blind, Advokat
Florian Neubauer

Ida
Sion Choi

"Frl. Forsch"
Ute Wieckhorst

Gefangene
Bernd Frings
Georg Hansen
Wolf-Rüdiger Klimm
Charles E. J. Moulton

Tänzer
Christian Funk
Cedric Sprick

Burlesque-Tänzerin
Eden Berlin


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