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Musiktheater
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Norma

Tragedia lirica in zwei Akten
Libretto von Felice Romani
Musik Vincenzo Bellini


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 15' (eine Pause)

Koproduktion mit dem Staatstheater Mainz

Premiere im Großen Haus im MiR am 5. März 2016
(rezensierte Aufführung: 13.03.2016)

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Musiktheater im Revier
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Belcanto-Gesang trifft auf Pasolini-Texte

Von Thomas Molke / Fotos von Karl und Monika Forster


Zehn Jahre ist es her, dass der damalige Intendant Peter Theiler die junge armenische Sopranistin Hrachuhí Bassénz nach Gelsenkirchen holte, wo sie nicht nur als Leonora in Verdis Il trovatore einen großartigen Einstieg feierte, sondern auch direkt im Jahr darauf mit dem begehrten Gelsenkirchener Theaterpreis ausgezeichnet wurde. Zwei Jahre später nahm Theiler sie dann auch gleich mit nach Nürnberg, und es bleibt abzuwarten, ob sie ihm auch an seine nächste Wirkungsstätte, die Semperoper in Dresden, folgen wird. Nun ist sie aber zunächst einmal als Gast nach Gelsenkirchen zurückgekehrt, und während sie 2006 die Titelpartie in der relativ unbekannten tragischen Oper Zaira von Vincenzo Bellini interpretierte, steht nun eine Rolle auf dem Programm, die zu den anspruchsvollsten Sopran-Partien des Belcanto-Faches zählt und von der jede namhafte Sängerin zumindest die Bravourarie "Casta diva" in ihrem Repertoire haben dürfte: Norma. Hoch sind nicht nur die Anforderungen an die Partie, sondern auch die Erwartungen, da heute immer noch jede Interpretin der Titelfigur mehr oder weniger an der legendären Maria Callas gemessen wird, die dem Werk im letzten Jahrhundert den Weg zurück ins Standardrepertoire geebnet hat.

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Hrachuhí Bassénz als Norma

Während Cecilia Bartoli für die Produktion der Salzburger Pfingstfestspiele 2013 die Partitur der Besetzung der Uraufführung in einer kritischen Neuausgabe rekonstruieren ließ und damit die Partie der Titelfigur ins Mezzo-Fach verschob, haben nun Maurizio Biondi und Riccardo Minasi in Zusammenarbeit mit Francesco Izzo auf Grundlage einer handschriftlichen Partitur Bellinis, der durch seinen frühen Tod 1835 keine endgültige Fassung seiner Oper hinterlassen hatte, eine kritische Neuausgabe angefertigt, die am Musiktheater im Revier zum ersten Mal auf einer deutschen Bühne szenisch zu erleben ist. So klingt hier musikalisch einiges anders als man es auf diversen CD-Einspielungen des letzten Jahrhunderts kennt. Adalgisa ist in der Neuausgabe - wie schon bei den Salzburger Pfingstfestspielen - mit einem Sopran besetzt und wird damit als junge Novizin auch durch eine hellere Stimme charakterisiert als die dunkler timbrierte und dramatischere Norma. Normas Vertraute Clotilde ist in der Gelsenkirchener Aufführung gestrichen.

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Pollione (Hongjae Lim) liebt Adalgisa (Alfia Kamalova).

Die Geschichte spielt zur Zeit der römischen Besetzung Galliens im ersten Jahrhundert vor Christus. Der römische Prokonsul Pollione hat ein Verhältnis mit der Oberpriesterin Norma, der Tochter des höchsten Druiden Oroveso. Doch obwohl aus dieser Verbindung schon zwei Kinder hervorgegangen sind, die Norma vor ihrem Vater und ihrem Volk versteckt hält, verliebt sich Pollione in die Novizin Adalgisa und bedrängt sie, ihm nach Rom zu folgen. Adalgisa kämpft gegen ihre Gefühle für Pollione und vertraut sich Norma an. Zunächst zeigt diese großes Verständnis, da sie sich selbst in Adalgisa wieder erkennt. Als Norma jedoch erfährt, dass beide denselben Mann lieben, verflucht sie Pollione und will sich an ihm rächen. Zunächst plant sie, die gemeinsamen Kinder zu töten, bringt es aber nicht fertig. Adalgisa bietet ihre Hilfe an und will versuchen, Pollione mit Hilfe der Kinder wieder mit Norma zu versöhnen. Als der Versuch scheitert, ruft Norma die Gallier zum Kampf gegen die Römer auf. Pollione wird im Tempel aufgegriffen und soll auf Normas Befehl geopfert werden. Ein letztes Mal fordert sie ihn auf, von Adalgisa zu lassen, und droht ihm, andernfalls Adalgisa ebenfalls hinrichten zu lassen. Als sie erkennt, dass sie auch mit diesen Drohungen den Geliebten nicht zurückgewinnen kann, klagt sie sich selbst an, übergibt die Kinder der väterlichen Fürsorge und geht gemeinsam mit Pollione in den Tod.

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Norma (Hrachuhí Bassénz, Mitte) ruft die Gallier (Chor und Extrachor) zum Kampf gegen die Römer auf.

Musikalisch ist an diesem Abend Belcanto vom Feinsten zu erleben. Bassénz begeistert als Norma mit großen dramatischen Bögen und sauberen Koloraturen, die in jedem Moment die Gefühle der Titelfigur widerspiegeln. Bei der großen Bravourarie "Casta diva" kann sie es durchaus mit den zahlreichen namhaften Interpretinnen vor ihr aufnehmen. Die weiteren Partien sind mit Ensemble-Mitgliedern hochkarätig besetzt. Zu nennen ist hier zunächst einmal Alfia Kamalova, die die Adalgisa mit strahlenden Höhen ausstattet und im großen Duett mit Bassénz, "Sì, fine all' ore estreme", zu einer bewegenden Innigkeit findet, die glaubhaft macht, dass die beiden Rivalinnen am Ende eine tiefe Freundschaft verbindet. Hongjae Lim punktet als von beiden geliebter Pollione mit lyrischem Tenor, der sich problemlos in die Höhen schwingt, ohne dabei zu forcieren. Gerade das Terzett zwischen Lim, Kamalova und Bassénz am Ende des ersten Aktes avanciert zu einem weiteren musikalischen Höhepunkt des Abends. Dong-Won Seo überzeugt als Normas Vater Oroveso mit markantem Bass und macht die Kompromisslosigkeit des höchsten Druiden spürbar. Fulminant tritt auch wieder der Chor unter der Leitung des scheidenden Chorleiters Christian Jeub auf. Valtteri Rauhalammi gelingt mit der Neuen Philharmonie Westfalen ein bewegender Klang aus dem Graben, der nur dann etwas hohl und blechern klingt, wenn er in einigen Passagen über die Lautsprecher verstärkt wird.

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Norma (Hrachuhí Bassénz) bittet ihren Vater Oroveso (Dong-Won Seo) um Vergebung.

So hätte alles ein wunderbarer Abend werden können, wenn, ja wenn Elisabeth Stöppler nicht in ihrer Inszenierung einige Ideen gehabt hätte, die nicht nur undurchsichtig sind, sondern stellenweise auch den musikalischen Ablauf des Abends erheblich stören. So vermisst sie wohl, dass die Römer im Stück "keine eigene Stimme" haben. Nun, das hatten Bellini und sein Librettist Felice Romani so wohl nicht vorgesehen. Aber muss man deshalb den Römer Flavio als "Grenzgänger zwischen den Welten" (Zitat aus dem Programmheft) Texte des Dichters und Filmregisseurs Pier Paolo Pasolini sprechen lassen, deren Bezug zum Stück sehr konstruiert wirken? Natürlich hat Lars-Oliver Rühl als Flavio recht wenig zu singen, und durch seine ergreifende Intonation der fünf Monologe gelingt es ihm auch, seine Rolle aufzuwerten, aber inhaltlich bringt dieser Regie-Einfall überhaupt nichts, sondern führt lediglich dazu, dass der Abend trotz der wunderschönen Musik unnötige Längen entwickelt. Auch die christlichen Anspielungen wirken deplatziert. Wieso trägt Norma zu Beginn als Oberpriesterin eine Dornenkrone und wird am Ende bei der Hinrichtung in langem weißem Gewand in Kreuzposition gen Himmel (also Richtung Schnürboden) gezogen, und was sollen die Anspielungen auf den heiligen Sebastian, wenn Pollione sich am Ende einen weißen Pfeil in die Brust stößt?

Soll es zu einem Markenzeichen Stöpplers werden, dass in jeder Inszenierung ein nackter Mensch (in diesem Fall eine junge Statistin) auf der Bühne auftreten muss? Wenn die Novizin im ersten Akt geopfert werden soll, macht es ja vielleicht noch Sinn, aber wieso sitzt die Statistin dann am Ende die ganze Zeit nackt auf der Seitenbühne? Wieso müssen die anderen Novizinnen beim Kriegsaufruf der Gallier brutal mit Stöcken niedergeschlagen werden? Auch das abstrakt klobige Bühnenbild von Hermann Feuchter erschließt sich nicht und führt lediglich bei den weiter außen sitzenden Zuschauern zu Sichtbehinderungen. So gibt es auch bei der zweiten Aufführung am Ende Unmutsbekundungen für die Inszenierung, bevor dann die Solisten, der Chor und Rauhalammi beim Schlussapplaus mit großem Jubel bedacht werden.

FAZIT

Musikalisch erlebt man in Gelsenkirchen Belcanto vom Feinsten. Die eingefügten Pasolini-Texte und einzelne Regie-Einfälle Stöpplers sind allerdings absolut überflüssig.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Valtteri Rauhalammi

Inszenierung
Elisabeth Stöppler

Bühne
Hermann Feuchter

Kostüme
Nicole Pleuler

Chor
Christian Jeub

Licht
Patrick Fuchs

Dramaturgie
Stefan Steinmetz

 

Neue Philharmonie Westfalen

Opern- und Extrachor des
Musiktheater im Revier

Statisterie des Musiktheater im Revier

 

Solisten

*rezensierte Aufführung

Norma
Hrachuhí Bassénz

Adalgisa
Alfia Kamalova

Pollione
Hongjae Lim

Oroveso
Dong-Won Seo

Flavio
Lars-Oliver Rühl

Eine Jungfrau (Chorsolo)
Katrin Stösel

Normas Kinder
Lili Lenz
Mona Lenz /
*Asya Cakmakci
*Selin Türk


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Da capo al Fine

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