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Avenue Q

Musical in zwei Teilen
Buch von Jeff Whitty, Übersetzung von Dominik Flaschka (Dialoge) und Roman Riklin (Songtexte)
Musik und Songtexte von Robert Lopez und Jeff Marx

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 5. September 2015


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Sesamstraße für Erwachsene

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Schon direkt zu Beginn der neuen Saison beherrscht ein neuer Streit zwischen dem Theater Hagen und der Stadt die Lokalzeitungen. Natürlich geht es wie immer in solchen Fällen um die Finanzen, und Intendant Norbert Hilchenbach sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, die erforderlichen Einsparungen nicht beherzt genug umzusetzen. Hilchenbach kontert bei der Eröffnungspremiere mit einer repräsentativen Umfrage von Radio Hagen, wonach 76 % der Bürger der Stadt das Theater unbedingt in der jetzigen Form erhalten wollen, und appelliert an die Premierenbesucher, alles daran zu setzen, auch noch die übrigen 24 % für das Theater zu gewinnen. Unter diesem Aspekt scheint das Musical, mit dem diese Spielzeit in Hagen eröffnet wird, genau darauf abzuzielen, auch neue Publikumsschichten für das Musiktheater zu erschließen. Absolut modern kommt nämlich die Thematik dieses Musicals daher, das 2003 am Broadway seine Uraufführung erlebte und mit Puppen, die stark an die Sesamstraße oder Muppet Show erinnern, auf unterhaltsame Art mit Sexualität, Rassismus, Beziehungen, Arbeit und Bestimmung Themen behandelt, die nicht nur die Generation zwischen 25 und 40 Jahren beschäftigen.

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Willkommen in der Avenue Q: von links: Frau Semmelmöse (Stephanie Junge), Nicky (Mariyama Ebel und Michael Thurner), Agneta (Marilyn Bennett), Rod (Kim-David Hammann), Princeton (Nicolai Schwab), Christmas Eve (Maria Klier), Kate Monster (Carolina Walker), Trekkie Monster (Maciej Bittner), Brian (Tillmann Schnieders), Carolin Waltsgott und Vicco Farah

Dabei dauerte es fast vier Jahre, bis der Komponist Robert Lopez gemeinsam mit dem Juristen Jeff Marx und dem Textdichter Jeff Whitty die 1999 geborene Idee am Broadway zur Uraufführung zu bringen. Ursprünglich hatten Lopez und Marx eine Fernsehserie als eine Art Sesamstraße für Erwachsene geplant. Doch niemand interessierte sich für ihr Projekt, bis die Macher des Musicals Rent auf die Idee aufmerksam wurden, und so entstand ein Werk, das schon bald am Broadway Kult-Charakter bekommen sollte. Muppets-Darsteller Rick Lyon kreierte die Puppen, mit denen jetzt auch in der Hagener Inszenierung gespielt wird. Die Geschichte spielt in der fiktiven Avenue Q in einem äußeren Bezirk von New York City, in dem sich auch die ärmere Bevölkerung der Stadt ein Zimmer leisten kann. Hier trifft der junge College-Absolvent Princeton auf die Kindergärtnerin Kate Monster, die auf der Suche nach einem Lebenspartner ist und gerne eine Schule für Monster eröffnen will. Auch der arbeitslose Brian, der als Comedian Karriere machen möchte und dem dazu leider die Pointen fehlen, lebt hier mit seiner Freundin Christmas Eve, einer japanischen Migrantin, die als Therapeutin verzweifelt auf der Suche nach Klienten ist. Weitere Bewohner sind die Freunde Rod und Nicky, die ständig Streit miteinander haben, wobei Rod heimlich in Nicky verliebt ist, allerdings Probleme hat, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen. All diese Figuren sind auf der Suche nach der Erfüllung ihrer Träume und kommen im Finale einem Moment des Glücks ein Stückchen näher.

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Nicky (Michael Thurner und Mariyama Ebel, links) und Rod (Kim-David Hammann, rechts) haben Stress.

Die meisten Figuren dieser Straße werden von Puppen verkörpert, wobei die Puppenspieler anders als in der Sesamstraße oder der Muppet Show durchaus auf der Bühne zu sehen sind und dabei mit ihrer Figur zu einer Person verschmelzen. Nur drei Charaktere sind Menschen: Brian, Christmas Eve und Agneta Fältskog, die Hausmeisterin in der Avenue Q. Letztere ist eine Erfindung der Hagener Inszenierung. Während in der Broadway-Fassung der Hausmeister Gary Coleman heißt, ein ehemaliger amerikanischer Kinderstar, dessen Karriere ein jähes Ende fand, und man sich bei der deutschen Erstaufführung in Mannheim 2011 für den ehemaligen DSDS-Teilnehmer Daniel Küblböck entschieden hat, lässt Sascha Wienhausen in seiner Inszenierung die ehemalige Abba-Sängerin als Figur auftreten, die ihrer längst vergangenen Karriere nachtrauert. Marilyn Bennett verleiht der Agneta nicht nur darstellerische Tiefe, sondern spielt auch mit zahlreichen Abba-Zitaten äußerst komödiantisch auf die großen Jahre der berühmten schwedischen Popgruppe an. Dabei treten dann auch noch Statisten in die Fußstapfen der restlichen Bandmitglieder.

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Schlechter Einfluss auf Princeton (Nicolai Schwab, Mitte): Bad Idea Bear I (Vicco Farah) und Bad Idea Bear II (Carolin Waltsgott)

Ulrike Reinhard hat eine graue recht trist wirkende Häuserfront mit zahlreichen Türen und Fenstern entworfen, die dem Charakter der Avenue Q gut entspricht. Auf der linken Seite ist hinter der Wand die Avenue Q Band untergebracht, die aus sechs Musikern besteht. Die rechte Häuserfront kann in den Schnürboden hochgezogen werden, so dass der Blick auf ein Gerüst freigegeben wird, das mal als Schlafzimmer in den einzelnen Wohnungen fungiert, dann als Empire State Buildung, auf dem Kate Monster auf Princeton wartet. Besonders hervorzuheben sind die kleinen Details im Bühnenbild, die viel über die einzelnen Charaktere verraten. So wird beispielsweise in den Szenen mit Rod eine Wand aus dem Schnürboden herabgelassen, auf der eine Nachbildung der berühmten David-Statue abgebildet ist. Bei Kate sieht man an der Wand zahlreiche Bilder von kleinen Monstern, was ihren Traum von der Monsterschule andeutet. Wenn sie dann am Ende wirklich ihre Schule unter dem Namen "Monstersori-Schule" gründen kann, dürfte das bei zahlreichen Leuten im Publikum ebenfalls ein Schmunzeln hervorrufen. Dass die Direktorin des Kindergartens, Frau Semmelmöse, im Original Mrs. Thistletwats, an einigen Stellen auf Angela Merkel anspielt, ist ebenfalls ein neuer Einfall für die Hagener Inszenierung.

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Auftritt Lucy (Joyce Diedrich): von links: Rod (Kim-David Hammann), Princeton (Nicolai Schwab), Nicky (Michael Thurner) und Trekkie Monster (Maciej Bittner)

Musikalisch sind die Nummern recht eingängig und amüsant, wobei sie teilweise auch kritische Themen aufgreifen. Doch durch den Puppenmund wirkt es sogar lustig, wenn sich die einzelnen Figuren gegenseitig beschuldigen, ein bisschen rassistisch zu sein. Auch das Lied, in dem Nicky Rod erklärt, dass er auch dann gerne mit ihm befreundet sein möchte, wenn Rod schwul ist, gehört zu den Höhepunkten des Abends. Absoluter Hit des Musicals ist sicherlich der Song "Internet is for Porn", in dem das Trekkie Monster Kate ihrer Illusion beraubt, dass die meisten Menschen das Internet zur Informationsbeschaffung nutzen. Hier gestehen auch die anderen Puppen, dass sie im Internet gerne nach eher schlüpfrigen Inhalten surfen. Böse hingegen ist der Song, in dem Agneta dem auf die Straße gesetzten Nicky die Vorzüge der Schadenfreude erklärt. Neben diesen recht frechen oder komischen Songs gibt es allerdings auch einige nachdenklichere Balladen vor allem für Kate und Princeton.

Wienhausen, der seit 2012 Dekan das Instituts für Musik in Osnabrück ist, hat für die Produktion zahlreiche Studenten der Hochschule mitgebracht, die als Puppenspieler den Figuren Leben einhauchen und dabei mit den Puppen eine wunderbare Einheit eingehen. Besonders beeindruckend gelingt dies Michael Thurner und Maciej Bittner, die gemeinsam mit Mariyama Ebel Nicky bzw. das Trekkie Monster bewegen und dabei in einer Choreographie von Barbara Tartaglia wunderbar harmonieren. Bittner begeistert stimmlich als Trekkie Monster mit knorriger Stimme, wenn er "Internet is for Porn" erklärt. Thurner lässt bei seiner Darstellung des chaotischen Nicky Erinnerungen an Ernie aus der Sesamstraße wach werden. Kim-David Hammann begeistert als verklemmter Rod, der erst am Ende unter gehörigem Alkoholeinfluss zu seiner Homosexualität stehen kann und mit Ricky, einer Art Kopie von Nicky, einen geeigneten Partner findet. Joyce Diedrich verleiht der Lucy enormes Sex-Appeal. Witzig ist vor allem die Läuterung, wenn sie am Schluss dann ihre Bestimmung im Glauben findet. Großartig sind auch Vicco Farah und Carolin Waltsgott als Bad Idea Bear I und II, die optisch die niedlichsten Puppen besitzen, dabei aber den verdorbensten Charakter aufweisen. Nicolai Schwab wird dem jungen College-Absolventen Princeton ebenfalls voll gerecht. Publikumsliebling ist Carolina Walker als Kate Monster. Mit großer Stimme macht sie Kates Ballade über den schmalen Grat, auf dem man sich bewegt, zu einem eindringlichen Höhepunkt des Abends. Tillmann Schnieders und Maria Klier aus dem Hagener Ensemble runden den Abend als Brian und Christmas Eve mit großem komödiantischem Talent ab. Steffen Müller-Gabriel zaubert mit der Avenue Q Band einen flotten Sound auf die Bühne, so dass es am Ende stehenden Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Dieses Musical verbreitet einfach nur gute Laune. Wenn man einen unterhaltsamen und kurzweiligen Abend erleben will, sollte man sich diese Produktion in Hagen nicht entgehen lassen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Steffen Müller-Gabriel

Inszenierung
Sascha Wienhausen

Bühne und Kostüme
Ulrike Reinhard

Choreographie
Barbara Tartaglia

Video
Lieve Vanderschaeve

Lichtdesign
Achim Köster

Dramaturgie
Miriam Michel

 

Statisterie des Theater Hagen

Avenue Q Band


Solisten

*Premierenbesetzung

Agneta Fältskog
Marilyn Bennett

Brian
Tillmann Schnieders

Christmas Eve
Maria Klier

Princeton
Nicolai Schwab

Kate Monster
Carolina Walker

Rod
Kim-David Hammann

Nicky
Michael Thurner
*Mariyama Ebel (linke Hand) /
Stephanie Junge

Trekkie Monster
Maciej Bittner
*Mariyama Ebel (linke Hand) /
Stephanie Junge

Lucy
*Joyce Diedrich /
Mariyama Ebel

Bad Idea Bear I
Vicco Farah

Bad Idea Bear II
Carolin Waltsgott

Frau Semmelmöse
Stephanie Junge

Ricky
Vicco Farah

Neuankömmling
Vicco Farah

Singende Kartons
Mariyama Ebel /
Vicco Farah /
Carolin Waltsgott


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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