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Eugen Onegin

Lyrische Szenen in drei Akten
Libretto vom Komponisten und Konstantin Schilowski nach dem Versroman von Alexander Puschkin
Deutsche Übersetzung von Wolf Ebermann und Manfred Koerth
Musik von Peter Tschaikowski

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 5. März 2016
(rezensierte Aufführung: 11.03.2016)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Anleitung zum Unglücklichsein

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Dass sich ausgerechnet der als "lyrische Szenen" bezeichnete Eugen Onegin zu seinem größten Opernerfolg entwickeln sollte, hatte Tschaikowski wohl nicht erwartet, als er sich aufgrund seiner Begeisterung für Puschkins gleichnamigen Versroman dazu entschloss, die im Text enthaltene Schönheit in Musik umzusetzen. Viele seiner Zeitgenossen äußerten auch begründete Zweifel an der Dramaturgie der Handlung, die mit Tatjana, Lenski und Onegin in jedem Akt das Unglück einer anderen Figur in den Mittelpunkt stellt und somit eigentlich drei kleine Opern in einer enthält. So fand die eigentliche Uraufführung auch nur als geschlossene Vorstellung am 17. März 1879 im Moskauer Maly-Theater statt und wurde von Studenten des Konservatoriums produziert. Doch Tschaikowskis Begeisterung für die Figuren seines Stücks schwappte mit der Zeit auf das Publikum über, und seine Liebe, die er in der hochemotionalen Musik für die Figuren zum Ausdruck brachte, berührte die Zuhörer und führte dazu, dass sich das Werk nach seiner offiziellen Premiere am 11. Januar 1881 am Moskauer Bolschoi-Theater schnell über ganz Europa verbreitete und einen festen Platz im Repertoire erhielt. Nachdem das Werk im Januar in Wuppertal in einer Inszenierung von Ansgar Haag zu erleben war (siehe auch unsere Rezension), gibt es nun auch in Hagen eine Neuproduktion.

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Lenski (Kejia Xiong) liebt Olga (Kristine Larissa Funkhauser).

Während in Wuppertal in Originalsprache gesungen wurde, da der scheidende Intendant Toshiyuki Kamioka ja kein festes Ensemble etabliert hat und die Sängerinnen und Sänger nur über Gastverträge verpflichtet werden, wählt man in Hagen eine deutsche Fassung von Wolf Ebermann und Manfred Koerth, da hier die meisten Rollen mit Ensemble-Mitgliedern besetzt werden können, für die ein deutscher Text leichter zu lernen sein dürfte als ein russischer. Auf eine Übertitelung wird dabei verzichtet, da die Solisten aufgrund des umsichtigen Dirigats von Mihhail Gerts meistens gut zu verstehen sind. Nur in den Ensembles und den Chorpassagen leidet die Textverständlichkeit, wobei auch die Abstimmung zwischen dem Chor und dem Orchester zumindest in der besuchten Aufführung nicht immer ganz sauber ist. Gerts gelingt es an diesem Abend nicht, beim Auftritt der Landarbeiter im ersten Akt und bei der Feier zu Tatjanas Namenstag im zweiten Akt eine homogene Linie zwischen Orchester und Chor herzustellen, so dass der Chor leicht hinter der Musik zu hängen scheint. Auch ansonsten fällt es schwer, sich in die emotionalen Tiefen des Stückes hineinfallen zu lassen, da Gerts mit dem Philharmonischen Orchester Hagen einen recht kühlen Zugang zur Musik wählt, während Kamioka mit dem Sinfonieorchester Wuppertal das Publikum eine musikalische Achterbahn der Gefühle durchleben ließ.

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Tatjana (Veronika Haller) schreibt Onegin einen Brief.

Vielleicht liegt dies allerdings auch an dem abstrakten und recht nüchternen Regie-Ansatz, den Holger Potocki in seiner Inszenierung wählt. So wird auf ein großes Bühnenbild verzichtet, und Bühnenbildnerin Tanja Hofmann, die auch für die zeitlosen Kostüme verantwortlich zeichnet, verwendet eine größtenteils leere Drehbühne mit wenigen Requisiten. Roter Klatschmohn umgibt im ersten Akt Larinas Landgut, auf dem Tatjana und Olga sich die Zeit vertreiben, Tatjana in ein Buch vertieft und Olga auf der Jagd nach Schmetterlingen, während Larina und die alte Amme auf einer weißen Bank dem vergangenen Glück nachtrauern. Während die Amme sich dabei mit Nähen beschäftigt, bleibt Larina nichts anderes übrig, als sich ihr eintöniges Leben durch Rauchen erträglich zu machen. Der Chor der auftretenden Landarbeiter steht während des ersten Quartetts der vier Frauen schon in der Mitte der Drehbühne und erinnert in seinem Auftritt an einen antiken griechischen Chor, der die Handlung zu kommentieren scheint. Schade ist nur, dass dieser Ansatz eigentlich nicht ins Stück passt, da die "lyrischen Szenen" ja keine Tragödie im eigentlichen Sinne darstellen, und der Chor auch bei den späteren Auftritten im zweiten Akt bei Tatjanas Namenstag und im dritten Akt bei Fürst Gremin recht behäbig wirkt und von Potocki nicht überzeugend in Szene gesetzt wird.

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Ende einer Freundschaft: Onegin (Kenneth Mattice, links) und Lenski (Kejia Xiong, rechts)

Ein besserer Zugang gelingt Potocki in der Personenregie zu den Solisten. Tatjanas große Briefszene wird bewegend umgesetzt. Tatjanas Zimmer besteht aus einem Bett aus Büchern. Hier offenbart sie Onegin ihre Gefühle in einem langen Brief, der aus einem nicht endenden Briefbogen besteht, in den sie sich anschließend einhüllt. Während dieser Szene lässt Potocki Onegin auch als Standbild in seinem schwarzen Anzug über die Bühne fahren. Veronika Haller stattet die Tatjana mit großem lyrischen Sopran aus und punktet in der Briefarie mit sauberen Spitzentönen und emotionalem Spiel. Kenneth Mattice ist optisch ein Onegin, der nachvollziehbar macht, dass Tatjana in ihm ihren Traumprinzen sieht. Stimmlich stattet er die Titelfigur mit profundem Bariton aus und arbeitet die Rastlosigkeit dieses jungen Mannes, der sich auf der Suche nach einem tieferen Sinn im Leben befindet, gut nachvollziehbar heraus. Kristine Larissa Funkhauser macht als Olga bereits beim ersten Zusammentreffen deutlich, dass sie diesen Mann nicht uninteressant findet und zeigt sich den Avancen ihres Freundes Lenski gegenüber recht kühl. Mit mädchenhaftem Spiel und weichem Mezzo arbeitet Funkhauser die Leichtlebigkeit von Tatjanas Schwester gut heraus. Aufhorchen lässt auch Rena Kleifeld als Amme Filipjewna mit wohl-timbriertem Mezzo und bewegendem Spiel.

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Tatjana (Veronika Haller) weist Onegin (Kenneth Mattice) zurück.

Den zweiten Akt beginnt Potocki immer noch mit Tatjana. Sie steht auf einer leeren Bühne und hält einen Brief in der Hand, der dann in den Schnürboden gezogen wird und anschließend in kleinen Papierschnipseln herabrieselt. Auch die Dekoration ihres Namenstages besteht aus weißen Fähnchen, die alle in Form von Briefpapier aus dem Schnürboden herabgelassen werden. Wenn es dann auf der Feier zwischen Onegin und Lenski zum Eklat kommt und Lenski seinen Freund zum Duell herausfordert, werden die Fähnchen ebenfalls wieder emporgezogen, und nun beginnt es lange zu schneien, bis die ganze Bühne mit weißen Papierschnipseln übersät ist. Warum das Fallen der Flocken so knistert, ist nicht nachvollziehbar, zumal es ein wenig den Genuss von Lenskis großer Arie stört. Kejia Xiong interpretiert die berühmte Arie "Wohin? Wohin?" mit sauberen Höhen und großer Melancholie in der Stimme. Auch beim folgenden Duett, in dem Onegin und Lenski noch einmal überlegen, ob sie sich nicht lieber die Hand reichen sollen, überzeugen Mattice und Xiong. Den tödlichen Schuss hingegen lässt Potocki in seiner Inszenierung verpuffen. Lenski lässt lediglich die Waffe fallen, und aus dem Schnürboden fallen nun rote Schnipsel herab. Ansonsten verharrt Lenski stehend auf der Drehbühne, während Paul Jadach als Saretzki Lenskis Tod diagnostiziert.

Der dritte Akt beginnt nun mit Onegin, der über dem Sarg seines Freundes Lenski kniet. Im Folgenden wird Lenski auch noch einmal über die Bühne gefahren, um anzudeuten, dass Onegin seinen Erinnerungen nicht entkommt. Ilkka Vihavainen hat einen kurzen, aber stimmlich überzeugenden Auftritt als Fürst Gremin und punktet in seiner großen Arie "Ein jeder kennt die Lieb' auf Erden" mit profunden Tiefen. Es kommt zum großen Schlussduett zwischen Tatjana und Onegin, in dem Tatjana Onegin zwar gesteht, dass sie ihn immer noch liebe, ihrem Mann allerdings die Treue halten werde. Haller punktet erneut mit großen lyrischen Bögen und intensivem Spiel. Mattice arbeitet die Verzweiflung der mittlerweile gebrochenen Titelfigur bewegend heraus und bleibt am Ende allein auf der Bühne zurück, während Tatjana auf der gleichen weißen Bank, auf der bereits zu Beginn des Abends ihre Mutter gesessen hat, nachdem diese ihr Lebensglück der Gewohnheit und dem äußeren Zwang geopfert hatte, mit der Drehbühne in den Hintergrund gefahren wird. So gibt es am Ende trotz der genannten Schwächen verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Holger Potocki gelingt bei den Solisten größtenteils eine gute Personenführung, hat bei seinem nüchternen Ansatz allerdings leichte Schwierigkeiten, den Chor adäquat einzubauen. Vom Philharmonischen Orchester Hagen unter der Leitung von Mihhail Gerts hätte man sich in der Interpretation etwas mehr Emotionalität gewünscht.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Mihhail Gerts

Inszenierung
Holger Potocki

Bühnenbild und Kostüme
Tanja Hofmann

Licht
Ernst Schießl

Chor
Wolfgang Müller-Salow
Malte Kühn

Choreographie
Alfonso Palencia

Dramaturgie
Ina Wragge

 

Philharmonisches Orchester
Hagen

Chor und Extrachor des
Theater Hagen

Statisterie des Theater Hagen


Solisten

Larina
Marilyn Bennett

Tatjana
Veronika Haller

Olga
Kristine Larissa Funkhauser

Filipjewna
Rena Kleifeld

Eugen Onegin
Kenneth Mattice

Wladimir Lenski
Kejia Xiong

Fürst Gremin
Ilkka Vihavainen

Ein Haupotmann / Saretzki
Paul Jadach

Triquet
Richard van Gemert

Guillot
Sebastian Klug


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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