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Piaf

Schauspiel mit Musik von Pam Gems
Deutsch von Angela Kingsford Röhl

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 13. Februar 2016
(rezensierte Aufführung: 25.02.2016)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Stationen einer Legende

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Am 19. Dezember 2015 jährte sich der Geburtstag der legendären Chansonsängerin Édith Piaf zum 100. Mal, was möglicher Weise ein Grund für das Theater Hagen gewesen ist, der französischen Chansonnette erneut einen Abend zu widmen. Während Petra Lamy 2006 Piafs berühmte Chansons als Hommage an den "Spatz von Paris" präsentiert hat, greift man nun auf ein Schauspiel der englischen Dramatikerin Pam Gems zurück, das 1978 im Londoner Theater "The Other Place" uraufgeführt wurde und bedeutende Lebensstationen der Piaf mit ihren Liedern verknüpft. So erinnert die Produktion thematisch an die beiden Schauspiele über die Comedian Harmonists von Gottfried Greiffenhagen, die in den letzten Jahren mit großem Erfolg in Hagen auf dem Spielplan standen, wobei der zweite Teil auch in dieser Spielzeit in Hagen noch zu erleben ist. Und weil Thomas Weber-Schallauer mit seiner Inszenierung der beiden Schauspiele über die Comedian Harmonists in der Ausstattung von Peer Palmowski und unter der musikalischen Leitung von Andres Reukauf den Publikumsgeschmack so hervorragend getroffen hat, hat man das gleiche Team auch für Gems' Piaf engagiert und kann die Zuschauer erneut begeistern. Unter einem angedeuteten Fuß des Eiffelturms lässt Palmowski auf einer Drehbühne mit relativ wenigen Bühnenelementen vor einem angedeuteten Panoramablick auf die Metropole Paris zahlreiche Stationen der Piaf Revue passieren, wobei an der Rampe ein Mikrophon steht, an das Judith Guntermann zwischen den einzelnen Szenen tritt, um Piafs Lieder mit einem Timbre zu präsentieren, das dem Original sehr nahe kommt.

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Judith Guntermann als Édith Piaf

Eine Produktion dieses Stückes steht und fällt natürlich mit der Hauptdarstellerin, und da hat man mit Guntermann nicht nur stimmlich einen absoluten Glücksgriff getan. Mit großer Wandlungsfähigkeit entwickelt sie sich von der rotzfrechen Göre aus der Gosse zur gefeierten Diva, die an ihren Schicksalsschlägen und ihrer Morphiumsucht schließlich zugrunde geht. Wenn Guntermann am Ende des Stückes als Piaf in einem Sanatorium stirbt, hat die Maske wirklich ganze Arbeit geleistet, um aus diesem jungen Mädchen eine gebrochene alte Frau zu machen. Die zahlreichen Weggefährten der Piaf werden von zwei weiteren Schauspielerinnen und fünf Schauspielern in Mehrfachbesetzungen dargestellt. Dabei erhebt Gems in ihrem Stück allerdings nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern beschränkt sich auf einzelne Stationen, die eng mit den ausgewählten Liedern verknüpft sind. Den Anfang macht dabei ein Auftritt Piafs zu einem Zeitpunkt, als sie gesundheitlich bereits eine gebrochene Frau ist. Leicht gebeugt schlurft sie zum Mikrophon vor dem Vorhang und setzt zum Lied "La goualante du pauvre Jean" an, das sie aber unterbrechen muss, da sie nicht die Kraft besitzt, es weiterzusingen. Robert Schartel führt sie als Manager von der Bühne, wobei sie versucht, sich dagegen zu wehren. Mit einer Schimpftirade Piafs beginnt dann der Rückblick.

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Paul (Jacoub Eisa) fördert die Karriere der Piaf (Judith Guntermann).

Piaf ist nun ein junges Mädchen, das sich als Straßensängerin in Paris mit ihrer Freundin Toine (Christina Dorn) aus dem horizontalen Gewerbe ihren Lebensunterhalt verdient, als Louis Leplée (Werner Hahn), der Direktor des Cabarets "Gerny's" auf sie aufmerksam wird, während sie in den Straßen "Les mômes de la cloche" trällert, und ihr zu ihrem ersten Engagement unter dem Künstlernamen "La môme Piaf" verhilft. Doch das Glück ist nur von kurzer Dauer. Piaf bringt ihre Freunde von der Straße mit ins Cabaret, und dieser Besuch endet für Leplée tödlich. Trotzdem gelingt es Piaf, mit den richtigen Kontakten ihre Karriere fortzusetzen, und stellvertretend für diese Zeit der Erfolge interpretiert Guntermann "Mon manège à moi" mit dem unverwechselbaren Timbre der Piaf, "La vie en rose" mit emotionaler Tiefe und die bewegende Ballade "L'accordéoniste", bei der Guntermann besonders mit dem abrupten Ende das Publikum in ihren Bann zieht. Es folgt der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, in dem Piaf gemeinsam mit ihrer Freundin Toine den Widerstand unterstützt und im bekannten Bordell sowohl Kontakte zur Resistance als auch zum deutschen Militär pflegt. In diesem Zusammenhang gibt Guntermann ein leicht laszives "C'est à Hambourg" zum Besten.

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Die Piaf (Judith Guntermann, rechts) mit Marlene Dietrich (Christina Dorn, links) in New York

Im Anschluss daran begegnet Piaf der Liebe ihres Lebens, dem Boxer Marcel Cerdan (Firat Baris Ar). Von dieser Beziehung berichtet Guntermanns bewegend vorgetragenes "Mon dieu". Doch Marcel kommt bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, und Piaf gibt sich die Schuld dafür, da sie ihn überredet hat, mit dieser Maschine zu fliegen. Sie tritt am gleichen Abend mit "La belle histoire d'amour auf", bricht allerdings auf der Bühne zusammen. Marlene Dietrich (Christina Dorn) überredet sie, ihr Glück in den USA zu versuchen. Doch die Amerikaner verstehen Piafs französische Chansons nicht und reagieren mit Zurückhaltung. Erst als sie ihren Liedern eine englische Übersetzung voranstellt, gelingt ihr im New Yorker Nachtclub "Versailles" der Durchbruch, an diesem Abend markiert durch eine grandiose Darbietung von "Milord". Nach ihrer Rückkehr nach Paris preist sie im Moulin Rouge einen jungen Italiener namens Angelo (Jacoub Eisa) an. Dahinter verbirgt sich eigentlich eine Episode, die vor ihrem Aufenthalt in den USA und vor ihrer Begegnung mit Marcel Cerdan stand, und dieser Italiener war niemand geringerer als ein junger Mann, der später unter dem Namen Yves Montand große Erfolge feiern sollte. Eisa überzeugt als Macho in einem lächerlich karierten Anzug mit glänzenden Cowboystiefeln mit markantem Bariton, wenn er "O sole mio" interpretiert.

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Die Piaf (Judith Guntermann) als gebrochene Frau

Danach ist der Verfall der Piaf nicht mehr aufzuhalten. Die "Hymne à l'amour" interpretiert Guntermann als Piaf zwar noch mit großem Pathos, hinter dem Inhalt des Textes steht sie zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr wirklich. Eine Liebesbeziehung löst die nächste ab und gezeichnet von mehreren Autounfällen kann sie bald gar nicht mehr ohne Morphium leben. Besonders beeindruckend gelingt hier die Lichtregie von Achim Köster. Aus mehreren Scheinwerfern lässt er Lichtstrahlen wie Schneeregen auf die Piaf hinabströmen, die sie in die Knie zwingen. Erst als sie von schwerer Krankheit gezeichnet in einem Sanatorium den 20 Jahre jüngeren Theophanis Lamboukas (Jacoub Eisa) kennenlernt, kommt sie ein wenig zur Ruhe und tritt mit ihm gemeinsam im Duett "A quoi ça sert, l'amour?" auf. Hier überzeugt Guntermann vor allem in ihrer Mimik und Gestik, wenn sie als von der Krankheit gezeichnete Frau neben dem jungen, kräftigen Eisa steht. Auf die Geschichte zu Piafs Lebensmotto "Non, je ne regrette rien" verzichtet der Abend und präsentiert das berühmte Lied nur am Ende des Abends, bevor die Piaf in einem Sanatorium in Anwesenheit ihres Mannes Theo und ihrer alten Freundin Toine sanft einschläft. Hier gelingt Weber-Schallauer in der Personenregie ein absolut bedrückender Moment, der unter die Haut geht. Das Ensemble wird für diese Leistung mit frenetischem Beifall gefeiert, so dass Guntermann zum Schluss, nun wieder verwandelt in die junge Piaf, noch die beiden berühmten Chansons "Padam, padam" und "Sous le ciel de Paris" präsentiert.

FAZIT

Dieser Abend ist mit den zahlreichen Chansons der Piaf ein musikalischer Genuss und dürfte nicht zuletzt wegen der charismatischen Hauptdarstellerin für ausverkaufte Vorstellungen sorgen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung und Klavier
Andres Reukauf

Inszenierung
Thomas Weber-Schallauer

Ausstattung
Peer Palmowski

Lichtdesign
Achim Köster

Dramaturgie
Maria Hilchenbach

 

Band

Akkordeon
Alexander Pankov

Kontrabass
*Ingo Senst /
Ivo Kassel

Schlagzeug
Marco Schmitz


Solisten

Piaf
Judith Guntermann

Toine / Marlene
Christina Dorn

Madeleine / Krankenschwester /
Schwester
Christina Günther-Vieweg

Manager / Jacques / 1. Boche
Matrose
Robert Schartel

Emil / Paul / Amerikaner / Angelo /
Dealer / Theo
Jacoub Eisa

Leplée / Polizist / Georges /
Matrose / Moderator / Therapeut
Werner Hahn

Eddie / Pierre / Marcel
Firat Baris Ar

Klein-Louis / Agent / 2. Boche /
Matrose / Lucien / Jean / Jacko
Sebastian Kolb


Weitere Informationen
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Theater Hagen
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