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Dafür kann sie nichtsVon Joachim Lange / Fotos: © Theater, Oper und Orchester GmbH Halle, Paul Leclair
So ohne weiteres käme man nicht nicht auf die Idee, vor Weihnachten ausgerechnet eine vertanzte Lulu herauszubringen. Da passen doch eher der altbewährte Nussknacker oder wie jetzt gerade in Leipzig Grimms Märchen. Doch es lohnt sich, denn mit seiner jüngsten Premiere widmet sich das Ballett Rossa (nach der opulent klassischen Anna Karenina) erneut einer Arbeit des 2012 verstorbenen Choreographen Jochen Ulrich. Diesmal wird die Produktion durch den Tanzfonds Erbe gefördert, der sich dem Erhalt von besonders gelungenen Beispielen dieser flüchtig bedrohten Kunst widmet. Frank Schilcher (Tierbändiger), Dalier Burchanow (Schigolch)
Frank Wedekinds Doppeltragödie Erdgeist und Die Büchse der Pandora ist vor allem als Vorlage für Alban Bergs Lulu für die Nachwelt lebendig geblieben. Für die Ballett-Version, die Ulrich 1990 in Köln herausbrachte, haben Dietlind Rank das Libretto und Nino Rota die Musik gemacht. Aus Filmmusiken von Der Leopard, 8 1/2, über Rocco und seine Brüder und Der weiße Scheich bis hin zu La strada hat Hilary Griffiths diverse Soundtracks arrangiert, die von Svetlana Slyvia und Thiago Fayad als echte und beinahe echte Chanteuse attraktiv ergänzt werden. Von einem Podest im Bühnenhintergrund wird die Musik von der Staatskapelle unter Hilary Griffiths (alternierend dirigiert Robbert van Steijn) mit jeder Menge Varietee- und Big-Band Ehrgeiz live beigesteuert. Was die Fallhöhe dieser Lulu noch mehr verschärft, anders bei Berg, der von Anfang an das Ende mitbeschwört Paloma Figueroa (Lulu), Johan Plaitano (Schwarz)
Hier geht es ziemlich deftig und lebendig los, wenn Lulu zunächst mal wie ein Vamp innerhalb und außerhalb fester Kurzzeit-Beziehungen alle Männer (und als Frauen liebende Frau auch die Gräfin Geschwitz) ohne Skrupel verrückt macht, in den Selbstmord treibt wie den Maler (Johan Plaitano), oder selbst erschießt wie den Dr. Schön (Michael Sedlácek). Bis sie dann nach ihrer Flucht in der Londoner Absteige vom gespenstisch gnomenhaften Schigolch (Dalier Burchanow lässt sich grandios auf das Böse an sich ein) brutal auf den Strich geschickt und schließlich von Jack the Ripper auf offener Bühne abgestochen wird. Michal Sedlácek (Dr. Schön), Paloma Figueroa (Lulu)
Da ist dann auch die Musik tieftraurig. Weniger aus Mitleid, mehr aus Entsetzen über die menschliche Natur, die uns, wie vom Tierbändiger (Frank Schilcher spricht und tanzt das fabelhaft) versprochen, gezeigt wurde. Auf und vor der mobilen Treppe bleibt das bis zu 30köpfige Ensemble immer auf dem narrativen Pfad, liefert vor allem in den Salonszenen mehr opulent wucherndes Tanztheater, als filigranes Ballett. Und erzählt so die Geschichte einer Frau, die ziemlich verführerisch, aber nicht unbedingt sympathisch ist. Ganz nach dem Marlene-Motto … dafür kann ich nichts. Paloma Figueroa (Lulu), Hector Ferrer Fernandez (Rodrigo, Artist)
Beim Umgang mit den Avancen der eleganten Geschwitz (Denise Dumröse) entpuppt sie sich vollends als weiblicher Macho. Paloma Figueroa hat genügend Charisma, den Spagat von da bis zum Opfer der Männerwelt souverän zu bewältigen. So wie durchweg alle Protagonisten haben auch die Gäste in Alwas Theater und im Salon ihren frivol effektvollen Auftritt, bevor Jack the Ripper zuschlägt. Es muss also nicht immer der Nussknacker sein (aber auch den gibt's in der Vorweihnachtszeit natürlich auch wieder). Doch jetzt erstmal viel Jubel für diese neue (alte) Lulu.
Das Ballett Rossa bringt am Opernhaus Halle erneut ein Tanzstück von Jochen Ulrich neu auf die Bühne, erfreut damit das Publikum und leistet eine Dienst am Genre Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung und Choreographie
Bühne
Kostüme
Dramaturgie
Solisten
Dr. Schön (Zeitungsverleger)
Alwa Schön (sein Sohn)
Eduard Schwarz (Kunstmaler)
Lulu
Dr. Goll (Medizinalrat)
Schigolch
Prinz Escerny
Rodrigo (Artist)
Hugenberg (Gymnasiast)
Gräfin Geschwitz
Marquis Casti-Piani / Tierbändiger
Henriette (Zimmermädchen)
Ein Herr in Zivil
Kungu Poti
Jack the Ripper
Gäste
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