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Sosarme, Re di Media

Oper in drei Akten (HWV 30) (Londoner Fassung von 1732)
Libretto nach Antonio Salvis Dionisio, Re di Portogallo
Musik von Georg Friedrich Händel

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere in der Oper Halle am 27.05.2016
im Rahmen der Händel-Festspiele Halle (Saale) 

 

 



Opernhaus Halle
(Homepage)

Familienfehde in aktuellen Bildern

Von Thomas Molke / Fotos von Falk Wenzel (© Theater, Oper und Orchester GmbH Halle) folgen

Obwohl Händels Sosarme, Re di Media, bei der Uraufführung am 15. Februar 1732 im Londoner King's Theatre am Haymarket einen großen Erfolg verbuchen konnte - so berichtet beispielsweise der erste Earl of Egmont in seinem Tagebucheintrag, dass die Oper eine der besten sei, die er jemals gehört habe - und das Werk nach zehn weiteren Aufführungen im Jahr 1732 zwei Jahre später für eine weitere Aufführungsreihe wieder aufgenommen wurde, geriet es danach in Vergessenheit. Grund dafür mag weniger die großartige Musik als vielmehr die Handlung gewesen sein, die anders als beispielsweise Giulio Cesare in Egitto oder Rinaldo weder bekannte historische noch literarische Figuren ins Zentrum der Handlung stellt. Ursprünglich hatte Händel geplant, das Werk unter dem Titel Fernando, Re di Castilia zu vertonen und es wie die Vorlage von Antonio Salvi in Portugal anzusiedeln. Doch aus Furcht vor Spannungen mit dem damals recht einflussreichen König Johann V. von Portugal wurde die Handlung aus dem portugiesischem Coimbra des Mittelalters in das antike Lydien um 600 v. Chr. verlegt. Nach der Wiederentdeckung in einer Einspielung aus dem Jahr 1954 unter der musikalischen Leitung von Anthony Lewis mit dem Countertenor Alfred Deller in der Titelpartie hat es immer wieder vereinzelte Aufführungen gegeben. Bei den Händel-Festspielen Halle gab es bereits 1989 im Goethe-Theater Bad Lauchstädt eine konzertante Aufführung. Nun hat man sich fast 30 Jahre später entschieden, das Werk auch szenisch auf den Spielplan zu setzen.

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Sosarme (Benno Schachtner) und Elmira (Ines Lex) lieben einander.

Das Stück behandelt einen klassischen Vater-Sohn-Konflikt. Haliate, der König von Lydien, hat unter dem Einfluss seines Beraters Altomaro nicht seinen rechtmäßigen Erben Argone zum Nachfolger seines Reiches bestimmt, sondern seinen unehelichen Sohn Melo, Altomaros Enkel. Argone ist darüber so erbost, dass er sich in der Stadt Sardes mit seinen Anhängern verbarrikadiert und eine Rebellion plant. Sosarme, der König von Medien, der Haliates Tochter Elmira liebt und heiraten soll, unterstützt Haliate im Kampf gegen Argone und möchte Elmira, die sich mit ihrer Mutter Erenice ebenfalls in der belagerten Stadt befindet, befreien. Verwundet gelingt er in die Stadt und plant gemeinsam mit Elmira und Erenice, Argone zu einer friedlichen Lösung des Konfliktes zu überreden. Argone wäre schon fast bereit einzulenken, als Altomaro von Haliate als Vermittler zu ihm geschickt wird und ihm fälschlicherweise verkündet, dass Haliate die Auseinandersetzung in einem Duell mit dem Sohn austragen wolle. Argone willigt in die Forderung ein. Erenice versucht, ihren Mann von dem Duell abzuhalten, doch dieser weist sie zurück, da Altomaro ihm eingeredet hat, Erenice selbst habe ihren Sohn zum Duell mit dem Vater angestachelt. Es kommt zum Kampf. Erenice und Melo greifen ein und werden dabei verwundet. Haliate und Argone durchschauen Altomaros Intrige und versöhnen sich. Altomaro nimmt sich das Leben, während Sosarme und Elmira mit ihrer Hochzeit den Frieden zelebrieren.

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Haliate (Robert Sellier, rechts) belagert mit seinem unehelichen Sohn Melo (Julia Böhme, Mitte) und Altomaro (Ki-Hyun Park, links) die von Argone besetzte Stadt.

Philipp Harnoncourt findet für seine Inszenierung sehr aktuelle Bilder. So haben sich Argone und seine Anhänger hinter einem abgesperrten Drahtzaun in einem heruntergekommenen Haus verbarrikadiert, das einer Ruine gleicht. Die erste Etage, in der sich die Überreste eines Badezimmers befinden und die nun dazu dient, das Treiben der Feinde zu beobachten, ist nur noch über eine wackelige Leiter zu erreichen, und Harnoncourt scheut sich auch nicht, Elmira während einer Arie diese Leiter hinaufzuschicken. Die beschrifteten Spruchbänder die aus den Fenstern hängen, erinnern an die Hausbesetzerszene, und Harnoncourt lässt Haliate mit seinem Gefolge wie moderne Polizeitrupps gegen die Besetzer vorgehen. Er lässt sogar eine Arie Haliates von lautem Pöbeln der Statisten auf der Bühne und im Zuschauerraum stören, um den Konflikt auf der Bühne noch zuzuspitzen. Auch pyrotechnische Effekte dürfen nicht fehlen. So gibt es zwei heftige Explosionen, und im zweiten Teil fällt dann auch eine Wand des arg in Mitleidenschaft gezogenen Hauses um. Für das Duell verwendet er Schusswaffen, was teilweise im Widerspruch zum gesungenen Text steht. Dichter Bühnennebel, der die Protagonisten einhüllt, macht dabei allerdings verständlich, wieso bei diesem Duell Erenice und Melo verletzt werden.

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Argone (Michael Taylor) will seinen Anspruch auf den Thron mit Gewalt durchsetzen.

Mit den Verwundungen nimmt es Harnoncourt dann allerdings nicht so ernst. So ist die blutende Wunde, die Erenice erhält, ein Stück roter Stoff, den sie sich beim Friedensschluss fröhlich vom Kleid reißt. Ähnlich verfährt Harnoncourt auch beim Duett nach der Pause zwischen Sosarme und Elmira. Wenn die beiden in einer der beliebtesten Nummern der Oper, "Per le porte del tormento", die Händel später in seine Oper Imeneo übernahm, besingen, wie ihre Seelen durch das Tor der Qualen zur Lust gelangen, befreit sich Sosarme nicht nur vom Tropf und seiner riesigen roten Stoffwunde, sondern legt mit Elmira auch noch eine flotte Tanzeinlage aufs Parkett, die so eigentlich gar nicht zur Musik passt und damit dem wunderbaren Duett ein wenig den Tiefgang raubt. Auch Altomaros Tod scheint Harnoncourt nicht ganz ernst zu nehmen. So ersticht er sich mit einem überdimensionalen Schwert auf der Bühne und schüttet sich einen Eimer Wasser über den Kopf als Zeichen dafür, dass er sich sterbend ins Wasser gestürzt hat. Am Ende tritt er dann auch wieder recht lebendig auf und deutet mit zwei Teufelshörnern an, dass der Frieden keineswegs so dauerhaft sein wird, wie ihn die Protagonisten im Schlusschor besingen. Auch der spielerische Kampf um die Krone, den Haliate und Argone während des letzten Duetts zwischen Elmira und Sosarme betreiben, lässt es fragwürdig erscheinen, ob sich Vater und Sohn wirklich auf Dauer ausgesöhnt haben.

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Erenice (Henriette Gödde) bittet ihren Gatten Haliate (Robert Sellier, links), auf das Duell zu verzichten (rechts: Melo (Julia Böhme), im Hintergrund: Statisterie).

Musikalisch enthält die Oper einige Höhepunkte, die das eingangs erwähnte Lob des Earl of Egmont nachvollziehbar machen. Neben dem bereits erwähnten Duett hat Händel auch vier Arien in sein vier Jahre später entstandenes Pasticcio Oreste übernommen. Im Ohr bleibt auch Erenices große Arie "Cuor di madre, cuor di moglie" aus dem dritten Akt, in dem sie beklagt, dass sie beim Duell entweder ihren geliebten Gatten oder ihren Sohn verlieren wird. Henriette Gödde arbeitet mit dunkel eingefärbtem Mezzo Erenices Zerrissenheit beeindruckend heraus. Unterstützt wird die Emotion noch durch die Solo-Violine, die Harnoncourt für den musikalischen Dialog mit Gödde auf die Bühne treten lässt. Auch in den übrigen Arien überzeugt Gödde mit warmem Timbre. Ines Lex stattet die Elmira mit leuchtendem Sopran aus. Ein Höhepunkt dürfte ihre große Gleichnis-Arie am Ende des zweiten Aktes darstellen, in der die Flöte den besungenen Vogel beschreibt, der immer wieder in sein Nest zurückkehrt. Auch in den Duetten mit Benno Schachtner findet sie zu einer bewegenden Innigkeit. Schachtner begeistert in der Titelpartie mit in den Koloraturen beweglichem Countertenor, der in der Höhe enorme Strahlkraft besitzt. Auch für ihn hält die Partitur einige Bravour-Arien bereit. Weiterer Star des Abends ist Ki-Hyun Park als Bösewicht Altomaro. Sein Bass steigt mit gewaltiger Kraft in die dunkelsten Tiefen hinab und beweist in den schnellen Läufen große Flexibilität. Besonders in seiner zweiten Arie vor der Pause dreht Park auf, wenn er überzeugt ist, dass seine Intrige von Erfolg gekrönt sein wird und er mit Händelperücke in den Orchestergraben hinabsteigt und selbst mitmusiziert.

Julia Böhme überzeugt als Haliates unehelicher Sohn Melo mit weichem Mezzosopran, der dem sanften Charakter der Figur entspricht. Michael Taylor gibt sich als Argone mit beweglichem Counter und einigen Registerwechseln zwischen Kopf- und Bruststimme wesentlich kämpferischer und punktet auch darstellerisch als rebellischer Sohn. Robert Sellier stattet den König Haliate mit hellem Tenor aus. Bernhard Forck führt das Händelfestspielorchester mit gewohnt sicherer Hand durch die Partitur, und die Statisterie darf bei den Chören sogar mitsingen. So gibt es am Ende für alle Beteiligten großen Applaus.

FAZIT

Die Oper Halle beweist, dass Händels Oper Sosarme musikalisch zu Unrecht vernachlässigt wird. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Werk den Weg ins Repertoire findet. Philipp Harnoncourts Regie-Ansatz geht im Großen und Ganzen auf.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Bernhard Forck

Inszenierung und Bühnenbild
Philipp Harnoncourt

Mitarbeit Bühnenbild
Katja Rotrekl

Kostüme
Elisabeth Ahsef

Licht
Matthias Hönig

Video
Anke Tornow

Dramaturgie
Susanne Holfter

 

Händelfestspielorchester Halle

Solo-Violine
Dietlind von Poblozki

Statisterie der Oper Halle


Solisten

Sosarme, König von Medien,
zukünftiger Ehemann von Elmira

Benno Schachtner

Elmira, Tochter des Königs Haliate
Ines Lex

Haliate, König von Lydien
Robert Sellier

Erenice, seine Gattin
Henriette Gödde

Argone, beider Sohn
Michael Taylor

Melo, Haliates unehelicher Sohn
Julia Böhme

Altomaro, Haliates Berater,
Melos Großvater

Ki-Hyun Park

 


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