Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Benvenuto Cellini

Opéra Comique in zwei Teilen
Libretto von Léon de Wailly und Auguste Barbier
Musik von Hector Berlioz


in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Premiere im Staatenhaus Köln-Deutz (Saal 1) am 15. November 2015


Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Künstlerwahnsinn

Von Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclair

Es hätte so schön werden sollen: Die Kölner Oper bezieht ihr frisch generalsaniertes Opernhaus, feiert die Wiedereröffnung mit einer spektakulären Rarität, und am Pult gibt der neue Generalmusikdirektor seinen künstlerischen Einstand. Aber dann waren die Sanierungsarbeiten urplötzlich nicht rechtzeitig beendet (ein kleines Wunder, dass die Spielzeit trotzdem weitgehend nach Plan an anderen Spielorten, vornehmlich dem „Staatenhaus“ auf der Deutzer Rheinseite, ablaufen kann). Die vermeintliche Opernrarität Benvenuto Cellini war auf einmal gar nicht mehr so rar, weil ausgerechnet dieses Stück ein paar Tage früher schon auch auf dem Spielplan des Theaters im benachbarten Bonn stand. Und dann wurde die Premiere überschattet von den Terroranschlägen in Paris zwei Abende zuvor. So begann der französische Dirigent François-Xavier Roth seine Amtszeit als musikalischer Opernchef anders als erwartet mit der französischen Nationalhymne, den Opfern zum Gedenken.

Szenenfoto

Die Inszenierung neigt zu großen Bildern - irgendwo in der Mitte steht Benvenuto Cellini

Den Umzug ins Staatenhaus, einem Zweckbau der 1920er-Jahre auf dem Messegelände, hat die Produktion verblüffend gut überstanden. Am wenigsten betroffen ist wohl die ästhetische Seite, schließlich hat das katalanische Künstlerkollektiv La Fura dels Baus, dem Regisseur Carlus Padrissa entstammt, häufiger schon an solchen Orten gearbeitet, bei Stockhausens Sonntag aus Licht eben hier im Staatenhaus, und auch wenn der Saal etwas zu niedrig für die Aufbauten erscheint, funktioniert das von La Fura dels Baus gewohnte Spektakel recht gut. Akrobaten an Seilen bilden skulpturale Elemente, viel Lichtzauber, ein bisschen Video, etwas Bühneninstallation, alles mit der Selbstgenügsamkeit des Straßentheaters – das ist die gewohnte Bildsprache der Truppe, die nicht ohne Wirkung bleibt, aber an vielen Stellen austauschbar ist und deshalb in der ersten Hälfte Spuren von Verwechselbarkeit zeigt, im zweiten Akt allerdings auf eine große Steigerung hin angelegt ist und in einem furiosen Finale endet. Ein gewisses Maß an Verbindlichkeit schaffen die Kostüme von Chu Uroz, eine Mischung aus etwas Science Fiction und viel Renaissance. So verleugnet die Inszenierung den historischen Stoff um den Bildhauer Benvenuto Cellini keineswegs. Immer wieder zitiert er per Video die Autobiographie des Künstlers. Anders als die Bonner Konkurrenz, die wenig ambitioniert eine mittelprächtige Klamauk-Inszenierung vom Staatstheater Nürnberg eingekauft hat (unsere Rezension), zeigt Padrissa die Figuer des Cellini in romantischem Geist (und im Geiste Berlioz') als Künstlergenie, das sich über alle Widrigkeiten hinweg setzt.

Szenenfoto

Teresa, die Geliebte des Künstlers, zunehmend zum Kunstwerk erstarrend

Cellinis Gehilfe Ascanio, eine vom Sopran gesungene Hosenrolle und Vorwegnahme der Muse aus Hoffmanns Erzählungen, entpuppt sich im Verlauf der Oper als Verkörperung des Eros, wogegen die reale Geliebte Teresa zunehmend verblasst und zur Figurine erstarrt. Deren Vater Balducci, päpstlicher Schatzmeister, lässt Züge von Dagobert Duck durchscheinen, nicht nur wenn er im ersten Bild auf seinen Goldbarren wohnt, und Papst Clemens erscheint gleich ganz als vergoldete Statue. Dazu Cellinis Arbeiter als ein Chor von Werktätigen – das ist für La Fura dels Baus ja schon ziemlich viel Werkdeutung mit Spuren von Sozialkritik. Als Ganzes aber geht die Mischung auf, und wenn der neue Chefdirigent im Programmheft die Form der Annäherung an diese Oper mit „Radikal! Lustvoll! Und eben … total!“ beschreibt, dann haben Padrissa und sein Team ihren Beitrag jedenfalls geliefert. Die offene Architektur des Staatenhauses, die immer auch die Techniker und Bühnenarbeiter zeigt, kommt dieser Form von Theater durchaus entgegen.

Szenenfoto

Konflikt zwischen Papst und Künstler: Entweder schafft es Cellini (unten), bis zum Ende der Oper die Perseus-Statue zu gießen und wird reich belohnt - oder er wird gehängt.

Komplex dürften die technischen Anforderungen gewesen sein, nicht nur der im Eiltempo einzubauenden Bühnentechnik wegen, gibt es doch weder Bühne noch Orchestergraben. So sitzen die Musiker hinter der Spielfläche ziemlich weit weg, und bis zur Zuschauertribüne mischt sich der Klang, was für Berlioz' Musik, wenn auch auf Kosten der analytischen Durchhörbarkeit, gar nicht schlecht ist. Roth und das Gürzenich-Orchester zaubern mit den ganz eigenen Klangfarben dieser merkwürdigen Partitur. Roth dirigiert großflächiger, entspannter als Stefan Blunier in Bonn (dessen Dirigat mehr Witz hat), entsprechend der Regie mehr Künstlerdrama als Komödie – beide Ansätze haben ihren eigenen Reiz, wo bei das Kölner Musiker den Bonnern im Punkte Orchesterkultur und klanglicher Feinabstimmung klar überlegen sind. Vielleicht zeigt sich da bereits die Handschrift des neuen Chefdirigenten.

Benvenuto Cellini ist eine große und nichtz ganz leichte Choroper, und für die Sänger ist der Dirigent bei dieser Anordnung mit dem Orchester im Rücken quasi unsichtbar. Gelöst wird dieses Problem durch zwei Ko-Dirigenten, Adrien Perruchon und Chordirektor Andrew Ollivant, die vor der Spielfläche sitzen. Das klappt hervorragend, Chor und Extrachor singen nicht nur mit vollem, nie lärmendem Klang, sondern auch mit bestechender rhythmischer Schärfe und Präzision, was den Chorpassagen enormen drive gibt. Musikalisch ist der Chor der eigentliche Star der Aufführung.

Szenenfoto

Während die Gieß- und Theatermaschinerie auf Hochtouren läuft, beten Ascanio und Teresa für den Erfolg des wahnsinnigen Unterfangens

Nun ist die „Konkurrenz“ durch die Solisten nicht so sehr groß. Den weitaus besten Eindruck hinterlässt Katrin Wundsam als Ascanio mit nicht allzu großer Stimme, aber leuchtendem Klang und Beweglichkeit, dazu hoher Präsenz – diese Partie liegt ihr ausgezeichnet. Dass sie dabei mehr Durchschlagskraft besitzt als die couragiert singende, aber im stimmlichen Volumen etwas unterdimensionierte Emily Hinrichs als Teresa, das hätte Berlioz wohl nicht gefallen. Vincent Le Texier als Vater Balducci kämpft sich arg unsauber und ungenau durch die Partie, und Nikolay Borchev schwankt als Fieramosca, Cellinis Widersacher in Kunst- und Liebesdingen, unentschlossen zwischen baritonaler Noblesse und Komödiantik und bleibt letztendlich beides ein wenig schuldig. Nicolay Didenko singt den Papst mit begrenzter Klangfülle, aber immerhin mit akkurater Artikulation.

Ambivalent agiert Ferdinand von Bothmer in der Titelpartie, rein optisch eine Idealbesetzung, aber vokal der Partie noch nicht in allen Facetten gewachsen. Die Stimme ist lyrisch und hat die Kraft etwa für die größeren Mozart-Tenorpartien, stößt hier aber immer wieder an ihre Grenzen. Manche Passagen „sitzen“ gut, dann erhält die Stimme eine baritonale, maskuline Einfärbung, anderes bleibt sehr hell und wacklig in den Spitzentönen, und mehrfach bricht dem Sänger das Piano weg, sodass er nachjustieren muss. Die ungewohnte Bühnensituation mag da ihren Teil zu beigetragen haben.So liegt doch noch ziemlich viel Unsicherheit über der Partie – nicht eben ideal für einen Draufgänger vom Schlage eines Cellini.


FAZIT

Verheißungsvoller Operneinstand von GMD François-Xavier Roth in einer bildmächtig verspielten Inszenierung. Sängerisch mittelprächtig.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
François-Xavier Roth

Inszenierung
Carlus Padrissa
(La Fura dels Baus)

Bühne
Roland Olbeter

Kostüme
Chu Uroz

Licht
Andreas Grüter

Choreographie
Mirea Romero Miralles

Chor
Andrew Ollivant

Dramaturgie
Georg Kehren


Chor und Extrachor der Oper Köln
Statisterie der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Benvenuto Cellini
Ferdinand von Bothmer

Giacomo Balducci
Vincent le Texier

Teresa
Emily Hindrichs

Fieramosca
Nikolay Borchev

Papst Clemens VII.
Nikolay Didenko

Pompeo
Wolfgang Stefan Schwaiger

Ascanio
Katrin Wundsam

Bernadino
Lucas Singer

Francesco
John Heuzenroeder

Wirt
Alexander Fedin

Flugartistik
Ensemble "Angels Aerials"



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -