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Cristina, regina di Svezia

Dramma storico lirico in drei Akten
Libretto von Giovanni Carlo Casanova, Revision von Anders Wiklund
Musik von Jacopo Foroni


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Dauer: ca 2 3/4  Stunden – eine Pause

Premiere am 21. Mai 2016
(rezensierte Aufführung: 27.05.2016)




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Ende einer Dynastie - Anfang der Freiheit

Von Christoph Wurzel / Fotos von Stephan Walzl

Von der spektakulären Abdankung einer Königin im 17. Jahrhundert handelt diese Oper. Christina von Schweden wählte diesen Schritt nach rund zehn Regierungsjahren - und damit nicht genug, sie wandte sich von der schwedischen Staatsreligion des Protestantismus ab und  dem Katholizismus zu, kehrte ihrem Heimatland den Rücken und lebte fortan im päpstlichen Rom (übrigens im Palazzo Farnese,  einem der Schauplätze von Puccinis Tosca).

Der Librettist dieser Oper hat sich ungewöhnlich genau an die historischen Vorgänge gehalten und auch die übrigen politischen Akteure weitgehend in den Opernfiguren aufgehen lassen: den Reichskanzler Axel Oxenstierna als Christinas Erzieher und väterlichen Berater, den Grafen Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken, den Christina zu ihrem Nachfolger bestimmt und den Hofhistoriker Arnold Messenius, der wegen einer versuchten Verschwörung hingerichtet wird. Hinzu kommen noch zwei Angehörige der Hofgesellschaft, die  ebenfalls historisch belegten Personen entsprechen: Marie Euphrosine, die Schwester Karl-Gustavs und deren späterer Gemahl Gabriel de la Gardie. Dennoch erhebt die Oper natürlich keinen dokumentarischen Anspruch, sondern war als Beitrag zur regen Opernkultur in der schwedischen Hauptstadt und als Huldigung an König Oskar I. gedacht,  der zur Zeit der Uraufführung dieser Oper 1849 in Stockholm regierte.

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Unter dem Druck der Tradition: die Königin (Miriam Clark) vertraut sich ihrem Berater an (Ill-Hoon Choung als Oxenstierna).

Womit wir beim Komponisten wären, Jacopo Foroni. Von Geburt Italiener aus der Nähe von Verona hatte es ihn aber nach der Beteiligung am Mailänder Aufstand gegen die Habsburger 1848 nach Schweden verschlagen, wo er ein Jahr später mit diesem Bühnenwerk enorm reüssiert und mit dem höchsten Orden ausgezeichnet wird, der nach eben der Dynastie benannt ist, deren letzte Regentin Christina war, dem Geschlecht der Wasa. Foroni steigt bald zum Hofkapellmeister auf, führt die schwedische Musikkultur zu hoher Blüte, stirbt aber nur neun Jahre später an der Cholera. Da ist er erst 34 Jahre alt und im Folgenden werden seine Werke fast vollständig vergessen. Nach dem Wexford-Festival vor drei Jahren (siehe auch unsere Rezension) ist Oldenburg erst die zweite Bühne, an der dieses völlig zu Unrecht vergessene Werk eine moderne szenische Wiederaufführung erlebt.

Was diese Oper musikalisch zu bieten hat, ist enorm: einen melodischen Erfindungsreichtum, der sich vor den  großen Belcantomeistern nicht verstecken muss, eine zündende Rhythmik, große Chortableaux, furiose Finali, eine kreative  Motivarbeit in schon leitmotivischer Technik, eine  raffinierte Instrumentation und bisweilen überraschende Klangfarben - kurz ein musikalischer Duktus von eminenter Zugkraft und großer Bühnenwirksamkeit, das Werk eines vierundzwanzigjährigen Feuerkopfs, der eigenständige Genialität verrät und der vom Norden aus etwa einem Verdi hätte Konkurrenz machen können, wäre ihm nur mehr Schaffenszeit vergönnt gewesen.

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Schier unerbittlicher Machtmensch: Christina (Miriam Clark) verkündet dem gescheiterten Verschwörer Gabriele (Paulo Ferreira) sein Todesurteil.

Die Oldenburger Produktion verschaffte diesem Werk nun auf schönste Weise seine deutsche Erstaufführung. Michael Sturm ist eine schlüssige und klar strukturierte Inszenierung gelungen. Konsequent entwickelt er Christina Charakter als den einer unangepassten Frau, die sich nicht leicht ins Hofzeremoniell einpassen will, zugleich aber aus der ihr als absolute Herrscherin gegebenen Machstellung heraus rücksichtslos ihre Interessen verfolgt. Wie aus einer Laune heraus verordnet sie die Heirat Ihrer Hofdame Maria mit  Oxenstiernas Sohn Erik. Diese liebt  jedoch den Grafen Gabriele de La Gardie, der sich aus Verzweiflung daraufhin der Messenius-Verschwörung anschließt. Mit dem deutschen Grafen Carl Gustav war Christina einst nach dem frühen Tod ihres Vaters gemeinsam aufgewachsen und hatte ihm die Ehe versprochen. Als dieser Jahre später an den schwedischen Hof gelangt, zieht Christina ihr Versprechen zurück, möchte ihn aber zu ihrem Nachfolger aufbauen. Sie selbst wünscht nicht zu heiraten, womit die Dynastie der Wasa beendet wäre. Von diesem Entschluss versucht Axel Oxenstierna sie abzubringen. Unerschütterlich beharrt Christina jedoch auf ihrem Plan. Sie macht Carl Gustav zum König von Schweden, begnadigt zugleich Gabriele und stimmt schließlich dessen Heirat mit Marie zu. Die übrigen Verschwörer jedoch lässt sie hinrichten. Auf offener Bühne geschehen, macht dies Christinas widersprüchlichen Charakter einmal mehr augenfällig. Befreit von den Zwängen der Herrschaft, geht sie im Schlussbild dem hellen Licht ihres geliebten Italien entgegen - ein schönes Bild: Hand in Hand mit ihrem „inneren Kind“, als das sie bereits zur Ouvertüre (verkörpert durch die kleine Julie Günzel) zu sehen war in der Rolle der noch unmündigen Königin, in welcher sie als Junge erzogen im Schatten der Vorfahren auf die höfischen Pflichten vorbereitet wird.

Die übergroßen Bilder der Ahnengalerie dominieren denn auch die Bühne bis zum Moment ihrer Abdankung. Dann hält sie noch einmal inne vor dem Portrait ihres berühmten Vater Gustav II. Adolf, im 30jährigen Krieg 1632 bei Lützen gefallen, dessen schweres Erbe der Königswürde sie mit 6 Jahren übernehmen musste und nun nach gewonnener innerer Freiheit zurückgeben will. Gerätselt wird übrigens in der Historiografie über Christinas wahre Motive ihrer gewählten Ehelosigkeit. Auf einen der dabei auch genannten Wesenszüge Christinas, eine zu damaliger Zeit in dieser Rolle natürlich völlig inakzeptable homophile Neigung zu ihrer Hofdame Marie, deutet diese Inszenierung dezent hin.

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Wird sich ihrer Rolle bewusst: Christinas Selbstreflexion im 3. Akt (Miriam Clark)

So entsteht ein schlüssiges Charakterportrait dieser Titelfigur, das Miriam Clark auch eindrucksvoll darzustellen vermag. Stimmlich präsentiert sie die zwei Gesichter der Königin mit fein unterschiedenen Farben - hart und kalt als absolutistische Regentin, weich und seelenvoll in ihrer privaten Intimität und der Zwiesprache mit sich selbst. Foroni hat Cristina in der Mitte des 2. Akts mit lyrischen Begleitfiguren eine beeindruckende Szene der Selbstreflexion gewidmet. Miriam Clark bewältigt die hohe Tessitura der Partie souverän, geschmeidig in den Linien, perlend in den Koloraturen und dazu mit ansprechendem Timbre.

Den Reichskanzler Oxenstierna gibt Ill-Hoon Choung in würdigem Habitus mit nobler Bassstimme. Als Carl Gustav beeindruckt Daniel Moon mit einschmeichelnd lyrischem Bariton, seine Auftrittsarie zu Beginn des 2. Akts, klangschön begleitet vom Solohorn, wird zu einem der vokalen Höhepunkte des Abends. Das zuerst unglückliche Paar Maria und Gabriele ist mit der Mezzosopranistin Melanie Lang und dem Tenor Paulo Ferreira ebenfalls glänzend besetzt. Ferreira hatte glücklicherweise einige Schluchzer, die noch in der Radioaufnahme der Premiere zu hören waren, in der 2. Aufführung vermieden. Auch die übrigen Rollen, ausnahmslos übrigens alles Hausbesetzungen, sind vokal und darstellerisch bestens besetzt, was die Aufführung zu einer geschlossenen und homogenen Ensembleleistung macht. Dazu trägt nicht zuletzt auch der sein Potential kraftvoll aussingende Chor bei.

Der Oldenburger 1. Kapellmeister Vito Christófaro beweist höchstes Einfühlungsvermögen in diese spannungsvolle Musik und dirigiert mit Elan und Esprit. Das bestens disponierte Staatsorchester spielt engagiert, ja furios und in allen Gruppen mit ausgefeilter Artikulation und schönem Klang.

FAZIT

Für Freunde der italienischen Oper ist es daher fast ein Muss, sich für diese Produktion nach Oldenburg aufzumachen, zumal hier alles stimmt - die musikalisch Umsetzung wie auch die  schlüssige Inszenierung. Bleibt darüber hinaus zu hoffen, dass dieses Werk nicht allein eine solitäre Entdeckung bleibt, sondern seinen Weg ins Repertoire findet.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Vito Cristófaro

Inszenierung
Michael Sturm

Ausstattung
Stefan Rieckhoff

Licht
Steff Flächsenhaar

Chor
Thomas Bönisch

Dramaturgie
Annabelle Köhler

 

Oldenburgisches Staatsorchester

Opern- und Extrachor
des Oldenburgischen Staatstheaters

 

Solisten

Cristina, Königin von Schweden
Miriam Clark

Maria Eufrosina
Melanie Lang

Axel Oxenstierna
Ill-Hoon Choung

Erik, sein Sohn
Alexander Murashov

Gabriele de la Gardie
Paulo Ferreira

Carlo Gustavo
Daniel Moon

Arnold Messenius
Tomasz Wija

Johan, sein Sohn
Philipp Kapeller

Voce Interna
Anna Avakian

Cristina als Kind (stumme Rolle)
Julie Günzel

 



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Oldenburgischen Staatstheater
(Homepage)




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