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Das Liebesverbot

Große Komische Oper in zwei Akten
Libretto von Richard Wagner nach der Komödie Measure for Measure von William Shakespeare
Musik von Richard Wagner

In deutscher Sprache mit französischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 5' (eine Pause)

Premiere in der Opéra national du Rhin in Strasbourg am 8. Mai 2016



Opéra national du Rhin Strasbourg
(Homepage)

Vier Hochzeiten und ein glückliches Ende?

Von Thomas Molke / Fotos von Klara Beck und Alain Kaiser

Im Mai findet seit vielen Jahren jeweils an dem verlängerten Wochenende um Christi Himmelfahrt der Internationale Richard Wagner Kongress statt, zu dem Mitglieder aus aller Herren Länder zusammenkommen und jeweils von dem ausrichtenden Verband, in diesem Jahr Strasbourg, ein bunt gemischtes kulturelles Programm rund um Richard Wagner geboten bekommen. Wenn die Absprache mit den jeweiligen Opernhäusern gut läuft, gibt es im Laufe des Kongresses dann auch die Premiere einer Wagner-Oper. Auch die Opéra national du Rhin hat zum Zeitpunkt des Kongresses Wagner auf den Spielplan gestellt. Während in anderen Stätten aber in der Regel eines der zehn großen Werke gezeigt wird, die Wagner selbst als würdig für die Aufführung im Bayreuther Festspielhaus gehalten hat, fällt in Strasbourg die Wahl auf Das Liebesverbot, eine Oper, die Wagner selbst später als "Jugendsünde" bezeichnet hat, da er hier noch nicht seinem Ideal einer neuen deutschen Oper gefolgt, sondern noch sehr dem Kompositionsstil eines Donizettis oder Rossinis behaftet ist. Aus diesem Grund steht diese zweite Wagner-Oper auch äußerst selten auf den Spielplänen, und es kann schon beinahe als ein Wagnis betrachtet werden, dass den leidenschaftlichen "Wagnerianern" zum Ende des Kongresses dieses Frühwerk geboten wird. Aber das Publikum zeigt sich weit weniger kritisch als Wagner selbst und hat bei der unterhaltsamen Inszenierung von Mariame Clément sichtlich seinen Spaß.

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Schluss mit lustig: Im Kaffeehaus werden nun andere Seiten aufgezogen: Brighella (Wolfgang Bankl, Mitte, mit dem Chor und Statisten). (© Klara Beck)

Wie in seinen späteren Opern hat Wagner auch beim Liebesverbot das Libretto selbst verfasst, greift dabei aber keinen Stoff aus der nordischen Mythologie oder dem christlichen Mittelalter auf, sondern verwendet Shakespeares Komödie Measure for Measure als Vorlage. Dabei nimmt er allerdings einige entscheidende Eingriffe vor. So verlegt er die Handlung von Wien in den Karneval nach Sizilien. Aus dem Herzog von Wien, der bei Shakespeare die Strippen zieht, wird ein italienischer König, der in Neapel weilt und bei Wagner gar nicht auftritt. Der Statthalter Angelo, der sich bei Shakespeare als heuchlerischer Moralapostel aufspielt, ist bei Wagner ein Deutscher, Friedrich, weil, laut Wagner, nur eine deutsche Autoritätsperson so humorlos sein könne. Claudios Schwester Isabella nimmt bei Wagner eine wesentlich zentralere Rolle ein, da sie selbst beschließt, Friedrich zu einem fingierten Rendezvous zu überreden, um damit die Freilassung ihres Bruders Claudio zu erlangen, der hingerichtet werden soll, da er eine junge Frau geschwängert hat. So überredet Isabella Mariana, die Novizin im Konvent geworden ist, nachdem Friedrich sie kurz vor der Hochzeit hat sitzen lassen, bei diesem Rendezvous Isabellas Platz einzunehmen. Am Ende macht Claudios Freund Luzio - und nicht wie bei Shakespeare der Herzog - Isabella einen Heiratsantrag. Während es bei Shakespeare offen bleibt, ob Isabella den Antrag annimmt, wartet Wagner mit Isabella und Luzio, Friedrich und Mariana und schließlich dem Buffo-Paar Dorella und Brighella gleich mit drei glücklichen Paaren zum Happy End auf.

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Isabella (Marion Ammann, Mitte) mit den anderen Novizinnen (Statistinnen) als Serviererinnen im Kaffeehaus (© Alain Kaiser)

Julia Hansen entwirft für die Inszenierung einen Einheitsraum, der an ein Wiener Kaffeehaus erinnert. Im Hintergrund steht ein Klavier, auf dem eine Pianistin die eine oder andere bekannte Wagner-Melodie anklingen lässt - vielleicht um das Publikum daran zu erinnern, dass es sich tatsächlich in einer Wagner-Oper befindet, Hier treffen schon vor der Ouvertüre illustre Gäste aus allen möglichen Gesellschaftsschichten zusammen, und haben dort sichtlich ihren Spaß. Dorella vernascht als männermordender Vamp in langem Glitzerkleid direkt zu Beginn der Oper Luzio auf der Toilette, was im späteren Verlauf der Oper wieder aufgegriffen wird, wenn Dorella ihn vor Isabella an seine ehemaligen Liebesschwüre erinnert, die dieser dann natürlich brüsk zurückweist. In diese Spaßgesellschaft dringen dann die Deutschen in Trachtenlederhosen und karierten Hemden ein, und der glatzköpfige Brighella macht deutlich, dass ab jetzt andere Seiten aufgezogen werden. Die Kuchen werden aus den gläsernen Auslagen geräumt, die anschließend als Gefängniszellen für Claudio, Dorella und den Koch Pontio Pilato fungieren, wobei letzterer sehr schnell die Seiten wechselt und zum Gefängniswärter in Lederhose mutiert. Isabella und die anderen Novizinnen scheinen in dem Kaffeehaus als Serviererinnen zu arbeiten. Mariame Clément lässt in ihrer Inszenierung auch direkt zu Beginn Julia als stumme Rolle auftreten, die junge Frau, die von Claudio geschwängert worden ist und bei Wagner eigentlich gar nicht vorkommt.

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Dorella (Hanne Roos) und Brighella (Wolfgang Bankl, hinten) vergnügen sich beim Karneval (vorne links: Luzio (Benjamin Hulett), rechts: Friedrich (Robert Bork)). (© Klara Beck)

Während Friedrich mit seinem gestutzten Schnurrbart und dem braun-grünen Outfit schon optisch eine absolute Spaßbremse ist, feiern Luzio und seine beiden Freunde Antonio und Angelo wohl direkt von Anfang an den Karneval in vollen Zügen. Anders lässt es sich nicht erklären, wieso Luzio schon zu Beginn wie ein Musketier aussieht. Für die große Karnevalsszene im zweiten Akt hat Hansen dann wohl den kompletten Fundus geplündert und alles ausgegraben, was in irgendeiner Form an historische Wagner-Aufführungen erinnert. So sieht man den Chor als Walküren, Götter, Riesen und Wälsungen, und auch der Drache Fafner ist dabei, der in seiner Bedrohlichkeit allerdings eher an Elliot, das Schmunzelmonster, erinnert. Für das Ende hat sich Clément einen besonderen Clou ausgedacht. Statt des Königs, dessen Ankunft musikalisch angekündigt wird, tritt die schwangere Julia erneut auf und stellt sich vorwurfsvoll vor Claudio. Als dieser sie um Verzeihung bittet, gibt sie ihm eine Ohrfeige und verlässt die Bühne, während Claudio hinter ihr herläuft. Auch das vermeintliche neue Glück zwischen Friedrich und Mariana versieht Clément mit einem Fragezeichen. Dass Dorella ihre Beziehung zu Brighella am Ende nicht ganz ernst nimmt, dürfte bei der Anlage der Figur nicht weiter verwundern. Und Isabella und Luzio? Nachdem sie sein Flehen zunächst erhört hat, ergreift sie seinen Hut und setzt ihn auf, womit wohl ausgesagt werden soll, dass sie auch weiterhin ihren eigenen Kopf durchsetzen wird. Drei Novizinnen entblößen ihre Brüste, auf denen mit "The End?" in Frage gestellt wird, ob dies nun wirklich ein glücklicher Ausgang ist.

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Luzio (Benjamin Hulett, im Hintergrund) beobachtet das heimliche Treffen zwischen Friedrich (Robert Bork) und der verschleierten Mariana (Agnieszka Slawinska). (© Klara Beck)

Dem Publikum bereitet die Vorstellung sichtlich Spaß, was aber neben der großen Spielfreude des Ensembles und den wunderbar komischen Regie-Einfällen Cléments auch der musikalischen Gestaltung des Abends zu verdanken ist. Marion Ammann begeistert als Isabella mit dramatischen Höhen und einer wunderbaren Textverständlichkeit. Hervorragend gelingt ihr auch darstellerisch der Wechsel von den leidenden Passagen zu einer verschmitzten Listigkeit, mit der sie mit Friedrich spielt. Robert Bork stattet den unsympathischen Statthalter Friedrich mit markantem Bariton aus und arbeitet die Unerbittlichkeit dieser Figur stimmlich und darstellerisch wunderbar heraus. Besonders glaubhaft gelingt ihm das leidenschaftliche Verlangen, das er für Isabella empfindet und das ihn zur Verzweiflung bringt, weil er damit seinen eigenen Prinzipien nicht treu bleiben kann. Wolfgang Bankl schlägt als sein Handlanger Brighella dabei wesentlich komischere Buffo-Töne an. Hanne Roos stattet die leichtfertige Dorella mit soubrettenhaftem Charme und enormem Sex-Appeal aus. Hervorzuheben ist auch Agnieszka Slawinska als Mariana, die mit warmem Sopran in ihrer großen Arie begeistert, wenn sie an Isabellas Stelle ihren ehemaligen Geliebten Friedrich erwartet. Benjamin Hulett und Thomas Blondelle punkten als Luzio und Claudio mit höhensicherem Tenor. Auch der Chor unter der Leitung von Sandrine Abello begeistert stimmlich und darstellerisch. Constantin Trinks führt das Orchestre philharmonique de Strasbourg mit sicherer Hand durch die Partitur, die teilweise aufgrund der ariosen Form an die italienische Belcanto-Oper, teilweise mit gesprochenen Zwischentexten und schwungvollen Melodienbögen an die Spielopern von Lortzing erinnert. So gibt es am Ende für alle Beteiligten frenetischen Jubel.

FAZIT

Die Opéra national du Rhin stellt unter Beweis, dass Wagners Liebesverbot musikalisch alles andere als eine "Jugendsünde" ist, und Mariame Clément macht mit ihrer humorvollen Inszenierung deutlich, dass das Stück es auch inhaltlich verdient, heute noch aufgeführt zu werden.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Constantin Trinks

Inszenierung
Mariame Clément

Bühnenbild und Kostüme
Julia Hansen

Beleuchtung
Marion Hewlett

Choreographie
Mathieu Guilhaumon

Chorleitung
Sandrine Abello


Chor der Opéra national du Rhin

Orchestre philharmonique de Strasbourg


Solisten

Friedrich
Robert Bork

Luzio
Benjamin Hulett

Claudio
Thomas Blondelle

Isabella
Marion Ammann

Mariana
Agnieszka Slawinska

Brighella
Wolfgang Bankl

Antonio
Peter Kirk

Angelo
Jaroslaw Kitala

Danieli
Norman Patzke

Dorella
Hanne Roos

Pontio Pilato
Andreas Jaeggi


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra National du Rhin
Strasbourg
(Homepage)



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