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The New Prince

Oper in vier Akten mit Prolog und Epilog
Libretto von David Ignatius
Musik von Mohammed Fairouz

In englischer Sprache mit niederländischen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 40' (keine Pause)

Premiere am 24. März 2017, De Nationale Opera, Opera Forward Festival, Stadsshouwburg, Amsterdam


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Nationale Opera & Ballet
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Neues aus der Zukunft

Von Joachim Lange / Fotos von Marco Borggreve

Die Idee hat durchaus ihren Reiz: historische Figuren wie Adolf Hitler und Mao Zedong, Bill und Hillary Clinton und Monika Lewinsky, Dick Cheney und Osama bin Laden, Mohammed Morsi und General Sissi, Henry Kissinger und Machiavelli in einer Oper auftreten zu lassen. Wobei der Florentiner Niccolò Machiavelli (1469-1527) aus seinem Kerker in das Jahr 2032 die weiteste Reise zurücklegen muss. Das geht, weil der auch in seinem irdischen Leben den Frauen zugetane Staatsphilosoph die Göttin Fortuna an seiner Seite hat, die hier nicht nur seine Mentorin, sondern praktischerweise auch seine Verlegerin ist. Mit dem Titel The New Prince ist nämlich nichts anderes als eine zeitgemäße Neubearbeitung von Machiavellis zwar posthum erschienenem, dann aber zum Bestseller über die Jahrhunderte hinweg avancierten Il Principe gemeint.

Szenenfoto

Proteste In Kairo

Die Niederländische National Oper bietet unter dem so verdienstvollen wie ehrgeizigen Label "Opera Forward Festival" auch eine ambitionierte Uraufführung in der historischen Stadsshowburg am Rande des Museumsquartiers. Das futuristische Plakat zu The New Prince spielt bewusst mit einer Big-Brother-Assoziation. Der aus den Emiraten stammende, jetzt in den USA lebende 31jährige Komponist Mohammed Fairouz nennt seine zweite große Kompostion für die Musiktheaterbühne selbst eine "geopolitische Science-Fiction-Oper". Das Libretto stammt von dem Romanautor und Washington-Post-Kolumnisten David Ignatius (64). Er verschafft Machiavelli nicht nur eine Zeitreise als Beobachter, sondern auch noch einen (dem historischen Machiavelli ja nicht fremden) Politik-Beraterjob und stellt ihm den ebenfalls reaktivierten Bruder im Geiste Henry Kissinger an die Seite. Beweis- oder widerlegbar ist es ja nicht, ob Machiavelli einen Draht für unsere Gegenwart hätte, noch weniger, ob auch für eine rein spekulative Zukunft. Gerade das macht die Konstellation aber auch roman-, bühnen- oder eben operntauglich. Eine interessante, ja moderne Persönlichkeit war der Florentiner allemal. Durch die Struktur von Offenbachs Hoffmanns Erzählungen inspiriert gibt es drei verwobene Geschichten zwischen einem Prolog und einem Epilog.

Szenenfoto

Eine Invasion von lauter Trumps

Es beginnt mit einer veritablen Kerkerszene. Mit einem Machiavelli (standfest und eloquent: Joshua Hopkins) verzweifelt in Ketten. Die Mönche um ihn herum sind bedrohliche Sendboten der Finsternis. Ihm bleibt nur die Hoffnung auf Fortuna (lockend lebendig: Karin Strobos). Im ersten Akt wird dann die Zeitmaschine angeworfen und Machiavelli landet an der Seite von Fortuna (als seiner Muse, seinem weiblichen Mephisto, und praktischerweise auch Verlegerin) 500 Jahre später in der Zukunft. Im fiktiven Meta-Königreich Amerasiopia, das die "Tri-Capitals" von Miami, Dubai und Shanghai unter dem Präsidenten Wu Virtu (Simon Lim mit überlegenem Habitus) im Jahr 2032 verbindet. Mit keinem Geringeren als Henry Kissinger (mit überzeugender Beweglichkeit: Marc Kudisch) soll er aus seinem berühmten Manuskript eine Überarbeitung machen und dem offenbar nicht beratungsresistenten Wu präsentieren.

Szenenfoto

Sex kam den Politiker schon früher in die Quere

Was dabei herauskommt, erleben wir als dreiteilige Show. Mit den (didaktischen) Auftritten eines Savonarola über lodernden Flammen, Hitler vorm Hakenkreuz, Mao inmitten seiner Rotgardisten, einem Ausflug auf den Tahrir-Platz samt den von da ausgehenden revolutionären Schritten nach vorn und zurück. Im nächsten Akt wird es Individuell. Dem Chips kauenden Operettenpräsidenten in der Loge wird vorgeführt, wie sexuelle Obsession dem Führungspersonal in die Quere kommen können. Am Beispiel der Affären Hamilton und, ausführlicher, am Beispiel des Umgangs der Clintons mit der Lewinsky-Affäre. Schließlich zeigt das nächste Kapitel, warum Fürsten eine Kollision von Zivilisationen vermeiden sollten, wenn zerstörerische Gewalt und Terrorismus zum Problem für die Anführer werden. Personifiziert wird das in einem diabolischen Tänzchen zwischen Osama Bin Laden und Dick Cheney nach dem Einsturz der Twin Towers. Regisseurin Lotte de Beer und ihre Ausstatter Clement&Sanou illustrieren auch das als groteske, große Show, hier samt Folter, die wie in einer TV-Show live präsentiert wird.

Wobei es für den mitteleuropäischen Zuschauer schon einigermaßen bizarr ist, dass ausgerechnet einem Prinzen der mit dem Schwert in der Hand regierenden Wahhabiten aus Saudi-Arabien Worte des Ausgleichs und gegen den Clash of Cultures vorbehalten sind. Dazu braucht man wohl biographische Wurzeln in Dubai wie der Komponist. Andererseits ist ja ein versöhnlicher Appell an sich nicht schon deshalb falsch, weil er aus dieser Ecke kommt. Im Epilog findet Machiavelli nach dieser Reise durch die Zeiten zu sich selbst als ein Schriftsteller, der ohne Rücksicht auf irgendeinen Auftraggeber schreiben will, was er für die Wahrheit hält. Was ja nach dieser bunten Revue der besonderen Art ja auch eine Pointe ist.

Szenenfoto

Die berühmteste Praktikantin, die das Weiße Haus je hatte

Die Musik von Mohammed Fairouz ist flott und eingängig auf die Worte komponiert und bedient sich souverän des großen Orchesters. Nur ist der Klangcocktail so geschüttelt, dass er am Ende von einer hübschen Portion Musicalschaum gekrönt ist. Für eine Oper mangelt es dem Neuen Prinzen zwar nicht an Ambition, doch der musikalischen Substanz dieser mit leichter Hand skizzierten Szenencollage, fehlt es dann doch an Tiefgang, doppeltem Boden und vor allem an Wagemut zu Neuem. Das Ganze einfach Musical zu nennen, verhindert wahrscheinlich die Abwesenheit eine echter Lovestory, die über das Verhältnis des Zeitreisenden Machiavelli und seiner göttlichen Muse Fortuna hinausgeht und die eh mehr ein theoretisches Vehikel ist. Nicht zuletzt bräuchte man einen zündend mitreißenden Wiedererkennungshit.

Es ist gleichwohl eine opulente, große Revue, die einhundert Minuten unverblümt ihren Hang zur Maßlosigkeit zelebriert. Die ganze Welt und ein halbes Jahrtausend im Blick, das ist ja nicht gerade bescheiden. Im Graben macht der langjährige Chef der Bochumer Symphoniker daraus mit dem Residentie Orkest ein süffiges Ganzes, ohne den aufblitzenden Willen zur Originalität, vor allem in den Zwischenspielen, zu unterschlagen.


FAZIT

Auf der Amsterdamer Opernbühne macht sich Machiavelli in The New Prince eher leichtgewichtig in die Zukunft auf.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Steven Sloane

Inszenierung
Lotte de Beer

Co-Regie und Choreographie
Zack Winokur

Ausstattung
Clement & Sanôu

Licht
Alex Brok

Dramaturgie
Peter te Nuyl


Koor van De Nationale Opera

Residentie Orkest


Solisten

Niccolò Machiavelli
Joshua Hopkins

Fortuna
Karin Strobos

President Wu Virtu
Simon Lim

Henry Kissinger
Marc Kudisch

Bin Laden/Prince of Revolution
George Abud

Monica Lewinsky/ Hannah Kamal/ Maria Reynolds
Nora Fischer

Alexander Hamilton/ Bill Clinton/ Dick Cheney
Paulo Szot

Eliza Hamilton/ Hillary Clinton
Barbara Walsh

Prince Saud al-Faisal
Dominic Kraemer

Mohammed Morsi
Agris Hartmanis

Gen. Abdel Fattah al-Sisi
Alexander de Jong

CIA Medical assistant
Rubèn Plantinga



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