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Wenn der Hass gewinnt
Von Roberto Becker / Fotos: © Bettina Stöss Die Hugenotten gehören zu Berlin. Das gilt für die historisch realen Flüchtlinge, die aus der Bedrängung in ihrer Heimat einst ins offenherzige Brandenburg-Preußen kamen. Es gilt aber auch für Giacomo Meyerbeers einst erfolgreichste Grand Opéra. Les Huguenots gingen allein in Paris nach ihrer Uraufführung 1836 um die 1000mal über die Bühne. Dass sie heute zur ambitionierten Wiederentdeckung, zumindest aber zu einem Beispiel des Besonderen avanciert sind, hat historische Gründe. Die Verbannung des Juden Meyerbeer und seiner Musik von den Bühnen durch die Nazis sind einer davon. Heute ziehen ehrgeizige Opernleitungen gerne die Grand Opéra als Joker aus dem Ärmel, um damit zu punkten. Was nur aufgeht, wenn man es kann. Der Hugenotte vom Lande unter den Katholiken (Juan Diego Florez als Raoul) Die Deutsche Oper Berlin hat 2015 mit Vasco da Gama (bekannter unter dem Titel Die Afrikanerin) einen Meyerbeer-Zyklus begonnen und will ihn in der kommenden Spielzeit mit dem "Propheten" abrunden. Allein schon damit wird das Haus dann auch mal wieder seine ganz eigene Stellung unter den drei Berliner Opernhäusern überzeugend und mit Vehemenz behaupten können. Einen Meyerbeer-Zyklus vor das nächste Ring-Abenteuer zu setzten, ist jedenfalls eine großzügig in die Zukunft gerichtete, kluge Entscheidung. Für die Neuproduktion der Hugenotten hat Intendant Dietmar Schwarz ein Ensemble beisammen, das sich mehr als nur hören lassen kann. Das fängt beim Vordringen des Ersten unter den Rossini-Tenören dieser Welt in die dramatischen Dimensionen Meyerbeers an: Juan Diego Flórez ist in Berlin jener Raoul von Nangis, der als Hugenotte vom Lande unter die etablierten Katholiken gerät, die nur scheinbar auf dem königlichen Kurs einer historischen Aussöhnung mit den Protestanten mitschwimmen. In deren Führungszirkel ist aber längst der Mord an der Elite der französischen Hugenotten beschlossene Sache. Die sind allesamt zur Hochzeit von Henri von Navarra mit der katholischen Marguerite von Valois angereist und sitzen quasi in der Falle. Auch wenn der spätere Henri IV. hier nicht zu Worte kommt (und in der Inszenierung zwar hoch zu Ross, aber nur als Statist auftaucht), ist das für die französische und europäische Geschichte traumatisierende Blutbad der Bartholomäusnacht des Jahres 1572 der historische Hintergrund dieser Grand Opéra. Die Königin spielt blinde Kuh In einem Mord-und-Totschlag-Finale im XL-Format findet auch die der großen Oper gemäße Liebesgeschichte ihr tragisches Ende. Raoul hatte sich in eine junge Frau verliebt, die eigentlich mit dem katholischen Grafen von Nevers verlobt war. Da Königin Marguerite aus politischem Kalkül dafür sorgt, dass der seine Braut freigibt, damit die eine politisch gewollte Verbindung mit dem Hugenotten Raoul eingehen kann, wäre eigentlich alles bestens. Doch Raoul versteht die Begegnung zwischen dem Grafen Nevers und jener Valentine falsch und weißt brüsk die ihm angebotene Hand in aller Öffentlichkeit zurück. Und so nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Die beiden finden am Ende zwar doch noch zusammen, aber dafür muss Valentine konvertieren und es ist auch nur, um gemeinsam im Gemetzel der Bartholomäusnacht den Tod zu finden. Es geht auf beiden Seiten ziemlich fundamentalistisch zu. Bei den Hugenotten hat Raouls Diener Marcel den Part des religiösen Einpeitschers. Immer mit Martin Luthers "Eine feste Burg ist unser Gott" im Rücken und Wut in Blick und Stimme, wenn er den Katholiken begegnet, denen er jede Gemeinheit dieser Welt zutraut. Als er den jedenfalls nach außen friedlich beschwingten Juggesellenabschied bei den Katholiken mit seinen Verbalattacken aufzumischen versucht, kann er noch nicht wissen, dass er auf blutige Weise Recht behalten soll. Mit den Ahnen im Hintergrund wird's Ernst Vor allem die Kostüme von Constance Hoffman verlegen die Hugenotten in die Entstehungszeit der Oper. Regisseur David Alden und sein Bühnenbildner Giles Cadle schlagen in einer Art Mehrzweckhalle mit einer beweglichen Dachkonstruktion einen packenden Bogen von einer fast schon operettig revuehaften Leichtigkeit, über surreal überhöhte königliche Auftritte hoch zu Ross bis hin zum Chaos jenes als "Bluthochzeit" in die Geschichte eingegangenen Gemetzels mit Schüssen, Nebel und brennenden Kreuzen. Dass David Alden Meyerbeer für den Andrew Lloyd Webber seiner Zeit hielt, merkt man seiner Inszenierung durchaus an. Aber er übertreibt es nicht, sondern vertraut bei den revuehaften Einsprengseln voll auf die Musik. Das Finale ein Blutbad (auf dem Dach: Marcel, Raoul und Valentine) Die spielt ohnehin die Hauptrolle an diesem Abend. Im Graben, unter der Leitung des ausgewiesenen Rossini-Spezialisten Michele Mariotti, mit durchaus opulentem Schwung und der Geschmeidigkeit, die die französische Eloquenz auf der Bühne braucht. Und dort obwaltet der pure Luxus. Die meisten Erwartungen waren mit besagtem Meyerbeer-Debüt von Juan Diego Florez verbunden. Der bot alles auf, was er an Technik, hellem Timbre und Sicherheit zur Verfügung hatte und zerstreute mit seiner ersten großen Arie jeden möglichen Zweifel, ob er sich auch jenseits des von ihm beherrschten Reich Rossinis überzeugend zu bewegen vermag. Er vermag es! Eine Überraschung war die federleicht in ihre Koloraturen aufsteigende Patrizia Ciofi als Königin Marguerite. Irene Roberts macht aus der kleinen Rolle des Pagen Urbain ein Kabinettstück. Und Olesya Golovenva glänzt mit der Wandlung der Valentine von der Hofdame zur tragisch Liebenden. Bei den Herren verpasste Ante Jerkunica dem Diener Marcel genau die Wucht, die ihn als religiösen Anführer profiliert. Marc Barrard schließlich hat die Chance als Graf von Nevers, eine Wandlung vom Lebemann über den politisch Parteiergreifenden, dann aber seinen moralischen Grundsätzen treu Bleibenden glaubhaft zu machen. Da kann noch so groß ein demagogisch aufpeitschendes "Gott will es" über allem stehen. Er ist der einzige, der sich bei den Katholiken nicht zum blinden Morden hinreißen lässt. In der Personenführung bleibt Alden oft beim Tableau - lässt die unterschiedlichen Positionen aus einer Formation heraus erklingen. Bei den Arien gibts zuweilen auch die recht konventionelle Operngeste an der Rampe. Doch der lange Abend fügt sich alles in allem zu einem packenden Ganzen.
Die Hugenotten sind musikalisch aber auch szenisch ein überzeugender Teil des verdienstvollen Meyerbeer-Zyklus an der Deutschen Oper. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chöre
Choreographie
Dramaturgie
Solisten
Marguerite von Valois
Graf von Saint-Bris
Graf von Nevers
Valentine
Urbain
Tavannes / 1. Mönch
Cossé
Méru / 2. Mönch
Thoré / Maurevert
de Retz / 3. Mönch
Raoul von Nangis
Marcel
Bois-Rosé
Ein Nachtwächter
Zwei Hofdamen/
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