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Musiktheater
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Hochzeit mit Hindernissen
(The Drowsy Chaperone)

A Musical within a Comedy in zwei Akten
Buch von Bob Martin und Don McKellarson, deutsche Übersetzung von Roman Hinze
Musik und Gesangstexte von Lisa Lambert und Greg Morrison


In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1 h 55' (keine Pause)

Premiere im Stadttheater Bielefeld am 4. September 2016


 

Logo: Theater Bielefeld

Theater Bielefeld
(Homepage)

Liebeserklärung an die Broadway-Shows der 20er Jahre

 Von Thomas Molke / Fotos von Bettina Stöß

Seit einigen Jahren hat es im Stadttheater Bielefeld Tradition, die Musiktheater-Spielzeit mit einem Musical zu beginnen, das in Deutschland eher selten zu erleben ist. So startete man vor zwei Spielzeiten beispielsweise mit Frank Wildhorns Bonnie & Clyde und eröffnete im letzten Jahr mit Cyrano von dem niederländischen Autorenteam Koen van Dijk und Ad van Dijk. Auch in diesem Jahr ist die Wahl auf ein Stück gefallen, das in den kommerziellen Musical-Tempeln nicht zu finden ist, und obwohl die Musik und der Originaltitel The Drowsy Chaperone vermuten lassen, dass das Stück aus der Zeit von Cole Porter oder George Gershwin stammt, entstand es erst 1998 in Toronto. Ursprünglich war es mit den Bezügen zu den legendären Marx Brothers und den Broadway Shows der 20er Jahre nur als kleine Musicalparodie anlässlich der Hochzeit des Autors Bob Martin und der Schauspielerin Janet Van De Graaff geplant. Doch Martin war von der Idee so begeistert, dass er es gemeinsam mit den Komponisten Lisa Lambert und Greg Morrison und seinem alten Highschool-Freund Don McKellarson zu einem abendfüllenden Musical ausdehnte, das 1999 beim Toronto Fringe Festival zur Aufführung gebracht werden sollte. Über das Ahmanson Theatre in Los Angeles schaffte das Stück dann auch 2006 den Sprung ans Broadway und wurde mit zwei Tony Awards ausgezeichnet. Martin selbst übernahm bei der Broadway-Produktion die Rolle des namenlosen Man in the Chair, der als grantelnder Schallplattenliebhaber an seinem Plattenschrank längst vergangene Zeiten wieder aufleben lässt.

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Der Mann im Stuhl (Nito Torres, links) träumt sich in eine Welt, in der der reiche Robert Martin (Gero Wendorff, Mitte) den Broadway-Star Janet Van De Graaff (Maja Sikora) heiraten will.

Die Handlung ist so albern, wie es für die amerikanischen Vaudevilles der damaligen Zeit üblich war. Janet Van De Graaff, ein berühmter Broadway-Star, will ihre Karriere beenden, um den Sohn eines Öl-Magnaten, Robert Martin, zu heiraten. Doch ihr Produzent Mr. Feldzieg will diese Hochzeit verhindern. Zum einen ist Möchtegern-Starlet Kitty kein adäquater Ersatz für Janet, zum anderen wird Mr. Feldzieg von einem stümperhaften Gangster-Duo bedroht, dessen ominöser Auftragsgeber befürchtet, dass seine Investitionen in die Show sich ohne Janet nicht mehr auszahlen. Da Janets Entschluss allerdings unweigerlich feststeht, muss eine List her. Der schmierige italienische Gigolo Aldolpho soll die Braut verführen, landet allerdings mit der beschwipsten Anstandsdame, der "Drowsy Chaperone", im Bett, woran ihr erhöhter Alkoholpegel nicht ganz unschuldig ist. Inzwischen kommt es allerdings zum Bruch zwischen Robert und Janet, da sie ihn für untreu hält, als er sie mit verbundenen Augen küsst, sie dabei allerdings für eine Französin namens Mimi hält. Doch mittlerweile haben sich andere Paare gefunden. Mrs. Tottendale, die in ihrem Haus die Hochzeit für die beiden ausrichten sollte, will ihren Diener Underling heiraten, Kitty überredet Mr. Feldzieg zur Ehe, um seine Show zu retten, und auch die Anstandsdame und Aldolpho wollen sich nach einer leidenschaftlichen Nacht das Ja-Wort geben. Janet ist schließlich nach einer kurzen Aussprache mit Robert bereit, ihm zu verzeihen, so dass es am Ende vier Brautpaare gibt. Doch leider ist der Pfarrer abhanden gekommen. Wie gut, dass die Fliegerin Trix aus dem Nichts auftaucht, die nicht nur alle Gäste mit ihrem Flieger nach Rio bringt, sondern als Kapitän auch das Recht hat, die Trauungen auf dem Flug durchzuführen.

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Mrs. Tottendale (Melanie Kreuter) und Underling (Lutz Laible) bereiten die Hochzeitsfeierlichkeiten vor.

Die eigentliche Komik gewinnt das Stück durch die Rahmenhandlung. Nito Torres spricht als Mann im Stuhl einem Großteil des Publikums mit seinen bissigen Kommentaren aus der Seele, auch wenn es an der einen oder anderen Stelle erschrecken mag, wenn man sich als Zuschauer in dieser Figur eines Sonderlings wiedererkennt. Trotzdem macht es Spaß, wenn er das moderne Regietheater anprangert und sich vor Vorstellungsbeginn wünscht, das Licht werde überhaupt nicht angehen, weil man immer Angst haben müsse, was sich das Regie-Team dieses Mal wieder für einen Quatsch habe einfallen lassen. Auch der Vergleich des Musicals mit einem Pornofilm, wo die sinnfreien Dialoge auch nur dazu dienen, einen "Übergang" zum nächsten "Akt" zu schaffen, regt zum Schmunzeln an. Den deutschen Titel Hochzeit mit Hindernissen lässt Torres ebenfalls nicht ohne leicht ironischen Unterton durchgehen. Statt des Handys, das in den heutigen Vorstellungen häufig den Kunstgenuss im Theater stört, ist es hier das Telefon, das in der Wohnung klingelt und Torres jeweils die Geschichte unterbrechen lässt. Doch auch wenn er sich weigert, den Hörer abzunehmen und die Person am anderen Ende mit einem unfreundlichen Anrufbeantworter abfertigt, zieht er am Ende den Kürzeren. Kurz vor dem Finale gibt es nämlich einen Stromausfall, und der Anrufer war der Hausmeister, der eigentlich nur mitteilen wollte, dass er kurz die Sicherungen austauschen müsse.

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Aldolpho (Andreas Wolfram) verführt anstelle der Braut die Drowsy Chaperone (Kerstin Marie Mäkelburg).

Das Regie-Team um Thomas Winter, der in den letzten Jahren hier auch City of Angels, Sunset Boulevard und Cyrano mit großem Erfolg inszeniert hat, setzt konsequent auf hohes Tempo mit Akrobatik, Slapstick, Comedy, Stepp, Tanz und Gesang und lässt in dem Wohnzimmer mit einfachen Mitteln und nostalgischen Show-Kostümen von Beatrice von Bomhard eine längst vergangene Zeit aufleben. Da stört es auch nicht weiter, wenn die Figuren durch den Kühlschrank auftreten. Schließlich spielt sich ja alles nur im Kopf des Erzählers statt, und wenn dieser die Schallplatte anhält, friert auch die Handlung mit ihren Darstellern ein. Besonders komisch gelingt auch der Moment, in dem Torres die Nadel des Plattenspielers zurücksetzt und die Szene für einen kurzen Moment rückwärts läuft. Auch auf eine Pause wird verzichtet, weil - so Torres - es nichts Schlimmeres als diese zwanghaften Pausengespräche gebe. Da er sich selbst aber eine Pinkelpause gönnen wolle, solle sich das Publikum schon einmal das Intro zum zweiten Akt anhören. Allerdings hat Torres eine falsche Platte aufgelegt, und das Publikum befindet sich plötzlich in einem Musical über einen chinesischen Kaiser und eine Nachtigall. Auch hierfür hat von Bomhard bezaubernde Kostüme entworfen. Eine Besonderheit ist in Bielefeld auch die Besetzung der Trix, die das Finale einleitet. Hier hat man in Bielefeld insgesamt 11 Damen engagiert, die in den letzten Jahren in Bielefeld in den Musicalproduktionen einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben. Das Publikum darf sich jeweils überraschen lassen, welche Dame am Abend die Partie übernehmen wird. Am Premierenabend ist es Roberta Valentini.

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"Plunder Surprise": von links: Mr. Feldzieg (Carlos H. Rivas), Gangster 2 (Arne David), Kitty (Michaela Duhme) und Gangster 1 (Tobias Berroth)

Auch die übrigen Partien sind hochkarätig besetzt. Gero Wendorff begeistert als Robert Martin mit strahlendem Zahnpastalächeln und einer atemberaubenden Steppeinlage mit Jens Janke als George bei dem Song "Kalte Füße" ("Cold Feets"), in dem Robert seine Nervosität vor der Hochzeit äußert. Auch auf Rollschuhen macht er mit verbundenen Augen eine gute Figur. Maja Sikora verkörpert mit hellblonder Marilyn-Frisur ein bezauberndes Show-Girl Janet und überzeugt einerseits mit strahlendem Gesang, andererseits mit akrobatischen Einlagen. Wunderbar ironisch gelingt ihr der Song "Schlicht" ("Show Off"), in dem sie ihrer Karriere angeblich abschwört, während ihre Körpersprache genau das Gegenteil andeutet. Kerstin Marie Mäkelburg besitzt als Drowsy Chaperone wunderbare Komik und glänzt mit zynischem Spiel. Ihre Nummer "Strauchelnd geht es voran" ("As We Stumble Along") entwickelt sich zu einem Ohrwurm, zumal der Song im Finale vom Ensemble auch wieder aufgenommen wird. Andreas Wolfram mimt den Gigolo Aldolpho als einen herrlich selbstverliebten Gecken, so dass bei seinem Auftritt kaum ein Auge trocken bleibt. Auch Michaela Duhme entfaltet als talentfreies Revue-Girl Kitty mit ihrem naiv-dümmlichen Spiel große Komik. Bei den beiden Gangstern Tobias Berroth und Arne David denkt man unweigerlich an Porters Kiss Me, Kate, auch wenn ihr Song "Plunder Surprise" in eine ganz andere Richtung als "Schlag nach bei Shakespeare" geht. Dabei erweisen sich Berroth und David als Meister des Slapstick. Ensemble-Mitglied Melanie Kreuter präsentiert sich als Mrs. Tottendale in lilafarbenem Kleid von ihrer komödiantischen Seite und Lutz Laible mimt den Diener Underling mit herrlich trockenem Humor. So gibt es am Ende stehende Ovationen für alle Beteiligten, und man muss bei allem Kitsch zugeben: Schön war sie doch, die alte Zeit.

FAZIT

Eingefleischte Musical-Fans sollten sich diese Produktion nicht entgehen lassen, und auch Nostalgiker kommen bei dieser Hommage und Parodie der "guten alten Zeit" auf ihre Kosten.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
William Ward Murta   

Inszenierung
Thomas Winter   

Bühnenbild und Kostüme
Beatrice von Bomhard

Choreographie
Dominik Büttner

Licht
Johann Kaiser

Dramaturgie
Daniel Westen

 

The Drowsy Band


Solisten

*Besetzung der Premiere

Mann im Stuhl
Jens Kipper /
*Nito Torres

Robert Martin
Gero Wendorff

Janet Van De Graaff
Maja Sikora

The Drowsy Chaperone
Kerstin Marie Mäkelburg

Mrs. Tottendale
Melanie Kreuter

Aldolpho
Florian Hinxlage /
*Andreas Wolfram

Underling
Lutz Laible

George
Jens Janke

Kitty
Michaela Duhme

Gangster 1
Tobias Berroth

Gangster 2
Arne David

Mr. Feldzieg
Carlos H. Rivas

Trix, the Aviatrix
Abla Alaoui /
Ulrike Figgener /
Navina Heyne /
Bettina Meske /
Brigitte Oelke /
Carina Sandhaus /
Lucy Scherer /
Karin Seyfried /
Katharina Solzbacher /
Carolin Soyka /
*Roberta Valentini

Hausmeister, Reporter, Personal
Stefan Fietzek /
*Marvin Meinold

 

Weitere Informationen
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Theater Bielefeld
(Homepage)




Da capo al Fine

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