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Faust (Margarethe)

Oper in fünf Akten (im Programmheft als vier Akte ausgewiesen)
Libretto von Jules Barbier und Michel Carré nach Johann Wolfgang von Goethe
Musik von Charles Gounod

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 55' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 17. September 2016
(rezensierte Aufführung: 21.09.2016)




Theater Dortmund
(Homepage)
Pakt aus Erinnerungen

Von Thomas Molke / Fotos von Thomas Jauk (Stage Picture)

Charles Gounods Oper Faust zählt neben den Werken von Hector Berlioz und Arrigo Boito heute zweifelsohne zu den bekanntesten Vertonungen des Faust-Stoffes und gehört auch an den deutschen Opernhäusern zum Standardrepertoire. Dabei wurde die Oper lange hierzulande unter dem Titel Margarethe gespielt, was zum einen dem Respekt des deutschen Bildungsbürgertums für seinen großen Dichterfürsten geschuldet sein dürfte. Zum anderen legt Gounod in seiner Vertonung den Schwerpunkt auf die Gretchen-Tragödie und beschränkt Fausts Selbstzweifel, die zum Pakt mit dem Teufel führen, auf die Problematik seines Alterns, während sich Berlioz nicht nur im Titel auf Fausts Verdammnis konzentriert und Boito direkt beide Teile der Tragödie einarbeitet. Zum Beginn der neuen Spielzeit eröffnen in Nordrhein-Westfalen gleich zwei Bühnen mit Gounods berühmter Oper. Nachdem das Theater Münster den Anfang gemacht hat (siehe auch unsere Rezension), folgt die Oper Dortmund eine Woche später und reiht diese Produktion in eine Art Faust-Reihe ein. Auch der Ballettdirektor Xin Peng Wang hat nämlich in der letzten Spielzeit mit dem Handlungsballett Faust I - Gewissen die Auseinandersetzung damit begonnen und wird sie in dieser Spielzeit mit seinem neuen Ballettabend Faust II - Erlösung fortsetzen.

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Der alte Faust (Lucian Krasznec, im Stuhl hier mit Karl-Heinz Lehner als Méphistophélès) hat eine Vision von Marguerite (Eleonore Marguerre) (im Hintergrund: David N. Koch als Faust-Double).

Dass sich von der Musik einmal abgesehen kaum Parallelen zwischen den beiden Produktionen in Münster und Dortmund feststellen lassen - beispielsweise gliedert das Programmheft in Münster die Handlung in drei Akte, während man in Dortmund von vier Akten spricht -, liegt vor allem daran, dass John Fulljames in Dortmund einen ganz anderen Ansatz wählt, dessen Logik jedoch zu hinterfragen ist. Fulljames sieht Faust nämlich als einen alten Mann, der kurz vor dem Tod steht und in seinen letzten Stunden - oder sind es nur Minuten? - noch einmal sein Leben mit all seinen Fehlern vorüberziehen sieht. Marguerite ist also die Vergangenheit. Ob sich die Geschichte wirklich so ereignet hat, wie man sie auf der Bühne erlebt, oder ob Faust sie in seiner Erinnerung verklärt, ist fraglich. Welche Funktion bei diesem Ansatz allerdings dem Teufel zukommt, wird nicht klar. Méphistophélès tritt zunächst als Krankenschwester auf. Man fragt sich, worin denn bei diesem Ansatz der Pakt besteht. Schließlich schenkt Méphistopélès Faust keineswegs die Jugend, sondern führt ihn in seine Vergangenheit zurück. Zwar ist er auch in diesen Erinnerungen allgegenwärtig und manipuliert Fausts Verhalten, führt vielleicht sogar die Katastrophe herbei. Ist er also nur der Teufel beziehungsweise das Böse in Faust selbst?

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Liebesschwüre im Garten: Faust (Lucian Krasznec) und Marguerite (Eleonore Marguerre)

Magdalena Gut hat als Bühnenbild einen schäbigen Betonraum entworfen, der wie eine Art Bunker unter der Erde zu liegen scheint. Diverse Rohre führen auf beiden Seiten in diesen Raum, der durch waberndern Dunst unheilvoll vernebelt wird. Hier hat sich Faust in einem Schreibtischstuhl einen Bereich geschaffen, in dem er sich von der Außenwelt völlig isoliert hat. Selbst als alter, kranker Mann liegt er nicht in einem Bett, sondern sitzt immer noch in diesem Stuhl und wird mit diversen Schläuchen und einer Sauerstoffflasche am Leben gehalten. Verwirrend sind die weißen Luftballons, die während der Ouvertüre durch ein Rohr auftauchen, über die Bühne schweben und auf der anderen Seite durch ein weiteres Rohr verschwinden. Wenn dann das Traumbild Marguerites erscheint, taucht Faust mit ihr in ein längst vergangenes Leben ein. Dafür lehnt sich David N. Koch als junger Faust, der optisch ein gutes Double zu Lucian Krasznec darstellt, mit Eleonore Marguerre an die Rückwand und öffnet den Raum in ein dunkles Nichts, aus dem dann der Chor als Bürger und Studenten mit Masken auftritt. In diesem Trubel wechseln dann Koch und Krasznec unbemerkt die Rollen. Plötzlich sitzt nämlich Koch als alter Faust im Stuhl, während Krasznec die Gretchen-Tragödie noch einmal durchlebt.

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Marthe (Almerija Delic) macht sich an Méphistophélès (Morgan Moody) heran.

In der Mitte des Betonraumes ist in der Decke ein riesiges Loch, durch das nun kopfüber ein gewaltiger Baum herabgelassen wird. Die Natur findet den Weg zurück in die Betonwüste, steht dabei allerdings Kopf. Marguerite, wirkt in ihrem Kostüm zunächst alles andere als attraktiv, so dass sie in einem riesigen Paket nicht nur den Schmuck erhält, sondern gleich ein Blumenkleid und hochhackige Schuhe dazu. Méphistophélès wechselt zwar wie in Münster ebenfalls in jedem Akt das Kostüm, bleibt in den Farben allerdings eher dezent und seinem modischen Stil treu. Das Diabolische erhält die Figur lediglich durch Morgan Moodys eindringliches Spiel. Wenn er Marguerite im dritten Akt - eigentlich ist es der vierte Akt, aber in Dortmund hat man die ersten beiden Akte des Librettos im Programmheft zu einem Akt verbunden - als falscher Kardinal verflucht, wird entgegen der Musik auf jede kirchlichen Anspielungen verzichtet. Wie schon bei der ersten Verwandlung gelingt auch die Rückverwandlung Krasznecs in den alten Faust nahezu unbemerkt, und man stutzt, wenn plötzlich wieder Koch als junger Faust im grauen Anzug die Bühne betritt, während Krasznec als alter Faust zu Marguerites Richtung / Rettung sein Leben aushaucht. Méphistophélès zerreißt nun, wieder als Krankenschwester, den Pakt über Fausts Leichnam.

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Valentin (Sangmin Lee) verflucht seine Schwester Marguerite (Eleonore Marguerre).

Wirft Fulljames' Regie-Ansatz auch einige Fragen auf, lässt die musikalische Gestaltung des Abends keine Wünsche offen. Motonori Kobayashi schwelgt mit den Dortmunder Philharmonikern in Gounods leidenschaftlicher Musik und lotet die Partitur emotional aus. Für die Titelpartie ist Lucian Krasznec noch einmal von seiner neuen Wirkungsstätte, dem Gärtnerplatztheater in München, nach Dortmund zurückgekehrt und manifestiert, welche stimmliche Entwicklung er in den vergangenen Jahren gemacht hat. Schon im ersten Akt schraubt er sich mit lyrischem Schmelz in geschmeidige Höhen, wenn er als alter Faust auf der Suche nach dem Sinn seines Strebens ist. Mit Eleonore Marguerre hat er als Marguerite stimmlich und darstellerisch eine wunderbare Gegenspielerin. Marguerre spielt in der berühmten Juwelenarie Marguerites erwachende Eitelkeit glaubwürdig aus. Dabei punktet sie mit leicht angesetzten Höhen und geradezu spielerischen Koloraturen, die dem Leichtsinn der Figur mehr als gerecht werden. Nach der Pause gewinnt sie im Spiel eine enorme Tragik, die dann in einer ergreifenden Szene im Kerker gipfelt, wenn sie sich Faust und dem Teufel trotzig widersetzt. Morgan Moody gibt darstellerisch einen grandiosen Méphistophélès, dem lediglich in den Tiefen die nötige Schwärze fehlt. Dafür glänzt er umso mehr in dem berühmten Rondo vom goldenen Kalb mit einer kräftigen Mittellage, die auch in den Höhen leicht klingt.

Sangmin Lee begeistert als Marguerites Bruder Valentin mit profunden Tiefen und lässt die berühmte Arie "Avant de quitter ces lieux", mit der er Abschied von seiner Schwester nimmt, um in den Krieg zu ziehen, zu einem musikalischen Höhepunkt des Abends werden. Ileana Mateescu punktet als Siébel mit warmem Mezzo und bezauberndem Spiel. Almerija Delic gibt mit sattem Mezzo eine lüsterne Marthe. Der von Manuel Pujol einstudierte Chor präsentiert sich stimmgewaltig und spielfreudig. Wenn er dann im letzten Akt von den Rängen als Engelschor Marguerites Rettung verkündet, bekommt die Produktion einen Hauch des mystischen Zaubers, den ihr Fulljames Regie-Ansatz eigentlich verwehrt. So gibt es auch in der zweiten Aufführung für alle Beteiligten großen Applaus. Wie die Reaktion auf den Regie-Ansatz ausfällt, lässt sich nicht beurteilen, da sich das Regie-Team nicht noch einmal dem Publikum gestellt hat.

FAZIT

Motonori Kobayashi arbeitet mit den Solisten, dem Chor und den Dortmunder Philharmonikern die musikalischen Juwelen des Stückes wunderbar heraus. Fulljames' Regie-Ansatz bleibt Geschmacksache.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Motonori Kobayashi

Regie
John Fulljames

Bühne
Magdalena Gut

Kostüme
Julia Kornacka

Choreographie
Ramses Sigl

Licht
Ralph Jürgens

Chor
Manuel Pujol

Dramaturgie
Georg Holzer

 

Opern- und Extrachor des
Theaters Dortmund

Statisterie des Theaters Dortmund

Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

*Besetzung der rezensierten Aufführung

Marguerite
Eleonore Marguerre

Faust
Lucian Krasznec

Méphistophélès
Karl-Heinz Lehner /
*Morgan Moody /
Luke Stoker

Valentin
*Sangmin Lee /
Gerardo Garciacano

Siébel
Ileana Mateescu

Marthe
Almerija Delic

Wagner
Ian Sidden

Alter Faust
David N. Koch


Weitere
Informationen

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Theater Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

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