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Elegie für junge Liebende

Oper in drei Akten
Libretto von Wysten H. Auden und Chester Kallman
Deutsche Fassung von Ludwig Landgraf
unter Mitarbeit von Werner Schaechteli und Hans Werner Henze
Musik von Hans Werner Henze


in deutscher Sprache (keine Übertitel)

Aufführungsdauer: ca. 2 h 40' (eine Pause)

In Kooperation mit dem Theater Gütersloh
Premiere im Theater Gütersloh am 28. April 2017



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Landestheater Detmold
(Homepage)
Welche Wirklichkeit wollen wir sehen?

Von Stefan Schmöe / Fotos von Landestheater/Schomburg


Eine Premiere im fremden Haus? Man kann es als Hommage an Hans Werner Henze auffassen, dass das Landestheater Detmold die Elegie für junge Liebende zuerst im benachbarten Gütersloh präsentiert - schließlich wurde der Komponist 1926 eben hier geboren. Auch ist das unterkühlt elegante Gütersloher Stadttheater, 2010 eröffnet, ein aus Detmolder Sicht grundsätzlich nahe gelegener Kooperationspartner, noch dazu mit ganz hervorragender Akustik für diese Musik: Die Sängerinnen und Sänger klingen auch im Piano ungemein präsent und raumfüllend. Leicht hat es Henze allerdings auch in seiner Heimat nicht, jedenfalls blieben einige Plätze frei (und auch in Detmold sind nur drei weitere Vorstellungen angesetzt). Die vom konzentrierte Publikum mit großem Beifall aufgenommene Aufführung gibt der ambitionierten Spielplanpolitik von Intendant Kay Metzger, der 2018 an das Ulmer Theater wechseln wird, Recht.

Szenenfoto Der Dichter Gregeor Mittenhofer und seine Inspirationsquelle, die Witwe Hilde mack

Es ist schon ein merkwürdiges Werk, diese Elegie für junge Liebende, 1959 - 61 für die Schwetzinger Festspiele komponiert: Ein musikalisches Konversationsstück über die Entstehung eines Gedichts für sechs Sängerinnen und Sänger und kleines, solistisch besetztes Orchester. Das Sujet: Der gefeierte Dichter Gregor Mittenhofer, der in einem Berggasthof auf Inspiration wartet. Er findet sie regelmäßig in den Visionen der irren Hilde Mack, die seit ihrer Hochzeitsnacht vor 40 Jahren auf ihren verschollenen Bräutigam wartet, der ihr als Liebesbeweis ein Edelweiß vom Hammerhorn holen wollte. Als man dessen Leichnam findet und die Frau ins reale Leben zurück kehrt, als gleichzeitig Mittenhofers junge Muse Elisabeth sich in Toni, den Sohn seines Arztes, verliebt und den Dichter verlassen will, drohen die Inspirationsquellen endgültig zu versiegen. Mittenhofer bittet Elisabeth und Toni bedeutungsschwer um ein Edelweiß vom Hammerhorn, ahnend, dass dies für die beiden der Weg in den Tod sein wird, und als ein Unwetter aufzieht, verschweigt er dem besorgten Bergführer, dass die beiden auf dem Berg sind. Am Ende ist aus dem "Gedicht für junge Liebende" eine "Elegie" auf das umgekommene junge Paar geworden.

Szenenfoto

Die andere Muse, nämlich die junge Elisabeth, hat der Dichter an Toni verloren, wie man hier leicht sieht.

Für Henze war die Oper eine Standortbestimmung innerhalb der Musikszene seiner Zeit, in der er dem konservativen Publikum zu neutönerisch, der Avantgarde zu konventionell komponierte. Inhaltlich leben da sechs Personen in ihrer jeweils eigenen Kunst-Welt, wobei der geniale Künstler im wahrsten Wortsinn über Leichen geht - das lässt sich auf den Geniekult des 19. Jahrhunderts übertragen, aber auch auf die in ihren Ansprüchen und ihrer Ablehnung aller anderen Strömungen radikale Avantgarde um Pierre Boulez herum, der bekanntlich Opernhäuser am liebsten hätte anzünden wollen. Musikalisch komponiert Henze ganz konventionell eine linear erzählte Nummernoper mit Arien und Ensembles, was in dieser Inszenierung noch unterstrichen wird, indem die Bezeichnungen der 34 Szenen per Lautsprecher in die Aufführung hineingesprochen werden. Die ungemein fein ausgearbeitete, farbige, komplexe Musik, die jedem der Protagonisten ein oder mehrere charakteristische Instrumente zuordnet, ist bei aller klanglichen Raffinesse nicht anbiedernd, sondern verlangt sehr genaues Zuhören. Die Librettisten Wystan H. Auden und Chester Kallman wiederum spielen auf Hugo von Hofmannsthal an, auf dessen Textbuch zum Rosenkavalier, in erster Linie mit sprachlichen Reminiszenzen, aber man kann auch die Konstellation - eine junge Frau zwischen einem erfolgreichen alternden Mann und einem jugendlichen Liebhaber - als negatives Pendant zum Rosenkavalier auffassen, bei dem es keine wehmütige Entsagung gibt, sondern kalkulierte Rache. Kurzum: Diese Elegie ist eine komplizierte Angelegenheit.

Szenenfoto Der Dichter und die Mäzenin, Gräfin Caroline, die dazu noch als Sekretärin des "Meisters" arbeitet.

Regie führt Intendant Kay Metzger persönlich mit seinen bewährten ein wenig comic-haften Ästhetik der klaren, gleichwohl vielschichtigen Bilder. Ausstatter Michael Heinrich hat sehr geschickt den Berggasthof "Zum schwarzen Adler" an der Grenze zwischen der realen und einer surrealen Welt gestaltet. Zwar sieht man einerseits ganz konkret das Interieur des Hotels, das sich in einer Terrasse zur Bergwelt hin öffnet, aber die bewusst kulissenhaften Wände sind oben bereits gezackt wie die Bergkulisse, die wiederum aussieht wie mit Tüchern abgedecktes Mobiliar, aber durch grandiose Lichtwechsel ohne weiteres den Schneesturm erahnen lässt. Innen und außen bleiben ebenso unklar wie Realität und Einbildung. Kunst und Wirklichkeit greifen untrennbar ineinander. In diesem Ambiente erzählt Metzger die Geschichte solide, wenn auch ein wenig brav nach, da wäre eine stärkere Pointierung durchaus denkbar.

Szenenfoto

Der Dichter und sein Hofstaat: Hionten die Gräfin, Bergführer Josef Maurer und Hilde Mack, vorne die jungen Liebenden Elisabeth und Toni. Fehlt nur nch der Arzt.

Sehr eindrucksvoll ist die musikalische Umsetzung. Andreas Jören ist ein eloquenter Dichter Mittenhofer, mit wehenden weißen Haaren an den alten Franz Liszt erinnernd, der die Partie nuanciert zwischen delikatem Parlando und gewaltigen Ausbrüchen gestaltet. Die junge Kirsten Labonte hat für die Hilde Mack leuchtende und bestechend klare Koloraturen - wobei die Stimme im Charakter viel zu jugendlich ist für eine Witwe, die ihr Leben durch Warten verloren hat, aber sei's drum, gesungen ist das ausgezeichnet. Das Timbre von Eva Bernhard als Elisabeth ist Geschackssache, die Stimme ist expressiv geführt. Katharina von Bülow überzeugt als ausdruckstarke Gräfin Caroline, Mäzenin und Sekretärin Mittenhofers. Tenor Michael Zehe ist, nicht unpassend, ein etwas braver Toni, Stephen Chambers gibt souverän dessen Vater, den Arzt Reischmann. Lutz Rademacher leitet umsichtig die Musiker des Detmolder Orchesters, immer auf kammermusikalisch leichten Klang bedacht, der den Sängern und der Textverständlichkeit den Vorrang lässt (trotzdem wären Übertitel hilfreich). So entwickelt sich unprätentiös das feine Kammerspiel, das wie ein Krimi seinem zynischen Ende entgegen läuft. Am Ende wendet sich Mittenhofer mit dem Vortrag seiner Elegie ganz direkt an das Opernpublikum. So habt Ihr Euren Künstler doch gewollt, scheint er zu sagen. Noch interessanter ist freilich die Frage, wie sich die Wirklichkeit konstruiert. Auch wenn die Regie das nur zum Teil einlöst, bleibt die Elegie für junge Liebende ein spannendes Stück.


FAZIT

Musikalisch eine exzellente, szenisch eine solide Umsetzung von Henzes zu Recht vergleichsweeise oft gespielter Elegie.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lutz Rademacher

Inszenierung
Kay Metzger

Ausstattung
Michael Heinrich

Licht
Elena Siberski

Dramaturgie
Elisabeth Wirtz



Symphonisches Orchester des
Landestheater Detmold


Solisten

Gregor Mittenhofer
Andreas Jören

Dr. Wilhelm Reischmann
Michael Zehe

Toni Reischmann
Stephen Chambers

Elisabeth Zimmer
Eva Bernhard

Gräfin Kirchstetten
Katharina von Bülow

Hilde Mack
Kirsten Labonte

Bergführer Josef Mauer
Robert Oschmann



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Landestheater Detmold
(Homepage)



Da capo al Fine

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