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Madama Butterfly

Tragedia giapponese in drei Akten
Libretto von Luigi Illica und Giuseppe Giacosa nach einem Bühnenstück von David Belasco
Musik von Giacomo Puccini


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Koproduktion mit dem Festival Castell de Peralada
Premiere am 4. Februar 2017 im Theater Duisburg


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Rheinoper
(Homepage)
Wagner und die Bombe

Von Stefan Schmöe / Fotos von Hans Jörg Michel

Effektheischerischer Exotismus? Gar Kitsch? Irgendwie steht das bei Madama Butterfly schnell im Raum. An der Rheinoper hat Dramaturg Bernhard F. Loges sorgfältig nach dem realen Kern der Opernhandlung recherchiert, durchaus mit Erfolg. Eine historische Cio-Cio-San, von einem amerikanischen Offizier nach japanischem Recht geheiratet, geschwängert und verlassen, die könnte es tatsächlich gegeben haben. Madama Butterfly - ein Doku-Drama? Dem Theater war seit je der Wahrheitsgehalt egal, solange die Geschichten gut waren. Trotzdem lohnt die Akribie, denn der Erfolg dieser Oper hängt nicht zuletzt an der Ernsthaftigkeit und Genauigkeit, mit der sie inszeniert wird.

Szenenfoto

Hochzeit auf Zeit: Cio-Cio-San und Pinkerton

Regisseur Juan Anton Rechi lässt den ersten Akt im (durch eine Säulenhalle stilisierten) amerikanischen Konsulat spielen (Bühne: Alfons Flores), und das im Text besungene Haus, das Marineoffizier Pinkerton für sich und seine Kurzzeitgattin gekauft hat, das sieht man nur im Modell. Damit unterstreicht Rechi zunächst den westlichen Blickwinkel, unter dem Puccini die Geschichte entwickelt, und es hat schon etwas Frappierendes, dass Pinkerton dieses Haus nicht einmal betritt, schließlich ist die Ehe aus seiner Wahrnehmung nach der Hochzeitsnacht auch schon wieder beendet. Im Gegensatz zu fast allen anderen Inszenierungen verzichtet die Regie fast vollständig auf japanische Kostüme, nur die Butterfly selbst trägt traditionelle Tracht, alle anderen dagegen westliche Kleidung. Damit ist der Exotismus weitgehend verbannt, und man darf annehmen, dass die Oberschicht von Nagasaki um das Jahr 1900 herum tatsächlich bereits einigermaßen "amerikanisiert" war. Nicht unproblematisch ist das allerdings in der Umsetzung auf der Bühne, denn dieser Ansatz bezieht seine (auch ästhetische) Spannung ja im Prinzip daraus, dass Japaner wie Amerikaner gekleidet sind - nur ist der (ganz vorzüglich singende) Chor der Rheinoper eben kaum japanisch, und so müssen vornehmlich Europäer so spielen, als seien sie Japaner, die halb freiwillig amerikanische Kleidung tragen. Was sogar leidlich gut gelingt; trotzdem ist das eine dieser Stellen, an denen das Konzept ein wenig knirscht.

Szenenfoto

Hochzeitsnacht im Konsulat: Cio-Cio-San und Pinkerton

Der andere Kerngedanke der Regie ist der Bezug auf die Atombombe, die man natürlich mit Nagasaki assoziiert (in Nagasaki spielt die Oper - und Dramaturg Loges weist in Programmheft wie Einführung darauf hin, dass dies vielleicht der banale Grund war, warum ausgerechnet diese in Amerika durch die Oper vergleichsweise bekannte Stadt bombardiert wurde). Die Atombombe wird zum Sinnbild der Zerstörung, in diesem Fall der Zerstörung von Cio-Cio-Sans psychischer und letztendlich physischer Existenz, Sinnbild für die Ursünde von Militarismus und Imperialismus. Am Schluss des ersten Akts, kaum ist die zarte Musik verklungen, lässt Rechi die Bombe detonieren und das Konsulat in Schutt und Asche fallen. Ein starkes, irritierendes Bild zur Pause, keine Frage. Wer gerade noch sentimentale Gefühlswallungen hatte, wird eines Besseren belehrt.

Szenenfoto

Sinnbild der Katastrophe: Die Bombe auf Nagasaki

Die Drehbühne hatte Butterfly und Pinkerton mit den letzten gesungenen Tönen noch im Ehebett gezeigt, nach den wenigen Takten des Orchesternachspiels sieht man das Mädchen allein und offenbar frustriert in diesem Bett sitzen. Die unmittelbar folgende Bombe ist natürlich ein Theatercoup erster Klasse, und sie steht natürlich auch als Symbol für die private Katastrophe der Japanerin, die sofort nach dem Liebesakt verlassen ist. Der zweite und dritte Akt spielen in einer Trümmerlandschaft; aus der überdimensionalen amerikanischen Flagge des ersten Akts (die besungenen Sterne, die da leuchteten, waren ganz zynisch die Sterne eben jener Flagge) hat Cio-Cio-San ein Zelt gebaut, dazu einen provisorischen Aussichtsstand. Die Ruinen als Spiegelbild von Cio-Cio-Sans Seelenzustand - ganz logisch ist das nicht, denn in der Oper glaubt sie ja noch ziemlich lange an ein gemeinsames Eheglück mit Pinkerton und realisiert erst nach und nach, dass es nie dazu kommen wird. Die Katastrophe kommt, aus ihrer Perspektive (die ja damit gezeigt werden soll), erst später und keineswegs auf einen Schlag. Gutwillig könnte man ja noch einräumen, dass sie im Unterbewusstsein längst realisiert hat, was vor sich geht - dann aber hätte Puccini ziemlich lang, nämlich rund 90 Minuten, mit rhetorischen Phrasen überbrückt. Auch da knirscht es im Konzept.

Überhaupt sieht die Bühne weit weniger nach Puccini als nach Wagner aus, wo metaphorische Trümmerlandschaften ja Tradition haben wie Sinn machen, etwa im Schlussakt von Parsifal. Das wiederum passt zur musikalischen Interpretation durch den Dirigenten Aziz Shokhakimov, die immer wieder an Wagner denken lässt. Nicht nur, dass Shokhakimov die Italianitá weitgehend getilgt hat und erdenschwer dirigiert; er hebt die Mittelstimmen hervor (durchaus gegen den italienischen Primat der Melodie), setzt Verzögerungen und Rubati sehr sparsam und wohldosiert ein, betont die wiederkehrenden Erinnerungsmotive wie wagnersche Leitmotive, lässt das Blech martialisch strahlen und im Gegensatz dazu oft die "dunklen" Instrumente den Klang bestimmen, betont trauermarschartige Strukturen und lässt den Schlussakkord abrupt und völlig unsentimental abreißen. Das ist nicht der Pucciniweisheit letzter Schluss, aber es ist, wenn man sich erst einmal darin (und die knallige Akustik des Duisburger Theaters) eingehört hat, spektakulär interessant.

Szenenfoto

Vergebliches Warten:Die Cio-Cio-San, unten Suzuki mit Cio-Cio-Sans Sohn

Zumal Liana Aleksanyan, eine gute Woche vor der Premiere für die erkrankte Silvia Hamvasi eingesprungen, eine ausgesprochen dramatische Cio-Cio-San ist, eine (wohlklingende und immer schön singende) entfernte Verwandte der Brünnhilde. Weder klingt sie wie eine Fünfzehnjährige noch sieht sie so aus, da ist die Brünnhilde schon näher, aber so ist man's in dieser Oper ja gewohnt. Mit substanzvollem Pianissimo und triumphalen Forte, wenn es darauf ankommt, ist da keine keine femme fragile, sondern eine Diva reinsten Opernwassers mit langem Atem. Kleiner Wehrmutstropfen: Ausgerechnet ihre allerschönste und allerberühmteste Arie "Un bel di vedremo" singt sie allzu eintönig im Mezzoforte ohne große Differenzierung. Aber wie sie, durchaus konventionell in der Gestik, auf ihrer Aussichtsplattform steht und Pinkerton herbeisehnt, ja herbeizwingen will, das ist schon sehr eindrucksvoll (und der Summchor dazu gelingt betörend schön). Am Ende inszeniert sie ihren Selbstmord ganz theatralisch, eine Strafaktion für die böse Welt. Viele Blicke würdigt ihr Pinkerton trotzdem nicht.

So kann man über die Unstimmigkeiten der nicht genialen, aber doch konzentrierten Regie gut hinwegsehen, zumal die sängerische Seite wenig Wünsche offen lässt. Am ehesten noch bei Eduardo Aldrén als Pinkerton, der eine im Forte sichere und strahlende Höhe hat, dessen Tenor aber im Piano recht farblos bleibt. Stefan Heidemann ist ein altersweiser Konsul Sharpless mit großer Routine, der mitunter an Gurnemanz aus dem Parsifal erinnert, der zwar keine taufrische Stimme hat, aber die altväterliche Note sympathisch einsetzt und den vordergründigen Antiamerikanismus schnell mit altersweiser Güte eindämmt. Florian Simson ist mit nicht zu leichtem, sehr markantem Tenor ein exzellenter Heiratsvermittler Goro, Lukasz Konieczny gibt mit einem stimmgewaltigen Kurzauftritt einen vokal Ehrfurcht einflößenden (szenisch offenbar angetrunkenen) Onkel Bonzo. Die zierliche Maria Kataeva gibt der Suzuki mit einem leicht eingedunkelten Klang und jugendlicher Emphase Gewicht, und Maria Boiko schafft es mit interessanter Stimmfärbung und Präsenz, mit den wenigen Tönen, die sie zu singen hat, der Kate Pinkerton ein klares Profil zu verleihen, wie auch Bruce Rankin dem Fürsten Yamadori in wenigen Takten Format verleiht.


FAZIT

Alle Schwierigkeiten des Stücks löst die Regie nicht, liefert aber einen nicht unbedingt widerspruchsfreien, aber durchaus interessanten Interpretationsansatz. Auch über die wagnernahe musikalische Interpretation lässt sich konstruktiv streiten. Aber spannend ist diese Butterfly allemal, zumal sie sängerisch ausgezeichnet besetzt ist.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Aziz Shokhakimov

Regie
Joan Anton Rechi

Bühne
Alfons Flores

Kostüme
Merce Paloma

Licht
Volker Weinhart

Chor
Christoph Kurig

Dramaturgie
Bernhard F. Loges



Chor der Deutschen Oper am Rhein

Duisburger Philharmoniker


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Cio-Cio-San
Liana Aleksanyan

Suzuki
Maria Kataeva

Pinkerton
Eduardo Aladrén

Sharpless
Stefan Heidemann /
Richard Šveda

Goro
Florian Simson

Fürst Yamadori
Bruce Rankin

Onkel Bonzo
Peter Nikolaus Kante /
Lukasz Konieczny

Kate Pinkerton
Maria Boiko

Yakusidé
Mamuka Manjgaladze /
Zheng Xu

Der kaiserliche Kommissar
Attila Fodre /
Sebastià Peris

Der Standesbeamte
Ingmar Klusmann /
Andreas Schönberg

Mutter Cio-Cio-Sans
Geesche Bauer /
Diana Klee

Die Base
Angela Froemer /
Franziska Orendi

Die Tante
Elisabeth Adrian /
Karolin Zeinert

Das Kind
Sarah Bock /
Lennart Syben



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Rheinoper
(Homepage)



Da capo al Fine

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