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Ein tolles Bestiarium
Von Stefan Schmöe / Fotos von Hans Jörg Michel
Es donnert und kracht gewaltig aus dem Orchestergraben. Vom ersten Ton an lassen die Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von Jesse Wong keinen Zweifel, dass es hier um ernste Dinge geht. Oliver Knussens gewollt ein wenig lärmige Partitur beschreibt plastisch und großformatig Zorn, Ärger und Ängste eines Kindes, da hat es Sängerin Heidi Elisabeth Meier in der Rolle des Max nicht immer ganz leicht, sich gegen das Orchester zu behaupten - aber mit burschikosem Auftreten und tragfähiger, leuchtender Stimme gestaltet sie die Partie doch sehr überzeugend. Oben das Kinderzimmer, unten speisen die Erwachsenen
Wo die wilden Kerle wohnen basiert auf dem gleichnamigen populären Kinderbuch von Maurice Sendak, der auch das Libretto der 1979 - 83 entstandenen Oper geschrieben hat. Es geht um den nicht gerade braven Jungen Max, der ohne Abendessen ins Bett muss und sich in eine Runde veritabler Monster, eben die wilden Kerle, hinein träumt, die ihn zum König krönen - bis er, im Umkehrung der realen Machtverhältnisse, die allzu übermütigen Kerle kurzerhand mit Entzug des Abendessens abstraft und sich schließlich versöhnlich zur Mutter zurück wünscht. Das Buch lebt mehr von den Bildern als vom knappen Text, und entsprechend hat die Oper große pantomimische Anteile, bei denen das Orchester das Kommando übernimmt. Der Gesangsanteil der wilden Kerle fällt dabei nicht weiter ins Gewicht. Genau darin liegt der Charme dieser Kinderoper: Ohne allzu viele Worte lebt die Geschichte von der szenischen und klanglichen Wirkung. Max (hier: Lavinia Dames) ist zum König der wilden Kerle ernannt worden
Regisseur Philipp Westerbarkei und Ausstatterin Tatjana Ivschina haben ein zweistöckiges Wohnhaus gebaut. Unten ist das großbürgerliche Speisezimmer, indem sich die um Großmutter und zwei Onkel erweiterte Familie zum Essen versammelt hat (nur der wilde Max darf nicht mitessen), darüber ist das Kinderzimmer des kleinen Wüterichs, das deutlich zeitloser gehalten ist. Max wird von der Regie als Begleiter ein Stoffaffe an die Seite gestellt, ein zunächst recht lieblos behandeltes Kuscheltier, das in Max' Traum zum Leben erwacht (aber stumm bleibt) und sich mit ihm zusammen ins Abenteuer stürzt. Die wilden Kerle sind hier die Familienangehörigen, auf die sich der Zorn des Jungen richtet - nach und nach verwandeln diese sich in Tiere, indem ihnen aus den liebevoll gestalteten Kostümen des späten 19. Jahrhunderts Hörner und Hahnenkamm wachsen, das Dienerpaar zu Salamander und Fledermaus wird, die Mutter sich in eine Löwin verwandelt. Das ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet, und es gibt eine Menge zu sehen. Auch der wildeste Kerl wird irgendwann lammfromm - Max (auch hier: Lavinia Dames) liest seinen Traumwesen vor.
Die psychologische Ebene - die Verwandlung der Familie in die wilden Kerle - dürfte zwar am jungen Publikum vorbei gehen, und ein paar echte Sendak'sche wilde Kerle aus der Welt der tumben Monster wären sicher auch ganz nett gewesen. Aber auch so zieht das Konzept das anwesende junge wie auch das ältere Publikum in den Bann. Die Umkehr der Verhältnisse wird nicht zuletzt dann deutlich, wenn Max den wilden Kindern, die sich im Bett an ihn kuscheln, aus einem Buch vorliest. Die Produktion besticht, wie zuletzt schon die Schneekönigin, dadurch, dass hier kein vermeintlich kindgerecht verkleinertes Theater gezeigt wird, sondern "echte" große Oper auf der Hauptbühne mit opulentem Orchester und tollem Bühnenbild. Verkleinert ist allein die zeitliche Dimension mit kurzweiligen 45 Minuten Spieldauer (empfohlen wird die Produktion für Kinder ab sechs Jahren). Und dann hält das Duisburger Theater auch noch Sitzkissen in größerer Zahl bereit hält, damit die jungen Besucher trotz der tiefen Sitze einigermaßen gut sehen können.
Große Oper für alle - für Kinder, Eltern und Großeltern gleichermaßen geeignet. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne und Kostüme
Licht
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der rezensierten Aufführung
Max
Tzippie
Onkel /Bart- und Ziegenkerl
Onkel /Hornkerl
Großmutter / Hahnkerl
Vater / Bullenkerl
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