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Zeitreise in einer Kirche Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller Obwohl Wolfgang Amadeus Mozart einen festen Platz im Repertoire des Musiktheaters hat, gibt es auch in seinem Werk noch Unbekanntes zu entdecken. Dazu zählt zum Beispiel das Oratorium Betulia liberata, das er als 15-Jähriger auf ein Libretto von Pietro Metastasio komponierte. Mozart weilte zu der Zeit mit seinem Vater in Padua und feierte gerade große Erfolge mit der Oper Mitridate, re di Ponto, als der Fürst von Aragona, Giuseppe Ximenes, ihm den Auftrag erteilte, Metastasios Libretto in Form einer Azione sacra zu vertonen. Ob es 1771 wirklich zu einer Aufführung kam, ist nicht belegt. In der Mozart'schen Familienkorrespondenz taucht das Werk erst Judith (Ezgi Kutlu) nach der Ermordung des Holofernes (im Hintergrund: Vokalensemble)
Dabei scheint das Werk nicht für
eine szenische Bearbeitung prädestiniert zu sein. Die Geschichte von der
Ermordung des assyrischen Feldherrn Holofernes durch die jüdische Witwe Judith
Sprung durch die Zeiten: Eine
Lehrerin (Ezgi Kutlu, Mitte) trifft auf eine religiöse Frau (Karen Vuong,
rechts) und die Kreuzritter (Vokalensemble).
Dazu hat Bühnenbildnerin
Franziska Bornkamm das Bockenheimer Depot zu einem riesigen Kirchenraum
umgestaltet. Der eigentliche Zuschauerraum ist durch Kirchenbänke ersetzt und
dient als Bühne für die Solisten und das Vokalensemble, während die Reihen für
das Publikum in dem Bereich aufgebaut worden sind, in dem sich normalerweise die
Bühne befindet. Das Orchester befindet sich vom Publikum aus gesehen auf der
rechten Seite. Über dem Eingang, der an diesem Abend für die Zuschauer
verschlossen bleibt, hängt als eine Art Kirchenfenster das berühmte Gemälde
Judith und Holofernes von Giovanni Battista Piazzetta. So bleibt Judiths
Geschichte durchaus noch Bestandteil des Abends, zumal auch Judiths
Accompagnato-Rezitativ, in dem sie von der Ermordung des Holofernes erzählt,
gespielt wird. Ansonsten springt man scheinbar zusammenhanglos von einer Szene
in die nächste. Einzelne Figuren tauchen jedoch mehrmals auf und werden am Ende
im jubelnden Schlusschor wieder zusammengeführt.
Es beginnt mit einem normalen
Gottesdienst. Zur Ouvertüre verlassen die Besucher die Kirche und zelebrieren
dabei ihren Abgang auf unterschiedliche Weisen. Da ist der Mann, der die Kirche
mit großen Spenden bedenkt und dafür sicherlich einige Gegenleistungen erwartet,
die Frau, die sich in der Kirche demütig gibt und nach dem Gottesdienst mit
einer dunklen Sonnenbrille zu einer Femme fatale mutiert, und der Obdachlose,
der die Kirche nutzt, um einen Schlafplatz zu finden. Im Anschluss gibt es einen
Sprung in die Zeit der Kreuzzüge. Ein Priester (Tenor) schickt die Kreuzritter
mit einer feurigen Gleichnisarie in den Kampf und schreckt auch nicht davor
zurück, auch den jungen Messdiener mit einem Schwert in der Hand für den
"rechten Glauben" kämpfen zu lassen. Da wirkt die folgende Szene, in der ein
Kindersarg auf die Bühne getragen wird und eine verzweifelte Mutter (Sopran II)
den Verlust ihres Kindes beklagt, beinahe schon wie eine Antwort auf die
vorangehende Szene. Die weiteren Szenen wirken wie Mosaiksteine, die die
Geschichte der Kirche über mehrere Jahrhunderte erzählt, ohne dabei den Anspruch
zu erheben, eine chronologischen Reihenfolge einzuhalten. Irgendwann in der
Mitte steht der Chor vor dem großen Gemälde und erinnert sich an die Befreiung
Betulias durch Judith. Später tritt Judith (Mezzosopran) in einem dem Gemälde
angepassten Gewand auf und berichtet mit großer Dramatik von Holofernes'
Ermordung. Der anschließende Jubel erweist sich allerdings als keineswegs so
freudig, wie es im eigentlichen Oratorium vorgesehen ist, sondern unterstreicht
auch die zahlreichen Opfer, die der Kampf unter den Kreuzrittern gefordert hat.
Am Ende wird die Kirche verkauft. Alle Tore werden geöffnet und ein schwarzer
Wagen fährt in den Saal, dem eine reiche Dame (Sopran II) mit ihrem Schoßhund
entsteigt. Die Sonnenbrille legt nahe, dass es die Dame aus der Ouvertüre ist,
die vielleicht zu Beginn die Kirche nur in Augenschein genommen hat, um zu
prüfen, ob sich das Gebäude als Investition lohnt.
Akteneinsicht in der Kirche: Der
Priester (Theo Lebow) wirkt besorgt.
Eine Frau (Karen Vuong) trennt
sich von ihrer strenggläubigen Familie (Marek Sarnowski als Vater mit drei
Kinderstatisten).
FAZIT
Es verwundert nicht, dass diese Produktion auch bei der Derniere noch
ausverkauft ist. Es bleibt zu hoffen, dass diese Produktion schon allein wegen
der hervorragenden Musik in einer der nächsten Spielzeiten wieder aufgenommen
wird.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung Inszenierung Bühnenbild Kostüme
Licht Vokalensemble
Dramaturgie
Frankfurter Opern- und Vokalensemble Statisterie der Oper Frankfurt Solisten
Tenor
Mezzosopran
Sopran I
Bass
Sopran II
Schauspieler
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