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L'heure espagnole (Die spanische Stunde)

Musikalische Komödie in einem Akt
Libretto von Franc-Nohai
Musik von Maurice Ravel

L'enfant et les sortilèges (Das Kind und der Zauberspuk)

Lyrische Phantasie in zwei Teilen
Libretto von Sidonie-Gabrielle Colette
Musik von Maurice Ravel


in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 20' (eine Pause)

Premiere im Staatenhaus Köln-Deutz (Saal 2) am 25. September 2016
(rezensierte Aufführung: 30. September 2016)


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Oper Köln
(Homepage)

Hier geht so manches auf den Wecker

Von Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclaire

Für Kölns Chefdirigenten François-Xavier Roth ist das französische Repertoire eine Herzensangelegenheit. So ist wohl dieser Ravel-Doppelabend mit zwei ausgesprochen raffiniert komponierten, aber nicht eben als publikumswirksam geltenden Einaktern zu erklären. Was Roth und das Gürzenich-Orchester aus dieser Musik machen, ist dabei zweifellos den Besuch wert. Federleicht lässt Roth das große Orchester klingen, transparent und kammermusikalisch durchhörbar, immer sängerfreundlich, die markigen Forte-Akzente sparsam und durchdacht eingesetzt. Die Bläser spielen nicht nur außerordentlich präzise, sondern auch zupackend und bestens aufeinander abgestimmt. Ravels Klangpalette leuchtet in irisierenden Farben auf, und der wilde Stilmix, den der Komponist collagenhaft (und sehr kunstvoll) aneinanderreiht, wird mit bestechend sicherem Gespür für die Kleinteiligkeit und Vielfältigkeit hörbar. Roth hat das Orchester, vor nicht allzu langer Zeit noch eher mittelprächtig, in die erste Reihe zurück geführt, und so wird das Plädoyer für Ravel orchestral zum Ereignis: Jeder Takt ein kleines Wunderwerk.

Szenenfoto

Die spanische Stunde: Concepcion (Katrin Wundsam) versteckt ihre Beinahe-Liebhaber, hier den Bankier Don Inigo Gomez (Tomislav Lavoie), gerne in Uhren.

Die Probleme dieser Produktion liegen an anderer Stelle und beginnen mit der Sängerbesetzung, die das instrumentale Niveau nicht halten kann. Am wenigsten betrifft das Regina Richter, die (alternierend mit Marie Lenormand) das Kind, das die Dinge in seiner Umwelt traktiert und zerstört, bis diese spukhaft zurück schlagen, mit burschikosem Charme singt und spielt und auch das passend helle, ein wenig jungenhafte Timbre besitzt. Und mit Katrin Wundsam als liebestoller Uhrmachersgattin Concepcion in der Spanischen Stunde kann man sich arrangieren, auch wenn ihr akkurat geführter Sopran die lyrische Emphase ein wenig schuldig bleibt. Von ihren Verehrern aber kann nur Julien Behr als poetisierender Schöngeist mit lyrischem Tenor mithalten, Tomislav Lavoie als Bankier Don Inigo Gomez singt unauffällig solide, Thomas Dolié als Maultiertreiber Ramiro fehlt bei allem Sinn für Ravels Parlando entschieden die Höhe. So wird die Spanische Stunde um ihre gesanglichen Höhepunkte gebracht. Und unter den Spukgestalten fällt bestenfalls Dongmin Lee als klangschön-leichtgewichtige Prinzessin, Feuer und Nachtigall positiv auf. Nicht, dass das alles ganz schlecht wäre, und die Akustik der Behelfsbühne im Staatenhaus ist wahrlich nicht sängerfreundlich, aber das Orchester hätte mehr stimmlichen Glanz verdient.

Szenenfoto

Das Kind und der Zauberspuk: Die Wedgwood-Teekanne (John Heuzenroeder) und die chinesische Tasse (Judith Thielsen) ärgern das in dieser Inszenierung gar nicht richtig böse Kind (hier Marie Lenonrmand), aber nur ein bisschen

Dann muss man die beiden Einakter ja auch noch inszenieren. Regisseurin Beatrice Lachaussée und Ausstatterin Nele Ellegiers erzählen das Kind und den Zauberspuk brav nach, ohne dabei etwaige Ansprüche auf Interpretation zu formulieren. Akzente setzen sie bei den durchaus aufwendigen Kostümen, die in ihrer Gestaltung ein wenig unentschlossen zwischen Naturalismus und Abstraktion mal mehr, mal weniger gelungen sind. Das ist hübsch anzusehen und leidlich unterhaltsam, am Kern der Geschichte aber inszeniert die Regisseurin vorbei: Weder das rüpelhafte Verhalten des Kindes noch der darauf ausbrechende Spuk haben irgendetwas Bedrohliches, und der Lernprozess des Knaben hin zum mitfühlenden Wesen geht schlicht unter: Die Oper bleibt ein harmloser Aufmarsch origineller Figuren.

Szenenfoto

Hier spielt das Kind (Marie Lenormand) mit dem Feuer (Dongmin Lee)

Ist das Kind und der Zauberspuk immerhin nett anzusehen, so misslingt die vor der Pause gespielte Spanische Stunde geradezu desaströs. Vom Witz des anzüglichen Librettos bleibt nichts übrig, statt dessen herrscht bleierne Biederkeit. Als Bühnenbild dient, schließlich spielt die Geschichte im Uhrmachermilieu, eine auf der schräg gestellten Bühne angedeutete Uhr, und statt in altmodischen Standuhren verstecken sich die (der Liebe aus verschiedenen Gründen unfähigen) Verehrer Concepcions, indem sie sich überdimensionale Wecker überstülpen – was leider allzu sehr nach Schultheater aussieht. Wo Ravel parodistisch mit der Musik seiner Zeit abrechnet und alles mit Ironie überzuckert, bleibt bei Beatrice Lachaussée ein müder Schwank mit verpuffenden Pointen. Selbst die bei Ravel vorgegebene Figurenzeichnung - da konkurrieren immerhin so unterschiedliche Gestalten wie ein Schöngeist, ein Bankier und ein Maultiertreiber um die Gunst Concepcions - geht hinter einer nivellierenden Stilisierung verloren. Und für ein paar optische Querverweise zum zweiten Stück des Abends, indem man die eine oder andere Figur daraus schon mal unmotiviert über die Bühne laufen lässt (ohne erkennbare inhaltliche Motivation), mag es Streberpunkte im Hochschulseminar geben, aber keine Wirkung in der Bühnenwirklichkeit. Allzu lange mochte das gelangweilte Publikum nicht applaudieren.


FAZIT

Tja, wie soll man diesen in seinen verschiedenen Aspekten disparaten Abend resümieren? Die biedere Regie bettelt geradezu darum, „provinziell“ genannt zu werden, dem unter GMD Francoise-Xavier Roth wunderbar stilsicheren Orchester möchte man beinahe „Weltklasse“ zurufen. Die Sänger bewegen sich irgendwo dazwischen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
François-Xavier Roth

Inszenierung
Béatrice Lachaussée

Bühne und Kostüme
Nele Ellegiers

Licht
Andreas Grüter

Chor
Andrew Ollivant

Dramaturgie
Georg Kehren


Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Die spanische Stunde

Concepcion
Katrin Wundsam

Gonzalo
Julien Baehr

Torquemada
John Heuzenroeder

Ramiro
Thomas Dolié

Don Inigo Gomez
Tomislav Lavoie

Das Kind und der Zauberspuk

* Besetzung der rezensierten Vorstellung

Das Kind
Marie Lenormand /
* Regina Richter

Mutter / Chinesische Tasse / Libelle
Judith Thielsen

Bergère / Eule
María Isabel Segarra

Feuer / Prinzessin / Nachtigall
Dongmin Lee

Schäfer / Katze / Eichhörnchen
Sara Jo Benoot

Schäferin / Fledermaus
Maria Kublashvili

Sessel / Baum
Tomislav Lavoie

Standuhr / Kater
Thomas Dolié

Teekanne / altes Männchen / Laubfrosch
John Heuzenroeder



Weitere
Informationen

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Da capo al Fine

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