Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Weiße Rose

Szenen für zwei Sänger und 15 Instrumentalisten
nach Texten von Wolfgang Willaschek
Musik von Udo Zimmermann



in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 20' (keine Pause)

Premiere im Staatenhaus Köln-Deutz (Saal 3) am 22. Oktober 2016


Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Die Geschwister Scholl sterben in Schönheit

Von Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclaire

Es ist still geworden um Udo Zimmermanns Weiße Rose, die sich nach der Uraufführung 1986 in Hamburg großer Popularität erfreute wie kein anderes Werk des zeitgenössischen Musiktheaters. Da kam einiges zusammen: Ein weltgewandter DDR-Komponist und ein Sujet, das grenzüberschreitend für das "gute" Deutschland stehen konnte; aber auch ein "machbares" kleines Format mit nur fünfzehn Instrumentalisten und zwei anspruchsvollen, aber durchaus besetzbaren Gesangspartien und einer Dauer von etwas mehr als einer Stunde - aber eben auch einem Komponisten, der diesem Format Großes abgewann mit einer Musik, die immer wieder Vertrautes anklingen lässt: Viel Bach, konfrontiert mit Marschmusik, und das von einer oft betörenden Sinnlichkeit. Dass die Entscheider des "8. Europäischen Opernregie-Preises" eben dieses Werk als Aufgabe vorgaben ("da die zur Zeit weltweiten politischen Turbulenzen zum 'Wachbleiben und nicht mehr Schweigen' herausfordern", so ist's im Programmheft nachzulesen), ist auf den ersten Blick löblich und wohl auch pragmatisch, da dem Sieger immerhin eine "Realisierung des vorgestellten Konzepts unter professionellen Bedingungen auf einer renommierten Musiktheaterbühne" versprochen war - bei genanntem Format ist das Risiko überschaubar. Wie aber bewährt sich die Weiße Rose 30 Jahre nach der Uraufführung?

Szenenfoto

Niki Ellinidou (Regie) und Nefeli Myrtidi (Ausstattung) lassen den historischen Kontext bestenfalls in kleinen Zeichen anklingen, setzen im Wesentlichen aber auf Abstraktion und klare Bilder. Das passt zur Oper, die ja keine eigentliche Handlung hat, sondern in 16 Bildern als eine Art szenisches Requiem auf die Geschwister Sophie und Hans Scholl konzipiert ist - Gedanken der beiden zum Tode verurteilten Geschwister in den Stunden vor der Hinrichtung. Und selbst da bleiben die Texte von Wolfgang Willaschek meist poetisch unbestimmt (bis auf die letzten Sätze, die konkret auf die anstehende Vollstreckung des Todesurteils hinweisen). Im eigentlich recht großen Saal 3 des Deutzer Staatenhauses, dem derzeitigen Ausweichquartier der Kölner Oper während der Sanierung des Opernhauses, ist ein kleiner Bereich für 200 Zuschauer eingegrenzt und aus einer schwarzen Wand eine schuhkastenartige Bühne ausgeschnitten - ein hinreichend intimer Rahmen für das Kammerspiel. Darauf steht eine Art Aquarium mit Wasser, geheimnisvoll ausgeleuchtet, dazu wird ab und zu eine überdimensionierte Glühbirne herabgelassen (darin mag man karge Zellenbeleuchtung assoziieren). Mehrfach rieselt spektakulär Sand von der Decke. Sophie trägt ein weißes Kleid mit rotem Halstuch (auch das kann man als Anspielung auf den bevorstehenden Tod durch die Guillotine sehen) und läuft barfuß, Hans trägt schwere Schuhe und einen soldatischen Filzmantel. Mit diesen Mitteln gelingen dem Regieteam eindrucksvolle, oft bestechend schöne Bilder.

Szenenfoto

Zimmermanns Musik rechtfertigt mit ihrer oft entrückten Schönheit das Konzept, zumal die 15 Instrumentalisten des Gürzenich-Orchesters auch berückend schön spielen. Dirigent Arne Willimczik, Studienleiter an der Oper Köln, fordert die gesamte Lautstärkenpalette: Vom (seltenen) knallenden Fortissimo bis zum (häufigen) viel schwierigeren extremen Pianissimo an der Hörgrenze, und das bewältigen die Musiker mit Bravour. Claudia Rohrbach singt die Sophie Scholl mit großer Souveränität und dabei mädchenhaftem Charme, die Stimme schwingt sich groß auf und bleibt der Partitur nichts schuldig, weder die Leuchtkraft noch die Emphase. Wolfgang Stefan Schwaiger als Hans schlägt sich mit elegantem Bariton achtbar, kann aber nicht ganz mithalten. Beide sind zudem engagierte Darsteller in der nuanciert durchgearbeiteten, trotzdem ein wenig beliebigen Personenregie.

Szenenfoto

Die faszinierende Aufführung ist ein Plädoyer für die Weiße Rose - und gleichzeitig wirft die ziemlich konsequente Ästhetisierung auch Fragen auf. "Die Geschichte von Hans und Sophie Scholl ist zeitlos und nicht lediglich an die Umstände der nationalsozialistischen Ära in Deutschland gebunden. Sie wiederholt sich ständig." So verharmlosend gestelzt steht es flankierend im Programmheft (dafür bedurfte es offenbar gleich zweier Dramaturgen, obwohl die Regie doch eigentlich fertig eingekauft wurde), und das an prominenter Stelle in Verbindung mit der Inhaltsangabe. Dabei gibt es doch kaum ein konkretes Ereignis, das so sehr für den Widerstand gegen das Hitler-Regime steht wie die Verhaftung und Hinrichtung der Geschwister Scholl, und eben diese ganz konkrete Erinnerung an die "Weißen Rose" ist - war? - prägend für das (west-)deutsche Selbstverständnis und Geschichtsbewusstsein wie kaum ein anderes Ereignis. Diese in ihrer Konkretheit beinahe mythische Erinnerung (welche deutsche Großstadt hat keine Geschwister-Scholl-Straße?) wird hier zu Gunsten einer austauschbaren Beliebigkeit preisgegeben.

Szenenfoto

Auch der mögliche Einwand, hier habe ein griechisches Regieteam den Blick von außen gesucht, ist reichlich schwach, immerhin möchte sich ein nicht ganz kleines deutsches Opernhaus mit dieser Aufführung profilieren (das mit Intendantin Birgit Meyer auch noch in der Jury des Opernpreises vertreten ist; man wusste also ziemlich genau, worauf man sich einließ). Vielmehr muss man es wohl als Ausdruck einer Entpolitisierung des Musiktheaters interpretieren, dass paradoxerweise dieses in seiner abstrahierenden Bildsprache demonstrativ unpolitische Regiekonzept den Preis zugesprochen bekommen hat. Aber wozu brauchen wir ein Musiktheater, das sich historisch und politisch wegduckt?


FAZIT

Eine toll musizierte, ungeheuer schöne Aufführung - und gerade deshalb muss hier ein Aufschrei folgen: Geschichtsvergessen legt die Oper Köln den Widerstand der Geschwister Scholl zu den Akten.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Arne Willimczik

Inszenierung
Niki Ellinidou

Bühne und Kostüme
Nefeli Myrtidi

Licht
Nicol Hungsberg

Dramaturgie
Tanja Fasching
Georg Kehren


Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Sophie Scholl
Claudia Rohrbach

Hans Scholl
Wolfgang Stefan Schwaiger



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2016 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -