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Musiktheater
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Alcina

Dramma per musica in drei Akten
Libretto unbekannt nach dem Epos Orlando furioso (Der rasende Roland) von Ludovico Ariosto
Musik von Georg Friedrich Händel

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theater Münster am 14. Januar 2017

Logo: Theater Münster

Theater Münster
(Homepage)
Schnee und Eis im Zauberreich

Von Thomas Molke / Fotos von Oliver Berg

Vom 14. bis zum 19. Januar 2017 finden in Münster zum wiederholten Male die Tage der Barockmusik statt. Mit einer Operninszenierung im Theater und mehreren Konzerten unter anderem in der Clemenskirche und dem Erbdrostenhof widmet man sich erneut der Barockmusik in zahlreichen Facetten. Mit dem Dirigenten und Cembalisten Attilio Cremonesi hat man auch gleichzeitig noch einen Artist in residence engagiert, der als musikalischer Leiter der Oper und zwei weiterer Konzerte fungiert. Nachdem das Festival vor zwei Jahren mit Händels Dramma per musica Ariodante eröffnet worden ist (siehe auch unsere Rezension), geht es nun mit einer weiteren Episode aus Ludovico Ariostos großem Ritterroman Orlando furioso weiter, in dem Karl der Große über die ungläubigen Sarazenen hochstilisiert wird: Alcina. Dieses Werk folgte auch bei der Uraufführung chronologisch auf Ariodante und markiert Händels letzten großen Opernerfolg in London, bevor er mit seinen Oratorien einen neuen Weg einschlug.

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Alcina (Henrike Jakob) inmitten ihrer ehemaligen Liebhaber (Statisterie)

Die Geschichte erzählt von der Zauberin Alcina, die auf ihrer Insel Männer verführt und sie anschließend in Blumen, Tiere oder Steine verwandelt. Auch der Kreuzritter Ruggiero wird auf ihre Insel gelockt und vergisst darüber nicht nur seinen eigentlichen Auftrag, sondern auch seine Verlobte Bradamante, die sich hingegen mit seinem Erzieher Melisso aufgemacht hat, um den verschollenen Geliebten zu suchen. Als die beiden ebenfalls auf der Zauberinsel stranden, gibt sich Bradamante als ihr eigener Bruder Ricciardo aus. Ruggiero erkennt sie nicht, macht ihr aber klar, dass er seine ehemalige Verlobte vergessen habe und bei Alcina bleiben wolle. Zu allem Unglück verliebt sich auch noch Alcinas Schwester Morgana in die verkleidete Bradamante, was wiederum die Eifersucht Orontes hervorruft, der als Feldherr Alcinas mit Morgana liiert ist. Schließlich gibt sich Melisso Ruggiero zu erkennen und überzeugt ihn, dass er die Insel verlassen muss. Alcina versucht verzweifelt, den Geliebten zu halten, und stellt erschrocken fest, dass sie mit ihrer Liebe zu Ruggiero zugleich auch ihre Macht über die Insel verloren hat. So muss sie tatenlos zusehen, wie Ruggiero im Moment seiner Abreise die Zauberinsel zerstört und ihr Reich untergeht. Auf die Nebenhandlung um den jungen Oberto, der auf der Suche nach seinem Vater ist, mit dem er auf Alcinas Insel gestrandet ist, wird in dieser Inszenierung verzichtet.

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Morgana (Eva Bauchmüller) und Oronte (Youn-Seong Shim) haben wegen der Neuankömmlinge Streit.

Wenn sich der Vorhang am Ende des musikalischen Vorspiels hebt, mag sich der eine oder andere Theaterbesucher an seine Anfahrt zum Theater an diesem Tag erinnert fühlen. Auf der Bühne tobt ein wilder Schneesturm, durch den sich Bradamante und Melisso kämpfen, bevor sie erschöpft vor drei verschlossenen Türen zusammenbrechen. Alcinas Reich ist scheinbar ein Eisberg mit der Zauberin als Eiskönigin. In einem großen weißen Raum mit einem von der Wand herabsteigenden Eisbär empfängt sie die beiden Neuankömmlinge und präsentiert ihnen ihre früheren Opfer, die unter Schneemassen im Zauberreich ergraut sind. Nur Ruggiero erfreut sich in einem dunkelblauen Pyjama noch frischer Jugend und räkelt sich in einem höher gelegenen Raum im Hintergrund vor einem Panorama von Eisbergen in einem weißen Bett. Ein auf der linken Seite in den Raum geschobenes Bühnenbild, das mit frischen grünen Farben eine blühende Landschaft in dieser Eiswüste vorgaukelt, gibt dem Zauberreich eine wärmere Nuance, während das aufgetischte Essen aus silbernen Früchten besteht. Mit dieser Kälte spielt Sebastian Ritschel in seiner Inszenierung konsequent und erzeugt eindrucksvolle Bilder.

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"Ombre pallide": Alcina (Henrike Jakob mit der Statisterie)

Einen szenischen Höhepunkt stellt Alcinas große Arie "Ah! mio cor! schernito sei!" dar, in der sie erkennt, von Ruggiero verraten worden zu sein, und krampfhaft versucht, sich nicht ihrem Schmerz hinzugeben. Henrike Jakob trägt als Zauberin in dieser Szene ein ausladendes eisgraues Kleid, das sich auf beinahe magische Art während der Arie schwarz färbt. Zunächst erscheinen einzelne schwarze Spritzer auf dem grauen Kleid, die zeigen, dass die Eisfassade bröckelt. Dann rieselt zarter Regen aus dem Schnürboden herab, der das Kleid bis zum Ende der Arie völlig schwarz einfärbt und die dunkle Seite Alcinas somit von innen nach außen kehrt. Ebenso eindrucksvoll gelingt ihre anschließende Rachearie "Ombre pallide", in der sie ihre Macht noch einmal zu bündeln versucht, um den Geliebten zu vernichten. Hier treten die zuvor ergrauten Statisten in feuerroten Kleidern auf und umwirbeln Jakob in ihrem schwarzen Gewand wie ein Feuerstrahl. Dabei kommt durch geschickte Lichtregie auch das Eis um den Palast in Bewegung. Schade ist bei diesen Szenen nur, dass musikalisch Abstriche gemacht werden müssen. Henrike Jakob legt die Titelpartie zwar mit dramatischem Sopran an und bringt die Wut und Verzweiflung der Zauberin stimmlich und darstellerisch überzeugend zum Ausdruck, aber Attilio Cremonesi hat mit dem Sinfonieorchester Münster kein ganz so glückliches Händchen. So klingen die Staccato-Töne, die Alcinas große Arie "Ah! mio cor" schernito sei!" einleiten sollen, weniger nervös als vielmehr betont abgehackt, was Jakobs inniger Interpretation entgegenwirkt. Auch im Vorspiel kann Cremonesi mit dem Sinfonieorchester die feinen Strukturen von Händels Musik nicht sauber genug herausarbeiten und erzeugt einen eher verschwommenen, groben Klang.

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Ruggiero (Lisa Wedekind, links) befreit sich mit Bradamantes (Charlotte Quadt, rechts) Hilfe aus Alcinas (Henrike Jakob, 2. von rechts) Zauberreich (im Hintergrund: Oronte (Youn-Seong Shim)).

Die Solisten hingegen geben ihr Bestes. Eva Bauchmüller überzeugt als Alcinas Schwester Morgana mit weichem, mädchenhaftem Sopran. Hervorzuheben ist ihre Arie "Ama sospira" im ersten Teil, in der sie Alcina versichert, dass Bradamante / Ricciardo keine Gefahr für Alcina und Ruggiero darstellt. Hier begeistert Bauchmüller mit glockenklaren, leichten Koloraturen, und wenn sie nach der Pause in ihrem herzergreifenden "Credete al mio dolore" Oronte um Vergebung für ihren Treuebruch bittet, dürfte bei diesem lieblichen Gesang wohl jeder Mann schwach werden. Charlotte Quadt begeistert als Bradamante mit sattem Mezzo und großer Flexibilität in den Läufen. Ein Höhepunkt ist ihre große Rachearie "Vorrei vendicarmi", wenn sie Ruggiero für seine Untreue zur Rechenschaft zieht. Nicht ganz so beweglich in den Läufen zeigt sich Henrike Jakob in der Titelpartie, verleiht der Zauberin allerdings ansonsten große Dramatik und in der bewegenden Arie "Mi restano le lagrime", wenn sie erkennt, Ruggiero an Bradamante verloren zu haben, eine tiefe Tragik. Lisa Wedekind stattet die Hosenrolle des Ruggiero mit flexiblem Mezzo aus und überzeugt beim kämpferischen "Sta nell'Ircana" mit sauberen Bögen. Sehr verträumt setzt sie das berühmte "Verdi prati, selve almene" an. So gibt es für alle Beteiligten am Ende großen Applaus.

FAZIT

Sebastian Ritschel gelingen bei der Verlegung des Zauberreichs in einen Eisberg beeindruckende Bilder. Musikalisch lässt das Sinfonieorchester jedoch einige Wünsche offen, vor allem wenn man bedenkt, dass diese Produktion die Tage der Barockmusik einleitet.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Attilio Cremonesi

Inszenierung und Kostüme
Sebastian Ritschel

Bühnenbild
Markus Meyer

Dramaturgie
Ronny Scholz

 

Sinfonieorchester Münster

Statisterie

 

Solisten

Alcina
Henrike Jacob

Ruggiero
Lisa Wedekind

Morgana
Eva Bauchmüller

Bradamante
Charlotte Quadt

Oronte
Youn-Seong Shim

Melisso
Filippo Bettoschi


Weitere
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Theater Münster
(Homepage)



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