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Musiktheater
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Faust (Margarethe)

Oper in fünf Akten (im Programmheft als drei Akte ausgewiesen)
Libretto von Jules Barbier und Michel Carré
Musik von Charles Gounod

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 5' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theater Münster am 10. September 2016

Logo: Theater Münster

Theater Münster
(Homepage)
Der Pakt als Droge

Von Thomas Molke / Fotos von Oliver Berg

Von den zahlreichen Vertonungen des Faust-Stoffes, die im 19. Jahrhundert die Musiktheaterbühnen beherrschten, hat Gounods Oper zweifelsohne die größte Popularität erlangt und zählt auch heute noch zu seiner am meisten gespielten Oper. Dabei wurde das Stück bei der Uraufführung am 19. März 1859 im Théâtre Lyrique in Paris zunächst recht kühl aufgenommen. Dennoch konnte es schnell auch die Bühnen in Deutschland und England erobern. In Deutschland wurde die Oper lange Zeit unter dem Titel Margarethe gespielt, was zum einen dem Respekt des deutschen Bildungsbürgertums für seinen großen Dichterfürsten geschuldet sein dürfte, zum anderen aber auch mit der Konzentration auf die Gretchen-Tragödie erklärt werden kann, die bei Gounod anders als bei den auch heute noch bekannten Vertonungen von Hector Berlioz und Arrigo Boito im Mittelpunkt der Handlung steht. Fausts Selbstzweifel, die zum Pakt mit dem Teufel führen, werden hier auf die Problematik seines Alterns reduziert und sind nur am Rande von Bedeutung. Auch lässt das Ende der Oper offen, wie es nach Margarethes Richtung/Rettung mit Faust und Mephisto weitergeht.

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Méphistophélès (Gregor Dalal, links) überredet den alten Faust (Paul O'Neill, rechts) in seinem Studierzimmer zu einem Pakt.

In NRW eröffnen in dieser Spielzeit direkt zwei Bühnen mit dieser Oper. Den Anfang macht das Theater Münster, bevor das Theater Dortmund eine Woche später folgt. Das Regie-Team um Aron Stiehl lässt sich in seiner Inszenierung wohl von Goethes Vorspiel auf dem Theater und dem Prolog im Himmel inspirieren. So wird die Bühne von einer riesigen Wand beherrscht, die in dunklem Blau das Weltall darstellen soll. In der Mitte befindet sich eine relativ kleine Guckkastenbühne, die durch zwei Theatermasken angedeutet wird. Die folgende Handlung findet fast ausschließlich auf dieser kleinen Bühne statt, die für die weiter seitlich sitzenden Zuschauer zumindest im hinteren Bereich schlecht einsehbar ist. Der Chor erscheint meistens durch Klappen in der großen Wand und betrachtet wie aus Fenstern das Geschehen. Zu Beginn tritt Méphistophélès in einem glitzernden Anzug wie eine Art Conferencier aus dem Zuschauerraum auf, reißt den blauen Sternenhimmel von der Guckkastenbühne und gibt das Zeichen für den Beginn der Ouvertüre. Warum er neben den beiden angedeuteten Teufelshörnern zahlreiche brüchige Hautstellen auf dem Kopf und an den Armen hat, wird nicht ganz klar. Ansonsten setzt Dietlind Konold mit den ständig wechselnden Kostümen für den Teufel fantasievolle und farbenfrohe Akzente.

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Méphistophélès (Gregor Dalal, vorne links) sorgt bei Valentin (Filippo Bettoschi, mit Schwert), Siébel (Lisa Wedekind, links daneben), Wagner (Plamen Hidjov, rechts daneben) und dem Volk (Chor) für Unbehagen.

Zu Beginn des ersten Aktes sieht man den alten Faust in seinem Studierzimmer, das von zahlreichen altern Büchern eingerahmt ist. Paul O'Neill, der die Partie des Faust vor zwei Spielzeiten im Theater Hagen mit großem Erfolg interpretiert hat, erweist sich auch in Münster als Glücksgriff. Schon beim ersten "Rien" und der folgenden Suche nach dem Sinn seines bisherigen Strebens begeistert O'Neill mit lyrischem Schmelz und singt die Höhen sauber und geschmeidig aus, ohne dabei zu forcieren. Méphistophélès tritt als eine Art Handlungsreisender auf, der aus seinem Koffer zunächst Ruhm, Reichtum und Macht anpreist, um Faust zum Pakt zu verführen. Doch erst das Bild der schönen Marguerite, die in keuschem Schwarz-Weiß über die Bühne wandelt, und eine Dose mit Pillen können Faust verleiten, mit dem Teufel wirklich ein Bündnis einzugehen. Im weiteren Verlauf ist es immer wieder diese Pillendose, die Méphistophélès benutzt, um den hadernden und schwächelnden Faust bei Laune zu halten. Die "Verjüngungskur" scheint also nur durch eine Art Droge suggeriert worden zu sein. Während Gregor Dalal als Méphistophélès mit kräftigem Bariton und diabolischem Spiel punktet, kann der von Inna Batyuk einstudierte Chor beim ersten Auftritt noch nicht richtig überzeugen. Wenn die Mitglieder des Chors zu Beginn des zweiten Aktes - in der Inhaltsangabe im Programmheft werden die beiden Akte zu einem Akt zusammengefasst - als leicht alkoholisierte Bürgerinnen und Bürger in den Klappen der Sternenwand erscheint, sind sie mit dem Orchester nicht immer im Takt. Da helfen auch die holzschnittartigen Bewegungen nichts. Ihre Gesichter sind clownesk geschminkt, was sie in ihrer ganzen Art an Kasperle-Figuren erinnern lässt.

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Faust (Paul O'Neill) und Marguerite (Henrike Jacob) knüpfen erste zarte Liebesbande.

Musikalisch eindrucksvoll gelingt dann Filippo Bettoschis Auftritt als Valentin. Seine berühmte Arie im zweiten Akt "Avant de quitter ces lieux", mit der er Abschied von seiner Schwester nimmt, um in den Krieg zu ziehen, avanciert zu einem musikalischen Höhepunkt des Abends, da Bettoschis Bariton neben einer soliden Mittellage auch über kräftige Höhen verfügt. Gleiches gilt für Méphistophélès' berühmtes Rondo vom goldenen Kalb, "Le veau d'or", das sich an Valentins Arie anschließt. Hier entfacht Dalal mit markanten Höhen ein regelrechtes Höllenfeuerwerk. Wieso nun im weiteren Verlauf des Abends eine Dame des Chors dazu verdammt ist, mit leicht missmutiger Miene an einer Klappe der Bühnenwand zu stehen und einen Schal zu stricken, der am Ende des Abends fast bis zum Boden reicht, wird nicht ganz klar. Zuerst denkt man, es könne sich vielleicht um Marguerites Nachbarin Marthe handeln, da sie optisch auch eine leichte Ähnlichkeit zu dieser Figur besitzt. Das erweist sich allerdings als Trugschluss. Stört es während der ganzen Liebesszene zwischen Faust und Marguerite nur am Rande, wirkt es bei der Walpurgisnacht, bei der der Chor dann auch einmal vor die Wand treten darf, sehr unpassend, zumal sie strickend auch noch den Text mitsingt.

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Faust (Paul O'Neill, hinten rechts) muss erkennen, dass er Marguerite (Henrike Jacob) nicht mehr retten kann (vorne links: Méphistophélès (Gregor Dalal)).

Unklar bleibt auch die Miniaturbühne, die Méphistophélès Faust zu Beginn überreicht und die zunächst einen Baum enthält. Soll dies der Baum sein, der vor Marguerites Haus steht und am Ende in der Kerkerszene alle Blätter verloren hat? Zu diesem Zeitpunkt befindet sich nämlich in der Miniaturbühne kein Baum mehr, sondern ein Tempel, vielleicht als Versuch Méphistophélès' Faust nun auf andere Wege zu führen. Henrike Jacob gestaltet die Partie der Marguerite mit mädchenhaftem Charme. Ihr Sopran verfügt über saubere Höhen, wobei ihr in der berühmten Juwelen-Arie in den Läufen noch ein wenig die Leichtigkeit fehlt. Stiehl setzt hier Méphistophélès erneut als Strippenzieher ein, der in Marguerite die Begeisterung für den Schmuck und die eigene Eitelkeit weckt. Auch wenn Faust Marguerite am Ende aus dem Kerker befreien will, ist es der Teufel, zu dem Marguerite strebt. Dabei scheint sie Faust gar nicht wahrzunehmen. Auch die Szene, in der Marguerite von der Umwelt geächtet wird und bei Méphistophélès als falschem Kardinal Gnade ersucht, wird von Stiehl mit überzeugender Personenregie umgesetzt. Lisa Wedekind gefällt als Siébel mit warmem Mezzo und schwärmerischem Spiel. Suzanne McLeod verleiht der Figur der Marthe im Zusammenspiel mit Dalal die der Rolle angemessene Komik und erschüttert durch ihre Härte, mit der auch sie sich am Ende von Marguerite abwendet. Stefan Veselka rundet mit dem Sinfonieorchester Münster den Abend mit lyrischem Klang ab, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Sieht man von kleineren Ungereimtheiten in der Regie ab, gelingt dem Theater Münster ein solider Saisonauftakt, der dem Stück gerecht wird, mehr aber auch nicht.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Veselka

Inszenierung
Aron Stiehl

Bühne und Kostüme
Dietlind Konold

Choreinstudierung
Inna Batyuk

Dramaturgie
Jens Ponath

 

Opern- und Extrachor des
Theaters Münster

Statisterie des Theaters Münsters

Sinfonieorchester Münster

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Faust
Paul O'Neill

Méphistophélès
Gregor Dalal

Marguerite
*Henrike Jacob /
Sara Rossi Daldoss

Valentin
Filippo Bettoschi

Siébel
Lisa Wedekind

Marthe
Suzanne McLeod

Wagner
Plamen Hidjov


Weitere
Informationen

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Theater Münster
(Homepage)



Da capo al Fine

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