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Wagner als
Barbier
Peter Cornelius gilt als wichtiges Bindeglied zwischen der
traditionellen deutschen Spieloper eines Albert Lortzing und den Musikdramen
Richard Wagners, und obwohl sein Barbier von Bagdad bei der Uraufführung
am 15. Dezember 1856 in Weimar ein Misserfolg wurde, der sogar zur Entlassung
von Franz Liszt, dem damaligen Operndirektor und Hofkapellmeister, führte,
entwickelte sich das Werk nach Cornelius' Tod unter anderem durch Umarbeitungen
von Felix Mottl und Hermann Levi zu einer der bedeutendsten komischen Opern des
19. Jahrhunderts. Für namhafte Tenöre wie Rudolf Schock und Fritz Wunderlich
gehörte die Tenorpartie des Nureddin zu den absoluten Paraderollen, und so
zählte das Werk bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts eigentlich zum
Standardrepertoire der deutschen Opernhäuser. Danach wurde es allmählich still
um den Barbier, und das Stück verschwand von den Spielplänen. Heute
verbindet man mit dem "Barbier" in der Regel nur noch Rossinis Namensvetter aus
Sevilla. Die Wuppertaler Bühnen, die in der ersten Spielzeit unter der Intendanz
von Berthold Schneider ein breites Spektrum aus bekannten und unbekannten Werken
präsentiert haben, setzen zum Abschluss der Saison nun Cornelius' "Meisterwerk"
auf den Spielplan. Allerdings gibt es nur zwei konzertante Aufführungen,
angeblich weil wegen Belegung der Spielstätte durch das Tanztheater Pina Bausch
nicht genügend Probezeiten für eine szenische Erarbeitung zur Verfügung
gestanden hätten. Leider gelingt es nicht, mit dieser Aktion großes
Publikumsinteresse zu wecken, denn schon bei der zweiten Aufführung bleiben im
Saal zahlreiche Plätze leer. Bostana (Stefanie Schaefer)
will dem liebeskranken Nureddin (Sangmin Jeon) zu einem Treffen mit Margiana
verhelfen. Die Handlung basiert auf der "Geschichte des Schneiders", der
34. Erzählung aus Tausendundeiner Nacht. Nureddin, ein junger Mann, ist
an schwerem Liebeskummer erkrankt. Er hat nämlich Margiana, die schöne Tochter
des Kadis Baba Mustapha, beim Blumengießen am Fenster gesehen und verzehrt sich
seitdem in Liebe zu ihr. Sein Zustand bessert sich sofort, als Margianas
Vertraute Bostana erscheint und ihm ein Rendezvous mit der Angebeteten in
Aussicht stellt. Allerdings rät sie ihm, sich vorher rasieren zu lassen, um bei
der jungen Frau auch einen guten Eindruck zu hinterlassen. Der herbeigerufene
Barbier Abdul Hassan Ali Ebn Bekar ist jedoch nicht nur ein einfacher Barbier,
sondern auch als Wahrsager tätig und rät Nureddin dringend davon ab, das Haus zu
verlassen. Da Nureddin dem Gerede des Barbiers keinen Glauben schenkt, folgt
Abdul Hassan dem jungen Mann, um ihn vor seinem Unglück zu bewahren. Im Hause
des Kadis herrscht derweil große Freude. Mustapha wartet auf seinen Jugendfreund
Selim, der Margiana heiraten möchte und bereits eine große Schatzkiste für seine
zukünftige Braut geschickt hat. Margiana fiebert dem Treffen mit Nureddin
entgegen, der zu ihr kommen soll, wenn sich der Kadi in die Moschee begeben hat.
Es kommt zu einem Liebestreffen, das aber von der frühzeitigen und unerwarteten
Rückkehr Mustaphas jäh unterbrochen wird. Nureddin versteckt sich in der
Schatzkiste. Da der Barbier jedoch glaubt, dass Mustapha den jungen Mann getötet
und den Leichnam in der Schatzkiste versteckt habe, dringt er mit allerlei Volk
in das Haus des Kadis ein, um die Schatzkiste mitzunehmen. Die Aufregung ruft
schließlich auch den Kalifen auf den Plan, der eine Aufklärung verlangt. Als
Margiana die Kiste öffnet, findet man dort einen scheinbar leblosen Nureddin,
dessen Lebensgeister erst durch Margianas Stimme wieder geweckt werden. Der
Kalif ordnet an, dass die beiden vermählt werden sollen, und nimmt den Barbier
als Geschichtenerzähler in seine Dienste. Der Barbier Abdul Hassan Ali Ebn
Bekar (Randall Jakobsh) als Richard Wagner Auch wenn das Sinfonieorchester Wuppertal für diese
konzertante Aufführung auf der Bühne platziert ist und die Solisten die Partien
vom Blatt absingen, werden einzelne szenische Elemente eingebaut, um die Komik
des Stückes hervorzuheben. So tritt Nureddin zu Beginn leicht verlottert mit
Dreitagebart auf, was Bostanas Rat, vor dem Rendezvous einen Barbier
aufzusuchen, gut nachvollziehbar macht. Während Margiana und Bostana in
orientalisch angehauchten Kostümen erscheinen, ist der Barbier eine Kopie von
Richard Wagner höchstpersönlich. Begründet wird dieser Einfall damit, dass
Cornelius' Barbier als Persiflage auf das "Universalgenie" Wagner
betrachtet wird. Gerade in seiner vor Eigenlob strotzenden Arie im ersten Akt,
"Bin Akademiker, Doktor und Chemiker", sollen zahlreiche Parallelen erkennbar
sein, wenn er seine vielen Talente im Bereich der Philosophie und Literatur
herausstellt und sich dabei als "tief theoretisches, musterhaft praktisches,
audodidaktisches Gesamtgenie" beschreibt. Da ist es natürlich konsequent, den
Kalifen als König Ludwig II. von Bayern auftreten zu lassen, der am Ende des
Stückes den Barbier in seine Dienste nimmt. Für den Opernchor, der um den
Extrachor und den Herrenchor der Wuppertaler Kurrende ergänzt wird, ist es ein
bisschen zu eng auf der Bühne, so dass die Frauen auf den linken Seitenrängen
und einige Herren beim Schlussbild auf den rechten Seitenrängen auftreten. Margiana (Ralitsa Ralinova,
rechts) erwartet mit Bostana (Stefanie Schaefer, links) ungeduldig auf Nureddins
Ankunft. Auch die Schatzkiste, in der sich Nureddin im zweiten Akt vor
dem zu früh heimkehrenden Kadi verstecken muss, darf natürlich nicht fehlen. Sie
ist auch so groß gestaltet, dass Nureddin problemlos hineinsteigen kann.
Allerdings beschließt Sangmin Jeon, nicht bis zu seinem nächsten Auftritt in der
Kiste zu verweilen, sondern schleicht sich durch eine Öffnung auf der Rückseite
von der Bühne, was im Publikum für leichtes Schmunzeln sorgt. Durch diese
Entscheidung geht nur die Illusion bei der Öffnung der Schatzkiste verloren,
wenn alle entsetzt auf den leblosen Nureddin starren und dieser kurz vor seiner
"Erweckung" erst wieder in die Kiste krabbelt. Gut gelöst ist hingegen der
Einfall, die rufenden Muezzine an unterschiedlichen Stellen im Parkett und
hinter der Bühne zu platzieren, so dass ihr Ruf zum Gebet wie aus weiter Ferne
klingt. Auch der Barbier wacht hinter dem Orchester, wenn Nureddin und Margiana
sich ihren romantischen Liebesbekundungen hingeben. Der vom Kadi misshandelte
Sklave lässt seine Schreie vom rechten Seitenrang ertönen, so dass es für den im
Hintergrund platzierten Barbier durchaus glaubhaft ist, dass die Schreie aus dem
Haus kommen könnten, und er deshalb um Nureddins Wohlergehen fürchtet. Der Kalif (Simon Stricker,
links) stellt den Barbier (Randall Jakobsh, Mitte) als Geschichtenerzähler ein
(im Hintergrund: Herrenchor der Wuppertaler Kurrende). Musikalisch klingt Cornelius' Stil einerseits schlicht und
volksliedhaft mit unterhaltsamen, jedoch nicht direkt eingängigen Melodien und
nähert sich andererseits bereits Wagners hehrer Musiksprache an. Johannes Pell
changiert mit dem Sinfonieorchester Wuppertal geschickt zwischen diesen beiden
Polen. Mit Sangmin Jeon hat man einen vielversprechenden jungen Tenor im
Ensemble, der nach seinem großartigen Erfolg als Herzog von Mantua in Verdis
Rigoletto auch als Nureddin mit tenoralem Schmelz glänzt. Die Höhen singt
Jeon sauber aus und überzeugt als liebeskranker junger Mann im ersten Akt auf
ganzer Linie. Im Zusammenspiel mit Ralitsa Ralinova als Margiana präsentiert er
sich im zweiten Akt wunderbar schüchtern, wobei die Stimmen der beiden in ihrem
großen Duett im zweiten Akt sehr gut miteinander harmonieren. Ralinova
begeistert mit mädchenhaftem Sopran, der in den Höhen eine enorme Leichtigkeit
versprüht. Große Komik entfaltet Stefanie Schaefer, die vielen sicherlich noch
als ehemaliges Ensemble-Mitglied in guter Erinnerung ist. Als Margianas
Vertraute Bostana überzeugt Schaefer mit großartiger Mimik und pfiffigem Spiel
und legt die Partie mit einem warmen Mezzo an. Etwas blass hingegen bleibt Mark
Bowman-Hester als Kadi Baba Mustapha. Sein leichter Spieltenor ist stellenweise
ein bisschen zu dünn und schneidend für die Partie. Randall Jakobsh glänzt in
der Titelpartie mit großem Spielwitz und einem beweglichen Buffo-Bass.
Hervorzuheben ist seine überzeugend angelegte Auftrittsarie im ersten Akt, auch
wenn der Bezug zu Richard Wagner sich nicht wirklich erschließt. Simon Stricker
rundet als Kalif das Solisten-Ensemble mit kräftigem Bariton ab, so dass es am
Ende großen Beifall für alle Beteiligten gibt.
FAZIT
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Produktionsteam
Musikalische Leitung Choreinstudierung Szenische Einrichtung
Sinfonieorchester Wuppertal Opern- und Extrachor der
Herrenchor der SolistenDer Kalif Baba Mustapha, ein Kadi Margiana,
seine Tochter Bostana, eine Verwandte Baba
Mustaphas Nureddin Abdul Hassan Ali
Ebn Bekar, der Barbier Erster Muezzin
Zweiter Muezzin Dritter Muezzin / Sklave
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- Fine -