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Musiktheater
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Die Liebe zu den drei Orangen

Oper in vier Akten und einem Prolog
Dichtung vom Komponisten nach Carlo Gozzi
Deutsche Textfassung von Werner Hintze
Musik von Sergej Prokofjew

In deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 20' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 29. Oktober 2016
(rezensierte Aufführung: 30.11.2016)


Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Alles nur ein Spiel


Von Thomas Molke / Fotos: © Uwe Stratmann

Sergej Prokofjews Die Liebe zu den drei Orangen zählt zumindest in Westeuropa zu seinen bekanntesten Werken. Großer Popularität erfreut sich vor allem der berühmte Marsch aus dem zweiten Akt, der sich durch das ganze Stück zieht, und in seiner Eingängigkeit mit Prokofjews Peter und der Wolf zu vergleichen ist. Da Peter und der Wolf nahezu jedem Kind im Lauf seiner Schulzeit im Musikunterricht begegnet, hat man sich in Wuppertal wohl entschieden, Prokofjews drei Orangen nun als Oper für die ganze Familie herauszubringen. Deswegen spielt man eine deutsche Textfassung von Werner Hintze. Ob man damit die Oper familientauglich macht, ist allerdings fraglich. Dafür ist die "märchenhafte" Handlung für Kinder eigentlich viel zu grotesk und unverständlich. So konnte man in eine eigens eingerichtete Vormittagsvorstellung in der Woche kurz nach der Premiere kaum Schulklassen locken, und auch die dritte Aufführung am Mittwochabend war insgesamt nicht so stark besucht, dass man sich genötigt gesehen hätte, die Garderoben auf beiden Seiten des Parketts zu öffnen. Da nützt es auch nichts, wenn bereits vor der Vorstellung im Foyer der oben erwähnte Marsch als Dauerschleife läuft.

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Die Hohlköpfe (Chor) am Bett des kranken Prinzen (Sangmin Jeon)

Die Geschichte geht auf eine Fabel aus der Märchensammlung Pentameron von Giambattista Basile aus dem 17. Jahrhundert zurück. Carlo Gozzi griff diese Geschichte ein Jahrhundert später auf und schuf daraus seine Komödie Die Liebe zu den drei Pomeranzen. Während er als Metaebene ein Streitgespräch mit seinem literarischen Kontrahenten Carlo Goldoni einführte, der im Gegensatz zu Gozzi statt der Commedia dell' arte einen natürlicheren Zugang zum Theaterspiel forderte, ging Wsewolod E. Meyerhold zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch einen Schritt weiter, indem er die Positionen von Gozzi und Goldoni von einem Tragiker und einem Komiker diskutieren ließ. Aus den drei Pomeranzen wurden die drei Orangen. Da für Meyerhold der Kern des Stückes in der Auseinandersetzung um den "wahren Theaterstil" bestand, brachte er auch in den Jahren 1914 bis 1916 eine gleichnamige Theaterzeitschrift heraus, wodurch wiederum Prokofjew auf den Stoff aufmerksam wurde und die Idee entwickelte, die Geschichte als Oper zu vertonen. Im Prolog geht Prokofjew dabei sogar noch einen Schritt weiter und lässt nun die Tragischen, Komischen, Lyrischen und Hohlköpfe über das zu zeigende Bühnenstück streiten. Durchsetzen können sich am Ende die Lächerlichen mit der Liebe zu den drei Orangen.

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Clarice (Catriona Morison) und Leander (Simon Stricker, vorne) wollen den Prinzen (Sangmin Jeon, im Hintergrund) beseitigen.

Sebastian Welker lässt den Opern- und Extrachor in den vier Gruppen bereits vor der Vorstellung im Foyer auftreten. Das ist in Wuppertal nichts Neues, hatte man es doch schon in der letzten Premiere von Hoffmanns Erzählungen praktiziert. Auch wenn die Idee nicht schlecht ist, muss man schon darauf achten, dass sich der Gag nicht abnutzt. Doey Lüthi hat für den Chor sehr fantasievolle Kostüme entworfen, so dass sich die vier Gruppen eindeutig zuordnen lassen. Bezeichnend ist, dass die Hohlköpfe alle mit einem Handy durch das Foyer laufen und zahlreiche Selfies von sich mit den Zuschauern machen. Wenn es dann kurz vor Beginn in den Zuschauerraum geht, sorgt der Chor von den Rängen mit Konfetti für Partystimmung, bevor dann im Prolog die eigentliche Auseinandersetzung beginnt. Das Bühnenbild von Rifail Ajdarpasic besteht aus riesigen Buchstaben, die zusammengesetzt "Hahaha" ergeben. Es soll also gelacht werden. Das an ein Ausrufezeichen erinnernde Element vor dem Vorhang mag diese Aufforderung noch unterstützen. So platt wie dieser Einfall ist dann allerdings auch der Humor, der auf der Bühne verbreitet wird.

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Tschelio (Lucia Lucas, im mittleren Liegestuhl) weist dem Prinzen (Sangmin Jeon, rechts) und Truffaldino (Mark Bowman-Hester, im linken Liegestuhl) den Weg zu den drei Orangen (hinter den Stühlen: Smeraldina (Nina Koufochristou), links: Farfarello (Vikrant Subramanian)).

Warum der König des nicht näher bestimmten Königreiches Kreuz König heißt und nicht König Treff, obwohl die Inszenierung anders als in Essen vor einem Jahr, gar keinen Bezug zu Spielkarten aufbaut, erschließt sich nicht. Der intrigante Leander und die durchtriebene Prinzessin Clarice hausen in einem Wohnwagen im Hintergrund, von wo aus sie ihre Ränke schmieden, um die Herrschaft im Königreich zu übernehmen. Smeraldina tritt als Krankenschwester auf, die schon vor der Suche nach den drei Orangen dem Prinzen näherzukommen scheint. Das Aufeinandertreffen von Tschelio und Fata Morgana entpuppt sich als eine Art Divenstreit, da beide mit ihrem Auftritt den an schweren Depressionen leidenden Prinzen zum Lachen bringen sollen. Man scheint sich mit dem Engagement der Baritonistin Lucia Lucas verpflichtet zu fühlen, ihr auch weibliche Partien zu geben. Leider geht dieser Versuch beim Magier Tschelio genauso wenig auf wie in Hoffmanns Erzählungen. Vielleicht wäre die Partie der Köchin für Lucas passender gewesen. Ob die Tatsache, dass Truffaldino Fata Morgana bei ihrem Auftritt mit Spaghetti überschüttet, "ungewollt komisch" ist und damit den Prinzen zum Lachen bringen kann, ist ebenfalls diskutabel und bewegt sich auf dem Niveau von Privatsendern wie RTL 2.

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Truffaldino (Mark Bowman-Hester mit Smeraldina (Nina Koufochristou)) hat die erste Orange (Katrin-Heli Natalicio) geöffnet.

Auch die märchenhaften Elemente, die dem grotesken Stück noch einen familientauglichen Charakter geben könnten, verweigert Welker in seiner Inszenierung. Sebastian Campione als Kreuz König und Köchin auftreten zu lassen, lässt sich zwar als psychologischer Einfall betrachten, da letztendlich beide Figuren eine Bedrohung für den Prinzen darstellen. Die Köchin ist für den Prinzen gefährlich, weil sie ihn bei dem Versuch, die drei Orangen zu stehlen, erschlagen will. Der König hindert den Prinzen an seiner freien Entfaltung, vor allem, wenn er ihn am Ende zwingen will, die falsche Braut, Smeraldina, zu heiraten. Doch für die Jagd der Köchin auf Truffaldino und den Prinzen überträgt die Inszenierung das Bühnenbild auf eine Torte, die die Köchin auf einem Teewagen vor sich herschiebt und auf der die gleichen Buchstaben angebracht sind wie auf der Bühne. Die Köchin konzentriert sich nur auf die Torte, während Truffaldino sie mit einem imaginären Bändchen ablenkt und der Prinz die drei Orangen aus einem Nest auf dem Teewagen raubt. Die drei Prinzessinnen, die den Orangen entsteigen, kommen aus dem Wohnwagen im Hintergrund und tragen die weißen Kostüme der Lyrischen aus dem Prolog. Auch das Tod findet auf der Bühne nicht statt. Als die beiden verdursteten Prinzessinnen von der Bühne getragen werden sollen, erheben sie sich quicklebendig wieder. Es ist alles nur ein Spiel.

Musikalisch präsentiert sich das Wuppertaler Ensemble auf gutem Niveau. Ralitsa Ralinova überzeugt als Prinzessin Ninetta mit mädchenhaftem Sopran, auch wenn ihre Verwandlung in eine Ratte szenisch nicht ganz klar wird. Sebastian Campione punktet als König und Köchin mit dunklem Bass. Lucia Lucas stattet den Magier Tschelio mit kräftigem Bariton aus, auch wenn im Text nicht deutlich wird, wieso der Zauberer eine Frau sein soll. Wenn Tschelio den Teufel Farfarello herbeiruft, wird das von Lucas und Vikrant Subramanian als Farfarello zwar musikalisch düster umgesetzt, verliert allerdings in Welkers Regie-Ansatz an Bedrohlichkeit. Mark Bowman-Hester stattet Truffaldino mit leichtem Spieltenor aus. Catriona Morison und Simon Stricker bleiben als Intrigantenpaar Clarice und Leander etwas blass. Stars des Abends sind der Tenor Sangmin Jeon als Prinz und Chariklia Mavropoulou als Fata Morgana. Jeons Tenor verfügt in den Höhen über enorme Strahlkraft, und Mavropoulou begeistert mit dramatischem Sopran. Der von Markus Baisch einstudierte Chor zeigt sich spielfreudig, und das Sinfonieorchester Wuppertal rundet unter der Leitung von Michael Cook den Abend musikalisch überzeugend ab, so dass es für alle Beteiligten großen Applaus gibt.

FAZIT

Sebastian Welker relativ abstrakter Ansatz ist nicht gerade förderlich, Prokofjews groteske Oper als Oper für die ganze Familie zu verkaufen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Johannes Pell /
*Michael Cook

Inszenierung
Sebastian Welker

Bühne
Rifail Ajdarpasic

Kostüme
Doey Lüthi

Choreographie
Amy Share-Kissiov

Chor
Markus Baisch

Dramaturgie
Jana Beckmann

 

Sinfonieorchester Wuppertal

Opernchor und Extrachor der
Wuppertaler Bühnen


Solisten

Kreuz König
Sebastian Campione

Prinz
Sangmin Jeon

Prinzessin Clarice
Catriona Morison

Leander
Simon Stricker

Truffaldino
Mark Bowman-Hester

Pantalone / Farfarello
Vikrant Subramanian

Tschelio
Lucia Lucas

Fata Morgana
Chariklia Mavropoulou

Linetta
Katrin-Heli Natalicio

Nicoletta
Hong-Ae Kim

Ninetta
Ralitsa Ralinova

Köchin
Sebastian Campione

Herold
Vikrant Subramanian

Smeraldina
Nina Koufochristou

Zeremonienmeister
Marco Agostini

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



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