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Musiktheater
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Orest

Musiktheater
Text und Musik von Manfred Trojahn


In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 20' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Zürich am 26. Februar 2017


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Opernhaus Zürich
(Homepage)
Vom Täter zum Rebellen

Von Roberto Becker / Fotos © Hans Jörg Michel


Hochspannung auf der Bühne und im Graben. Ein gellender Schrei, dann grassierende Archaik. Dabei ist es nicht mal die Elektra von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal. Sondern der über 100 Jahre jüngere Orest von Manfred Trojahn. Aber der erinnert nicht von ungefähr an das "Schwester"-Werk. Was Trojahn gedichtet und komponiert hat, ist eine Fortsetzung der Racheorgie, mit der vor rund 100 Jahren das kongeniale Duo an die Grenze dessen gegangen war, was ihm machbar schien. Danach kam der Rosenkavalier. Trojahn ist durchaus ein Nachfahre im Geiste. Von beiden. Er steht für die Dichtung (das selbst verfasste Libretto kann man hier wirklich mal so nennen) und für die Musik seines Orest. 2011 wurde das Werk in Amsterdam in der Regie von Katie Mitchell in einem ihrer bewährten (Alp-)Traumhäuser überaus erfolgreich uraufgeführt. Enrico Lübbe testete ihn in Hannover als postkatastrophische Endzeitstory. Auch in Wien wurde das Werk schon nachgespielt. Nun also die Schweizer Erstaufführung an der Oper in Zürich.

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Orest von den Dämonen der Erinnerung verfolgt

Der längst in der klassischen, aber kein bisschen langweilenden Spätphase seines Werkes angekommene Regiealtmeister Hans Neuenfels richtet dort den Scheinwerferspot seiner Aufmerksamkeit auf die Psyche des exemplarischen Muttermörders. Der wird von ihm nicht nur als Werkzeug der Götter (sprich seiner internalisierten Zwänge) gezeigt, sondern auch als Bruder einer ziemlich fundamentalistisch aus der Bahn geworfenen Schwester. Er wird von der durch seine Alpträume geisternden Mutter, die wie ein Schlossgespenst hinter der Wand seiner Klause lauert, und ihrem Liebhaber gepeinigt. Dieser Orest findet aber dennoch die Kraft zur Revolte gegen Gott, Überlieferung und Einflüsterung. Für die Aufgabe, all das glaubhaft darzustellen, hat der Wiener Bariton Georg Nigl genau das erforderliche vokale und gestalterische Format.

Vergrößerung in neuem Fenster Helena ist an allem Schuld, Elektra (rechts) will Rache

Alles in einem beklemmenden Raum, den Katrin Connan mit geometrisch gemusterten Wänden versehen hat. Die verschwimmen gleich am Anfang durch projizierte Überblendungen, als würde der auf ein Krankenbett gebannte Orest sie wie im Drogenrausch wahrnehmen. Wenn sich hier die Rückwand öffnet, dann ist das nicht der Weg ins Offene, Freie. Hier taucht Klytämnestra im Gespensteroutfit auf. Oder ein gut mit scheintoten Kriegern gefülltes, metallisch glänzendes Trojanisches Pferd. Oder es krabbelt eine Wunderzikade mit einem menschlichen Doppelkopf surreal über die Bühne. Dazwischen immer wieder der Gott, der zwischen Apollo und Dionysos changiert. Airam Hernandes singt beide fulminant. Dabei hat er Aktenkoffer und Hütchen. Wenn nötig einen goldenen Phallus und Lorbeerkranz. Was man als Gott halt so braucht, um die Menschenkinder auf Erden einzuwickeln.

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Die Griechen im berühmtesten Pferd der Antike

Das Auftauchen der attraktiven Helena freilich lässt die Geschichte kippen. Claudia Boyle ist zunächst in einen Prachtmantel gehüllt, der wie aus dem Firmament gefertigt scheint, dann eine flotte Domina. Dieses Supergirl der Antike ist Kriegsgrund (Troja), die personifizierte Versuchung für die Männerwelt, Hassobjekt für Elektra. Die bringt ihren Bruder immerhin dazu, seinen vom Gott geführten Rachedolch in den schönen Leib von Menelaos' (in fürstlichem Ornat: Raymond Very) Frau zu stoßen. Obwohl er da schon erkennbar zögert. Doch Elektras Aufforderung, auch noch die unschuldige Tochter Hermione (glockenklar und zart: Claire de Sévigné) zu ermorden, der folgt er nicht mehr. Hier rebellierte er. Gegen die Schwester und gegen den Gott Apollo. Und damit auch gegen das Verhängnis des Tötens. Was ja eine ziemlich menschenfreundliche, wenngleich auch nicht sehr realistische Wende ist. Einmal hatte sich der Regisseur vorher in seiner üblichen Art direkt via Leuchtschrift mit der Frage "Was werden wir tun, wenn es am Himmel keine Sterne und keine Götter mehr gibt?" eingemischt. Und diese Antwort vorbereitet?

Vergrößerung in neuem Fenster Der Gott mit der doppelten Natur

Auf dem Weg dahin wird schwerwiegend Grundsätzliches diskutiert. So wartet Elektra mit der These auf: "Der auf der Seite des Rechtes steht, kann kein Schuldiger sein". Mag sein, doch dahinter steht gleich die Frage nach der moralischen Legitimation des Rechtes. Die in Zeiten des Kampfes zwischen Matriarchat und Patriarchat tatsächlich brisant und gar nicht so eindeutig zu beantworten ist.

In Zürich ist ein Gesamtkunstwerk gelungen, bei dem sich eine altmeisterliche Regie dem Kern der Geschichte nähert, eine Symbiose mit der Musik eingeht und das Werk selbst in seiner Eingebundenheit in einer großen Tradition leuchten lässt. Mit mustergültiger Textverständlichkeit. Was nur möglich ist, weil der Basler Musikdirektor Erik Nielsen am Pult der Philharmonia Zürich mit großer Umsicht und Präzision zu Werke geht und die Musiker ihm willig folgten. Es gab stürmischen Applaus für alle Akteure und für den sichtlich zufriedenen Komponisten.


FAZIT

Die vierte szenische Interpretation von Manfred Trojahns Orest ist in Zürich mustergültig über die Bühne gegangen! Eine starke Produktion eines Starken Stückes.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Erik Nielsen

Inszenierung
Hans Neuenfels

Mitarbeit Regie
Philipp Lossau

Bühne und Video
Katrin Connan

Kostüme
Andrea Schmidt-Futterer

Licht
Franck Evin

Chor
Ernst Raffelsberger

Dramaturgie
Fabio Dietsche


Chor der Oper Zürich

Philharmonia Zürich


Solisten

Orest
Georg Nigl

Menelaos
Raymond Very

Apollo/Dionysos
Airam Hernandez

Hermione
Claire de Sévigné

Helena
Claudia Boyle

Elektra
Ruxandra Donose

Klytämnestra
Evelyn Angela Gugolz

Ägisth
Benjamin Mathis

Page
Frank Metzner

Solo-Heckelphon
Samuel Castro Bastos

Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Opernhaus Zürich
(Homepage)



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