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Musiktheater
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Linie 1

Musikalische Revue
Texte von Volker Ludwig, Projekt des Opernclubs "Tortugas"
Musik von
Birger Heymann

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (eine Pause)

Premiere in der Jungen Oper am 21. April 2018




Theater Dortmund
(Homepage)
Nostalgische Reise in die 80er Jahre

Von Thomas Molke / Fotos von Björn Hickmann (Stage Picture)

Seit über 30 Jahren feiert die Musicalrevue Linie 1 von Volker Ludwig und Birger Heymann nun schon weltweit Erfolge, gilt mittlerweile nach der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill als das erfolgreichste deutsche Musical und hat dem Berliner Kinder- und Jugendtheater GRIPS einen Kultstatus verliehen. Allein die Originalproduktion um das Mädchen aus der Provinz, das auf der Suche nach dem Märchenprinzen, dem Rockmusiker Johnnie, ins Berlin der 80er Jahre kommt, dort in der Linie 1, der ältesten U-Bahnstrecke Berlins, zwischen Ruhleben und Schlesischem Tor (Kreuzberg) auf ein Kaleidoskop von Großstadttypen trifft und mit ihrer Naivität Reaktionen auslöst, die ohne sie sonst nie geschehen wären, ist in Berlin über 1800 Mal aufgeführt worden und funktioniert auch nach dem Mauerfall, obwohl sich die politische Situation seitdem verändert hat. In Dortmund hat das Regie-Team um Alexander Becker nun dieses Stück als Projekt des Opernclubs "Tortugas" erarbeitet. Dafür hat man interessierte Jugendliche ab 14 Jahren zu einem Theater-Workshop eingeladen und anschließend ein junges Ensemble geformt, das gemeinsam mit Mitgliedern des Opernchores und weiteren Darstellern in einer neu eröffneten Spielstätte neben dem Schauspielhaus, der Jungen Oper, die Berliner U-Bahn Linie 1 durch Dortmund rollen lässt.

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Von der Provinz in die Großstadt: das Mädchen (Lilli Schnabel, links) mit Risi (Stefanie Gringersh, rechts)

Schon bevor das Publikum den Saal betritt, ist es im Stück angekommen. Der Platz vor dem Eingang ist als U-Bahnhaltestelle markiert, und einige Darsteller sprechen bereits in ihren Rollen die Zuschauer an. Da ist zum Beispiel die Obdachlose Lola (Sabine Flora), die versucht, eine Mark zu schnorren. Schlucki (Christian Harnisch) ist eher an Hochprozentigem interessiert. Zwei Schaffner gehen herum und bieten schwarzen Kaffee an. Wenn man dann den Saal betritt, macht man quasi eine Zeitreise. Das detailgetreue Bühnenbild von Dorothee Schumacher fängt mit zahlreichen kleinen Requisiten das Flair der 80er Jahre ein. Selbst die Bild-Zeitung, die die Darsteller während des Stückes lesen, stammt vom 29. April 1986, dem Tag vor der Uraufführung des Stückes. Die Rückwand der U-Bahnstation lässt sich blitzschnell durch Drehen in ein Abteil verwandeln, und auch die Bude der Curry-Trude entsteht durch einige wenige Handgriffe. Das Orchester "Orange Groove", eine Band der Musikschule Dortmund, ist auf einem Podest auf der linken Bühnenseite untergebracht und sorgt unter der musikalischen Leitung von Andres Reukauf für einen frischen Sound, der den frechen Charakter der Songs wunderbar einfängt. Auch die Kostüme, für die ebenfalls Schumacher verantwortlich zeichnet, orientieren sich stark an den Modesünden der 80er Jahre.

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"Hey du, hey du!": Maria (Lisa Pauli, vorne) spricht in der U-Bahn das Mädchen (Lilli Schnabel, hinten) an (links: Dominik Wessoly und Christian Harnisch als schwules Paar).

In diesem Ambiente kann sich das durchweg spielfreudige Ensemble wunderbar austoben. Lilli Schnabel betritt als Mädchen gleich zu Beginn durch eine Hintertür den Raum und findet im Verlauf des Stückes im Gewimmel der U-Bahn ihren Weg. Dabei überzeugt sie nicht nur bei ihrem ersten Song "6 Uhr 14 Bahnhof Zoo" mit einer klar geführten Gesangsstimme, sondern spielt auch die anfängliche Unsicherheit des Mädchens, das von den skurrilen Typen der Großstadt völlig überfordert ist, wunderbar aus. Überzeugend gestaltet sie auch die Entwicklung des Mädchens im weiteren Verlauf des Stückes und findet am Ende nicht nur ihre Liebe, sondern auch noch zahlreiche Freunde in einer an sich anonymen und entfremdeten Gesellschaft. Maximilian Berns tritt als Junge im Mantel vermummt mit einer Kapuze auf, was ihm zunächst einen unheimlichen Charakter verleiht. Doch sehr schnell wird deutlich, welch weicher Kern hinter dieser zunächst unnahbar wirkenden Fassade steckt, so dass man sich freut, wenn er und das Mädchen am Ende zueinander finden. Perfekt wird das Happy End durch den Rentner Hermann (Georg Kirketerp) und die verträumte Maria (Lisa Pauli), die dem Mädchen versprechen, nach der Schwangerschaft für sie und ihr Baby da zu sein, damit sie oder der Junge einen Job suchen können. Kirketerp verleiht dem Rentner Hermann in dem bewegenden Song "Es ist herrlich zu leben" eine wunderbar positive Energie, wenn er sich trotz seiner Geldnot nicht unterkriegen lässt. Pauli glänzt vor allem in ihrer Auftrittsnummer "Du bist schön, auch wenn du weinst" durch eine großartige Stimme.

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Bambi (Dominik Wessoly, links) und Kleister (Felix Kriewald, Mitte) erklären dem Mädchen (Lilli Schnabel), was passiert, "wenn die dicke, fette Liebe erwacht".

Besondere Akzente setzen auch Dominik Wessoly als Bambi, Felix Kriewald als Kleister und Stefanie Gringersh unter anderem als Risi. Wessoly verleiht dem Gelegenheitsdealer Bambi einen besonderen Charme, der durchaus nachvollziehbar macht, dass das Mädchen bei ihm beinahe schwach wird. Aber letztendlich ist er genauso unzuverlässig wie der Rockmusiker Johnnie, was in Johnnies Song kurz vor Ende des Stückes deutlich wird, wenn Bambi gemeinsam mit Johnnie (Eteeyen Ita) um die Gunst des Mädchens buhlt und sie sich schließlich zu "Bitte halt mich fest" für den Jungen im Mantel entscheidet. Mit Kriewald als Kleister lässt Wessoly es in dem Song "Wenn die Liebe erwacht" richtig krachen und beweist aber auch schauspielerische Vielseitigkeit, wenn er knutschend mit Christian Harnisch als schwules Pärchen in der U-Bahn sitzt, was von den Ewig-Gestrigen (Sabine Flora und Thomas Holznienkemper) abfällig kommentiert wird. Gringersh gibt als Risi ein passendes verrücktes Pendant zu Bambi ab, so dass es nicht verwundert, dass sie am Ende, zumindest vorübergehend, ein Paar werden. Mit Lina Förster sorgt Gringersh für Stimmung in der U-Bahn. Eteeyen Ita zeigt sich ebenfalls sehr vielseitig. So überzeugt er nicht nur als selbstverliebter Rockstar Johnnie, dem am Ende sowohl das Mädchen als auch die Lady (Johanna Schoppa) den Laufpass geben, sondern sorgt auch als Mondo für eine gruselige Gänsehaut, wenn er versucht, sich das Mädchen mit KO-Tropfen gefügig zu machen. Dabei hat er auch noch mit dem jungen Vincenzo da Palma als Leichi großartige Unterstützung.

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Provokation in der U-Bahn: Risi (Stefanie Gringersh, Mitte hinten), Bisi (Lina Förster, links) und der Rentner (Thomas Holznienkemper)

Johanna Schoppa begeistert als extrovertierte Lady, die zwar offiziell mit Immobilien handelt, bei ihrem ersten frühmorgendlichen Auftritt aber wohl eher ein anderes Etablissement geleitet hat. Bei ihrem Song "Tag, ich hasse dich" präsentiert sich Schoppa als regelrechte Rockröhre und setzt auch als Wilmersdorfer Witwe gemeinsam mit Wessoly, Kirketerp und Holznienkemper Akzente. Susann Kalauka und Bjarne Gedrath geben ein wunderbar verkorkstes Paar ab, das sich eigentlich nichts mehr zu sagen hat und in der U-Bahn seine Streitigkeiten austrägt. Bewegend setzt Regisseur Alexander Becker auch Lumpis Selbstmord in Szene. Zur Melodie von "Bitte halt mich fest" sieht man die Darstellerin verrückt lachend über die Bühne vor eine Projektion wanken, die die Perspektive einer fahrenden U-Bahn zeigt. Dann entschwindet Lumpi durch die Tür, durch die das Mädchen zu Beginn aufgetreten ist, und kurz darauf hört man den Knall. Der Abend endet dann, wie er begonnen hat. Ein neues Mädchen betritt durch die Hintertür den Raum. Wird sie in der Berliner U-Bahn auch ihr Glück finden? Das Publikum zeigt sich restlos begeistert und spendet allen Beteiligten großen und verdienten Beifall.

FAZIT

Das Stück hat auch über 30 Jahre später nichts von seiner Frische eingebüßt, wenn es so liebevoll und spielfreudig in Szene gesetzt wird.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andres Reukauf

Regie
Alexander Becker

Bühne und Kostüme
Dorothee Schumacher

Choreographie
Giuseppe Ragona

Dramaturgie
Heike Buderus

 

"Orange Groove"
Band der Musikschule Dortmund

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Mädchen
*Lili Schnabel /
Celina Sedlatschek

Maria
Lisa Pauli

Lady / Kontrolleurin / Witwe
Johanna Schoppa

Hermann / Dieter / Witwe / Mücke
Georg Kirketerp

Bambi / Witwe / Tamile
Dominik Wessoly

Kleister / Anmacher / BVGler
Felix Kriewald

Johnnie / Passant / Kontrolleur / Mondo
Eteeyen Ita

Junge im Mantel / Sänger / Mann
Lennard Pannek /
*Maximilian Berns

Lola / Trude / Alte Frau
Sabine Flora

Erich / Tourist / Witwe
Thomas Holznienkemper

Schlucki / Mitfahrer / Arbeiter
Christian Harnisch

Sängerin / Passantin
Tao Peters

Chor und diverse Rollen
Pauline Axthelm
Lina Förster
Stefanie Gringersh
Lucina Güers
Jessica Hardes
Vincenzo da Palma
David Weiss

Gäste
Susann Kalauka
Bjarne Gedrath

U-Bahn-Stimme
Ekkehard Freye

 


Weitere
Informationen

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Theater Dortmund
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