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Der fliegende Holländer

Romantische Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache (keine Übertitel)

Aufführungsdauer: ca. 2h 20' (keine Pause)

Premiere im Theater Detmold am 8. September 2017


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Landestheater Detmold
(Homepage)
Richtig harte Seemänner gibt's nur im Kino

Von Stefan Schmöe / Fotos von Landestheater/Schomburg


Im Kino 1 läuft "Fluch der Meere". Besonders erfolgreich scheint der Streifen nicht zu sein, jedenfalls ist außer der jungen Frau, die offenbar täglich hierhin kommt, anschließend im Foyer einen Kaffee trinkt und ein Papierschiffchen bastelt, selten jemand da. Einmal sieht man einen jungen Mann aus dem Kinosaal kommen, er heißt offenbar Erik. Dann kommt ein versoffener Typ mit Kapitänsmütze, ein gewisser Daland. Der Mann an der Bar erinnert an Humphrey Bogart (er wird später die Partie des Steuermanns singen) Es ist eines dieser Kinos, die den Charme der 1950er-Jahre bewahrt haben; die Kostüme(Ausstattung: Petra Mollérus) deuten ebenfalls vage diese Epoche an, ohne sich genau festzulegen. Man geht offenbar hierhin, um mit der Einsamkeit fertig zu werden. Das Kino als Traumort. Wie wäre es nur, wenn einer der verwegenen Leinwandhelden lebendig würde?

Szenenfoto Jeden Tag im selben Film: Senta

Woody Allen hat das in The Purple Rose of Cairo 1985 durchgespielt, und Kay Metzger hat das bei seiner beziehungsreichen Inszenierung sicher im Hinterkopf. Er erzählt quasi filmisch, blendet immer wieder ab (dann geht das Licht auf der Bühne aus und blaues Licht scheint in den Zuschauerraum) und "schneidet" auf diese Weise eine Folge von Szenen, die einen ganz anderen Rhythmus haben als Wagners Oper - zwar brechen sie nicht die gesungenen Passagen auf, definieren aber eine ganz eigenen Zeitskala, weil zwischen zwei Szenen schon mal längere Zeiträume vergehen. Lebendig wird hier natürlich der Holländer (dafür zeigt das Filmplakat eine Leerstelle), der dann nicht am Strand, sondern an der Bar strandet. Noch so ein Einsamer auf der Suche nach ein bisschen Glück.

Szenenfoto

Dem Filmplakat entstiegen: Der Holländer

Vieles aus dem Libretto hat Metzger gestrichen. Kein Schiff, Seefahrerambiente, keine Spinnstube - Matrosen wie die Mädchen des Dorfes sind Kopien des Barmanns. Das Kinofoyer bleibt drei Akte lang der Rahmen. Ein sehr poetisches Bild hat Metzger für das Duett von Senta und Holländer gefunden, wenn er die beiden verloren im Raum miteinander tanzen lässt, ganz langsam. Einen krassen Gegenpol setzt er in der Chorszene im dritten Akt, immerhin die vielleicht großartigste, dramatischste Chorszene der Operngeschichte: Da sitzen Daland, Senta und der Holländer (dem Senta zuvor ein ausgesprochen häuslich wirkendes Strickjäckchen übergestreift hat) am Tisch sitzen und eine Runde "Mensch ärgere Dich nicht" spielen, unbeeindruckt von der Musik, die die geisterhaften Barmänner da singen ("Steuermannn, lass die Wacht"). Metzger erzählt die Geschichte nicht neu, er erzählt sie im Grunde gar nicht. Der fliegende Holländer läuft als Tonspur und Kopfkino, und davor setzt die Regie eine andere Schicht, die kammerspielartig von Träumen und Illusionen, Realität und Einbildung berichtet und gleichzeitig mit ziemlich viel Ironie die romantische Oper von der Metaebene aus betrachtet. Nicht zum ersten Mal wirft der Regisseur und Intendant einen Blick durch die deutsche Nachkriegsbrille auf Wagner - das hat er auch schon im Siegfried und zuletzt in den Meistersingern von Nürnberg getan, wo Evas Liebesglück sich zwischen allerlei modernen Haushaltsgeräten manifestierte. Hier hat Senta die Vision vom Familienglück unter der Stehlampe - und in einer kurzen Schrecksekunde wird sichtbar, dass der Mann, der sich hinter der Zeitung versteckt, womöglich doch Erik ist und nicht der Holländer. Oder eben ein zum Erik domestizierter Holländer.

Szenenfoto Daland und sein Steuermann

Metzger hält manche böse Pointe bereit. Senta träumt vor dem Plakat von "Fluch der Meere", der Holländer dagegen ganz ähnlich vor einem Plakat eines Films mit dem Titel "Ruf der Heimat" mit einem sehr deutschen Mädel. Da ahnt man: Das kann nicht gut gehen, wenn sie zur Piratenbraut und er zum häuslichen Familienvater mutiert und man sich in vertauschten, gleichwohl unverändert weit voneinander entfernten Rollen begegnet. Am Ende muss man ein paar Minuten zittern, ob die Regie letztendlich nicht doch melodramatisch scheitert - aber sie geht überraschend gut auf. Metzger hat sich ein hübsches Ende ausgedacht, das durchaus berührt. Und auch, wenn er scheinbar nicht viel vom Holländer inszeniert, ist man doch ziemlich nahe dran an der Oper.

Szenenfoto

Mögen die Matrosen singen, so dramatisch sie wollen - Senta spielt mit Daland und dem Holländer "Mensch ärgere Dich nicht".

Musikalisch macht das kleine Haus das Beste aus den begrenzten Mitteln. Der kleine Orchestergraben lässt nur eine deutlich reduzierte Orchesterbesetzung zu, und GMD Lutz Rademacher nimmt die Lautstärke mit Ausnahme der Chorszenen deutlich zurück und wahrt so die Klangbalance. Opern- und Extrachor (Einstudierung: Marbod Kaiser) singen wuchtig und präzise; dass Orchester und die an sich sehr sicheren Chöre einmal völlig auseinander laufen, ist halt Theaterwirklichkeit, so etwas passiert; schade allerdings, dass beim meist sehr ordentlich spielenden Orchester manche Piano-Einsätze "klappern". Den Sängern kommt die reduzierte Lautstärke sehr entgegen, vor allem der Senta von Susanne Serfling, die weder eine allzu voluminöse Stimme noch die dramatische Attitüde hat, hier aber die Partie klangschön, durchaus mit der nötigen Attacke und genauer Phrasierung aussingen kann, ohne forcieren zu müssen. Derek Ballard, der zuletzt schon in den Detmolder Meistersingern den Sachs gesungen hatte, ist ein durch und durch solider Holländer mit Kraft und maßvoller Schwärze. Etwas uneinheitlich gerät der Daland von Christoph Stephinger, dessen Stimme, in manchen Phrasen souverän geführt, mitunter plötzlich an Klang verliert. Ewandro Stenzowski ist ein durchaus schön singender Erik; der weiche Ansatz der lyrisch geprägten Stimme gibt der Figur, die ja ohnehin oft die Last des obligaten Langweilers schleppen muss, allerdings auch musikalisch eben diese Ausrichtung - das stimmliche Potential ist da, darf aber noch geschärft werden (zudem neigt der Sänger dazu, die Tempi zu verschleppen). Stephen Chambers singt einen glasklaren, präsenten Steuermann, Lotte Kortenhaus eine prachtvolle, sehr präsente Mary.


FAZIT

Kay Metzgers spannende, oft ironisch gebrochene und bei allen Irritationen schlüssige Interpretation ist ein früher Höhepunkt der gerade anlaufenden Spielzeit. Musikalisch sehr ordentlich.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lutz Rademacher

Inszenierung
Kay Metzger

Ausstattung
Petra Mollérus

Licht
Thomas Märker

Choreinstudierung
Marbod Kaiser

Dramaturgie
Elisabeth Wirtz



Chor und Extrachor des
Landestheater Detmold

Symphonisches Orchester des
Landestheater Detmold


Solisten

* Besetzung der Premiere

Daland
Christoph Stephinger

Senta
* Susanne Serfling

Erik
Stephen Chambers /
* Ewandro Stenzowski

Mary
Lotte Kortenhaus

Der Steuermann Dalands
* Stephen Chambers /
Ewandro Stenzowski

Der Holländer
* Derrick Ballard /
Lars Møller



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Landestheater Detmold
(Homepage)



Da capo al Fine

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