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Eine Nacht in Venedig

Operette in drei Akten
Libretto von Friedrich Zell und Richard Genée
Musik von Johann Strauß

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 3. Juni 2018
(rezensierte Aufführung: 07.06.2018)




Theater Essen
(Homepage)
Karneval im verschneiten Venedig

Von Thomas Molke / Fotos von Jörg Landsberg

Johann Strauß' neunte Operette Eine Nacht in Venedig nimmt eine Sonderstellung im Schaffen des "Walzerkönigs" ein. Zum einen wurde sie - anders als die übrigen Operetten - nicht in Wien sondern in Berlin uraufgeführt, da Strauß' damalige Ehefrau eine Affäre mit dem Direktor des Theaters an der Wien, Franz Steiner, hatte, was nicht nur zur Scheidung führte, sondern auch zur Folge hatte, dass Strauß das Wiener Theater nicht als Uraufführungsort für sein neueste Werk akzeptieren konnte. Zum anderen dürfte es von kaum einem anderen seiner Werke so viele unterschiedliche Fassungen geben, dass man sich bei heutigen Aufführungen immer wieder die Frage stellen muss, welche Version man denn spielen will. Die Uraufführung in Berlin am 3. Oktober 1883 löste beim berühmten Lagunenwalzer, der damals noch den Text hatte "Nachts sind die Katzen so grau, schreien dann zärtlich Miau", einen regelrechten Tumult im Publikum aus, das amüsiert ein Miau-Konzert anstimmte. Für die Premiere in Wien, die bereits eine Woche später erfolgte, wurde der Text nicht nur umgedichtet, sondern auch die Musik um ein Drittel gekürzt, um die verworrene Handlung nachvollziehbarer zu machen. Im Verlauf dieser Aufführungsserie in Wien gab es dann noch weitere kleinere Veränderungen. 1931 bearbeitete Erich Walter Korngold das Stück, um es einerseits dem damaligen Publikumsgeschmack näher zu bringen und andererseits mit Rückbezug auf die Wiener Walzerseligkeit einen Gegenpol zur immer erfolgreicheren Jazz-Operette zu schaffen. In Osteuropa setzte sich dann 1954 eine weitere Fassung von Walter Felsenstein durch, die im Gegensatz zu Korngold keine Musiknummern aus anderen Werken von Strauß verwendete. In Essen hat man sich nun auf die Bearbeitung von Korngold gestützt und mit Kürzung der Dialoge eine eigene "Essener Fassung" erstellt.

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Es ist kalt und glatt in Venedig: Ciboletta (Christina Clark) und Pappacoda (Martijn Cornet).

Die Handlung ist in bester Operettenmanier reichlich verworren und spielt in Venedig zur Zeit des Karnevals. Guido, der Herzog von Urbino, reist jedes Jahr um diese Zeit in die Lagunenstadt, um im Karneval schöne Frauen zu verführen. In diesem Jahr hat er es auf Barbara, die Frau des Senators Delaqua abgesehen, die ihm bereits im letzten Jahr aufgefallen war. Diese will sich zwar auch beim Karneval außerehelich vergnügen, hat dazu aber ihren angeheirateten Neffen Enrico Piselli auserwählt. Delaqua beschließt, seine Frau mit einer Gondel aus der Stadt zu schaffen, um sie vor dem Herzog in Sicherheit zu bringen. Doch Barbara tauscht mit der Fischhändlerin Annina die Masken. Caramello, der Leibbarbier des Herzogs und Geliebte Anninas, soll die Gondel mit der angeblichen Barbara aus der Stadt lenken, vereinbart jedoch mit dem Herzog, Barbara in seinen Palast zu bringen. Zunächst ahnt er noch nicht, dass es sich hierbei um seine Geliebte Annina handelt. Mittlerweile hat der Herzog durchblicken lassen, dass der Posten seines Verwalters neu zu besetzen sei, den die Senatoren alle gerne haben wollen, auch wenn sie dafür ihre Ehefrauen zum Maskenball beim Herzog bringen müssen. Delaqua überredet die Zofe seiner Frau, Ciboletta, als falsche Barbara zum Maskenball zu gehen, so dass der Herzog plötzlich in seinem Palast mit zwei Barbaras konfrontiert wird. Während Caramello und Cibolettas Freund, der Makkaronikoch Pappacoda, vor Eifersucht toben, verstehen es die beiden Frauen, den Herzog für ihre Geliebten günstig zu stimmen. Am Ende des Karnevals taucht dann auch noch die richtige Barbara von ihrem Rendezvous mit Enrico auf und verspricht dem Herzog ein Treffen im nächsten Jahr.

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Ankunft des Herzogs von Urbino (Dmitry Ivanchey) (im Hintergrund: Opernchor)

Das Regie-Team um Bruno Klimek wählt einen recht ironischen Ansatz, der zum einen mit der pittoresken Postkartenidylle der Lagunenstadt spielt und zum anderen die romantische Träumerei in die Gegenwart holt, wo riesige Kreuzfahrtschiffe die Stadt tagtäglich überrollen und den langsam voranschreitenden Untergang noch ein wenig beschleunigen. Wenn der Vorhang sich öffnet, sieht man eine Miniaturstadt, während im Hintergrund ein überdimensional großer Luxusdampfer vorbeifährt und die Gebäude ins Wanken bringt. Einige stürzen auch ein und müssen von einem Techniker (Bernd Bochennek) immer wieder aufgebaut werden, bis er schließlich irgendwann aufgibt. Eine riesige Gangway wird jeweils hereingefahren, über die der Herzog von einem Haufen kreischender Frauen sehnsüchtig erwartet wird. Klimek treibt dabei den Hype, den die Frauen um den begehrten Casanova machen, auf die Spitze. Schon zur Ouvertüre stakst Christina Clark als Ciboletta auf hochhackigen Schuhen vor den Vorhang und verkündet völlig überdreht, dass "er" nun ankomme. Im weiteren Verlauf wird sie dabei von einer ganzen Horde Frauen unterstützt, die sich dabei auf sehr glattem und rutschigen Boden bewegen. In Venedig ist nämlich Winter, und es schneit unaufhörlich. Wahrscheinlich soll der Eindruck erweckt werden, dass einige der Kanäle sogar zugefroren sind und die Frauen über das Eis gleiten. Die Gondel, in der Caramello die vermeintliche Barbara aus der Stadt und dann zum Herzog bringt, wirkt auch eher wie ein Schlitten.

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Der Herzog (Dmitry Ivanchey, vorne Mitte) verführt sehr zum Ärger von Caramello (Albrecht Kludszuweit, hinten Mitte) und Pappacoda (Martijn Cornet, hinten rechts) Annina (Elbenita Kajtazi, links) und Ciboletta (Christina Clark, rechts).

Der Palast des Herzogs im zweiten Akt ist dann recht opulent gehalten. Wenn das Volk hier eindringt, bleibt nichts an seinem Platz. Nicht nur die riesigen Kerzenständer sondern auch die Tapeten und Gardinen werden geplündert, so dass der Herzog von seinem Schäferstündchen mit Annina und Ciboletta in seinem Separée in einen völlig leeren Raum zurückkehrt. Wieso Klimek ihn anschließend wie einen Magier vor den Vorhang treten lässt, während hinter dem Vorhang das Zimmer wieder in den alten Zustand gebracht wird, erschließt sich nicht wirklich. Vielleicht soll das die Macht des Herzogs demonstrieren, der ohne jegliche Anstrengung den ursprünglichen Luxus wieder herzustellen vermag. Wenn der Palast in den Hintergrund gefahren wird, tritt der Chor in weißgrauen Barockkostümen wie Geister einer längst vergangenen Epoche auf und versinkt am Ende des zweiten Aktes im Bühnenboden, während Delaqua verzweifelt nach seiner Frau sucht. Im dritten Akt ist die Stadt dann nebelverhangen. Eine riesige Gondel lehnt an der Bühnenrampe und der herabgelassene Bühnenboden suggeriert darunter noch einmal den Kanal. Wieder tauchen die Geister aus einer längst vergangenen Zeit auf und besingen die Freuden des Karnevals. Die Paare finden nun endlich zusammen, und es kommt zum operettenseligen glücklichen Ende, zumindest für Ciboletta und Pappacoda und für Annina und Caramello.

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Abschied vom Karneval und den schönen Frauen: der Herzog (Dmitry Ivanchey) mit Annina (Elbenita Kajtazi, links), Barbara (Liliana de Sousa, 2. von rechts) und Ciboletta (Christina Clark, rechts) (links und rechts außen: Opernchor)

Musikalisch bewegt sich der Abend auf gutem Niveau. Johannes Witt zaubert mit den Essener Philharmonikern eine beschwingte Walzerseligkeit aus dem Orchestergraben und arbeitet sorgfältig heraus, dass Strauß den Titel "Walzerkönig" zu Recht verdient. Der von Patrick Jaskolka einstudierte Opernchor überzeugt mit großer Spielfreude und stimmlicher Präzision. Dmitry Ivanchey legt den Herzog als selbstverliebten Gecken mit höhensicherem Tenor an und begeistert im berühmten Lagunenwalzer mit tenoralem Schmelz. Elbenita Kajtazi stattet die Annina mit einem runden Sopran aus und gefällt durch bezauberndes Spiel. Albrecht Kludszuweit hat als ihr Geliebter Caramello nur in den Höhen bisweilen leichte Schwierigkeiten. Da wackelt sein ansonsten sehr sicherer Tenor ein wenig. Den eifersüchtigen Barbier mimt er absolut überzeugend. Großes komisches Potenzial entfaltet auch Martijn Cornet als Makkaronikoch Pappacoda. Stimmlich trumpft er mit kräftigem Bariton auf und macht darstellerisch deutlich, dass der gute Mann ein kleines Alkoholproblem hat, was ihn für die pfiffige Ciboletta aber nicht weniger attraktiv macht. Christina Clark überzeugt mit großem Spielwitz und mädchenhaftem Sopran. Auch die kleineren Rollen sind gut besetzt. Zu erwähnen ist hier Marie-Helen Joël als Barbaruccios Frau Agricola, die im zweiten Akt im Palast des Herzogs ebenfalls ein Lied anstimmt. So gibt es am Ende verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Das Regie-Team um Bruno Klimek macht deutlich, dass man Operette auch behutsam modernisieren kann, ohne sie dabei gegen den Strich zu bürsten, und dabei immer noch den Charme des Werkes einfängt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Johannes Witt

Inszenierung
Bruno Klimek

Bühne
Jens Kilian

Kostüme
Tanja Liebermann

Choreinstudierung
Patrick Jaskolka

Dramaturgie
Christian Schröder

 

Essener Philharmoniker

Opernchor des Aalto-Theaters

Statisterie des Aalto-Theaters

 

Solisten

Guido, Herzog von Urbino
Dmitry Ivanchey

Annina, Fischhändlerin
Elbenita Kajtazi

Caramello, Leibbarbier des Herzogs
Albrecht Kludszuweit

Pappacoda, Makkaronikoch
Martijn Cornet

Ciboletta, Delaquas Zofe
Christina Clark

Senator Delaqua
Karel Martin Ludvik

Senator Barbaruccio
Peter Holthausen

Senator Testaccio
Karl-Ludwig Wissmann

Barbara, Delaquas Frau
Liliana de Sousa

Agricola, Barbaruccios Frau
Marie-Helen Joël

Constantia, Testaccios Frau
Susanne Stotmeister

Enrico Piselli
Carl Bruchhäuser

Ein Techniker
Bernd Bochennek

 



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