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Hans Heiling

Romantische Oper in einem Vorspiel und drei Akten
Text von Eduard Devrient
Einrichtung der ruhrdeutschen Texte von Hans-Günter Papirnik
Musik von Heinrich Marschner

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (eine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 24. Februar 2018




Theater Essen
(Homepage)
Essener Stadtgeschichte mit unbekannter Marschner-Oper

Von Thomas Molke / Fotos von Thilo Beu

Die TUP-Festtage KUNST5 in Essen haben sich mittlerweile als Themenreihe etabliert und bieten innerhalb einer Woche an drei Häusern in fünf Sparten die ganze Bandbreite der Theater und Philharmonie Essen. Da 2018 mit der Schließung der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop die Ära des Bergbaus im Ruhrgebiet endgültig endet, hat man die diesjährigen Festtage unter das Motto "HeimArt" gestellt, um sich sowohl mit der Vergangenheit als auch mit neuen Entwürfen und Verortungen einer Region zu beschäftigen, deren Bild auch im Strukturwandel noch mit seiner schwerindustriellen Vergangenheit assoziiert wird. In der Oper ist in diesem Zusammenhang die Wahl auf ein relativ unbekanntes Werk gefallen, das erst in den letzten Jahren vereinzelt wieder als Rarität auf den Spielplänen beispielsweise im Theater an der Wien und in Cagliari stand: Hans Heiling von Heinrich Marschner. Marschner, der als Bindeglied zwischen Carl Maria von Weber und Richard Wagner betrachtet wird und von dessen romantischen Opern heute vielleicht noch Der Vampyr bekannt ist, konnte mit Hans Heiling 1833 seinen letzten großen Opernerfolg feiern, der ihm sogar die Ehrendoktorwürde an der Universität Leipzig einbrachte. Dabei war das Libretto ursprünglich gar nicht für ihn bestimmt. Eduard Devrient hatte den Stoff bereits 1827 Felix Mendelssohn-Bartholdy angeboten, doch dieser lehnte eine Vertonung wegen einer vermeintlichen Nähe zu Webers Freischütz ab. Vier Jahre später gab Devrient zunächst anonym den Text an Marschner weiter. Dieser zeigte sich sofort begeistert und brachte die Oper mit Devrient in der Titelpartie in Berlin zur Uraufführung.

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Die Königin der Erdgeister (Rebecca Teem) bittet ihren Sohn Hans Heiling (Heiko Trinsinger, vorne), das Erdreich nicht zu verlassen.

Die Geschichte basiert auf einer böhmischen Sage um den Hans-Heiling-Felsen, ein Naturdenkmal an der Eger westlich von Karlsbad, das einen Hochzeitszug darstellen soll, den der König der Erdgeister, Hans Heiling, aus verschmähter Liebe in Stein verwandelt hat. Die Oper orientiert sich an der Bearbeitung der Sage in Theodor Körners Hans Heilings Felsen von 1811. Heiling hat sich entschieden, seinem Herrschaftsanspruch über das Geisterreich zu entsagen, um eine Menschenfrau, Anna, heiraten zu können. Annas Mutter Gertrude sieht in dem reichen Mann eine gute Partie, doch Anna ist der für sie bestimmte Bräutigam unheimlich. Auf einem Fest tanzt sie gegen Heilings Willen mit dem jungen Konrad, was Heiling an ihren Gefühlen zweifeln lässt. Dennoch ist sie bereit, in eine Ehe mit Heiling einzuwilligen, bis ihr auf dem nächtlichen Heimweg in einer einsamen Landschaft Heilings Mutter, die Königin der Erdgeister, erscheint und sie über Heilings Identität aufklärt. Konrad findet die völlig verstörte Anna und bringt sie nach Hause. Dort fleht sie ihre Mutter an, Heiling nicht heiraten zu müssen. Als Konrad um ihre Hand anhält, erscheint plötzlich Heiling, sticht Konrad nieder und flieht. Verzweifelt bittet er die Geister, wieder ins Erdreich zurückkehren zu dürfen, doch diese verspotten ihn und erklären ihm, dass er seine Herrschaft verwirkt habe. Außerdem teilen sie ihm mit, dass Konrad noch lebe und am kommenden Tag mit Anna Hochzeit feiern werde. Wutentbrannt will er Rache an Anna und Konrad nehmen, doch die Königin der Erdgeister gebietet ihm Einhalt und holt ihn in das Erdreich zurück.

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Die Königin der Erdgeister (Rebecca Teem, hinten) warnt Anna (Jessica Muirhead, vorne) vor ihrem Sohn.

Das Regie-Team um Andreas Baesler wandelt die böhmische Sage in Essener Stadtgeschichte um und setzt Hans Heiling mit dem Erben der Firma Krupp, Alfried Felix Alwyn Krupp von Bohlen und Halbach, gleich. So ist das Erdreich, in dem die Geister hausen, Alfrieds Büro in der Villa Hügel, das von Harald B. Thor mit hohen Holztafeln im Bühnenbild nachgezeichnet wird. Bei den Erdgeistern handelt es sich zum einen um Büroangestellte, zum anderen um Bergarbeiter, die sich in einem dunklen Stollen befinden, der die Rückwand des Büros darstellt. Heiling-Krupp will seiner Verantwortung für das Unternehmen entfliehen, weil er sich in Anna verliebt hat. Anna und die Menschen stehen in dieser Deutung für die Arbeiter im Ruhrgebiet, deren Arbeitsplätze durch die Stilllegungen der einzelnen Zechen bedroht sind. Diese Deutung geht jedoch nicht auf, weil ja die Erdgeister ebenfalls zum Teil Zechenarbeiter sind und deshalb ebenso von der Schließung bedroht sein müssten wie die Menschen. Gut nachvollziehbar wird hingegen, dass die Arbeiter nicht gut auf Heiling-Krupp zu sprechen sind und dieser keine große Lust verspürt, Anna auf das Fest der heiligen Barbara zu begleiten, da hier gegen die Zechenschließungen protestiert wird. Verständlich wird auch Gertrudes Interesse, ihre Tochter mit dem lukrativen Krupp-Erben zu verheiraten. Ob man in den Dialogen jedoch die klischeehaften ruhrdeutschen Texte à la Tegtmeier oder Knebel benötigt, die Hans-Günter Papirnik für diese Fassung eingerichtet hat, ist Geschmacksache.

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Anna (Jessica Muirhead, links) und Konrad (Jeffrey Dowd, vorne) bedrängen Gertrude (Bettina Ranch, rechts), nicht auf Annas Heirat mit Hans Heiling (Heiko Trinsinger, hinter der Fensterscheibe) zu bestehen.

Musikalisch bemerkenswert ist, dass Marschner die Ouvertüre hinter das Vorspiel gesetzt hat. Während das Vorspiel noch im Erdreich spielt und Heilings Entschluss markiert, die Erdgeister zu verlassen und in die Menschenwelt zu ziehen, vollzieht sich mit der Ouvertüre der Wechsel in die andere Welt. In einer Videoprojektion wird dazu eine Art Lehrfilm über die Entstehung des Ruhrgebiets gezeigt. Gut arbeitet Thor den gesellschaftlichen Unterschied zwischen Heilings noblem Apartment im ersten Akt und Annas einfachem und recht beengtem Zimmer im zweiten Akt heraus. Dazwischen gibt es immer wieder kleine Anspielungen, wie beispielsweise den "Großen Blumenhof", die das Essener Publikum nostalgisch werden lassen. Sehr unheimlich wird die Begegnung Annas mit Heilings Mutter im zweiten Akt gezeichnet. Man befindet sich in einem Park mit drei versetzten Parkbänken, die durch die Nebelschwaden auf dem Boden eine unheimliche Atmosphäre schaffen. Wenn sich die Königin der Erdgeister zu erkennen gibt, öffnet sich der Boden. Der mittlere Teil der Bühne wird nach oben gefahren und offenbart die Erdgeister als dunkle Gestalten in einem Schacht. Auch Heilings Erscheinen am Ende des zweiten Aktes wird wirksam in Szene gesetzt. Wie aus dem Nichts taucht er plötzlich im Fenster zu Annas Zimmer auf. Diskutabel ist hingegen der Schluss. Als Anna mit Konrad zur Hochzeit geht, lässt Heiling auf dem Zechengelände überall Sprengstoff auslegen. Die Königin der Erdgeister kann seine Rache zwar zunächst verhindern. Doch zum abschließenden Jubelchor schleppt sich Heiling mit letzter Kraft zum Auslöser. In einer Videoprojektion sieht man zum friedlichen Schlusschor wie diverse Zechen durch Explosionen in sich zusammenfallen. Hier wird eindeutig gegen den Text inszeniert, was dem Regie-Team am Ende auch einige Unmutsbekundungen einbringt.

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Die Königin der Erdgeister (Rebecca Teem, Mitte) gebietet der Rache ihres Sohnes Hans (Heiko Trinsinger, vorne am Boden) Einhalt (im Hintergrund: Chor).

Frank Beermann arbeitet mit den Essener Philharmonikern die musikalische Struktur, die an vielen Stellen stark an Webers Freischütz erinnert, differenziert und schlank heraus. Heiko Trinsinger stattet die Titelpartie mit kräftigem Bariton aus und stellt die innere Zerrissenheit Heilings glaubhaft dar. Sehr verletzt gestaltet er am Ende des ersten Aktes die Erkenntnis, dass Anna ihn wohl nie geliebt habe, und trumpft im dritten Akt in seiner großen Arie "Ha! Ihr glaubt euch schon am Ziel" absolut rachsüchtig auf. Jessica Muirhead glänzt als Anna mit strahlenden Höhen und großer Dramatik. Einen Höhepunkt markiert ihre große Arie im zweiten Akt, wenn sie auf dem Heimweg über ihre Gefühle zu Konrad und ihr Treueversprechen Heiling gegenüber nachdenkt. Bettina Ranch punktet als ihre Mutter Gertrude mit vollem Mezzosopran. In ihrer großen Arie "Des Nachts wohl auf der Heide" stellt sie eindrucksvoll mit großer Dramatik unter Beweis, dass Gertrude keine kalt berechnende Figur ist, sondern dass ihre Tochter ihr wirklich am Herzen liegt. Jeffrey Dowd scheint sich mit der Partie des Konrad nicht ganz so wohl zu fühlen. In den Höhen klingt er stellenweise ein wenig angestrengt und auch bei den Tempi gibt es zumindest in der Premiere noch kleinere Abstimmungsschwierigkeiten mit dem Orchester. Rebecca Teem verfügt als Königin der Erdgeister über einen voluminösen, hochdramatischen Sopran. Ein bisschen weniger Vibrato wäre in den Auseinandersetzungen mit ihrem Sohn und im Treffen mit Anna im zweiten Akt wünschenswert. Der von Jens Bingert einstudierte Opernchor punktet durch homogenen Klang und große Spielfreude.

FAZIT

Die Parallelen zwischen dem König der Erdgeister und Alfried Krupp sind nicht so ausreichend, dass sie Baeslers ganze Inszenierung tragen. Vielleicht hätte man doch eher einen märchenhafteren Ansatz wählen sollen, um die Wiederentdeckung dieses Werkes nachhaltiger zu machen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Frank Beermann

Inszenierung
Andreas Baesler

Bühne
Harald B. Thor

Kostüme
Gabriele Heimann

Choreinstudierung
Jens Bingert

Licht
Stefan Bolliger

Dramaturgie
Christian Schröder

 

Essener Philharmoniker

Opernchor des Aalto-Theaters

Statisterie des Aalto-Theaters

Bergwerksorchester Consolidation

 

Solisten

Die Königin der Erdgeister
Rebecca Teem

Hans Heiling, ihr Sohn
Heiko Trinsinger

Anna, seine Braut
Jessica Muirhead

Gertrude, ihre Mutter
Bettina Ranch

Konrad
Jeffrey Dowd

Stephan, sein Freund
Karel Martin Ludvik

Niklas, sein Freund
Hans-Günter Papirnik

 



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(Homepage)




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