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Il trovatore (Der Troubador)

Oper in vier Teilen
Libretto von Salvatore Cammarano und Leone Emanuele Bardare
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 2. Dezember 2017


Logo:  Theater Essen

Theater Essen
(Homepage)
Die Sache mit der Stretta hat Verdi sicher anders gemeint

Von Stefan Schmöe / Fotos von Matthias Jung

"Sie sagen, diese Oper sei zu traurig, und es gebe darin zu viele Tote, aber ist nicht alles Tod im Leben?" So reagierte Verdi nach der Uraufführung des Trovatore auf die Kritik, und nicht ohne Grund wird der Satz dem Programmheft dieser Neuinszenierung vorangestellt. Die Regie von Patrice Caurier und Moshe Leiser möchte nichts abmildern von dem Schrecklichen, was Verdi seinem überraschten Publikum 1853 vorsetzte. Krieg ist Krieg, will die Inszenierung wohl sagen, und da haben die feinen Sitten keinen Platz - um 1412 nicht (der Zeit der historischen Handlung), zu Verdis Lebzeiten nicht und erst recht nicht in unserer Gegenwart. Lieber ein paar Tote mehr als zu wenig. Und so werden bereits im ersten Bild, in dem Hauptmann Ferrando der gräflichen Armee von der Vorgeschichte erzählt, ziemlich willkürlich ein paar Flüchtlinge hingerichtet. Eigentlich wären das Zigeuner, wobei die Umdeutung nicht ganz falsch ist - es sind die Fremden, die Außenseiter, die hier in die Hände einer Armada aus Anzugträgern mit kaum kaschierter Gewaltbereitschaft geraten.

Vergrößerung in neuem Fenster Azucena, die einst irrtümlich den eigenen Sohn ins Feuer warf, hat Albträume

Die Idee ist ja richtig, den Schockeffekt, den die Oper seinerzeit auf manche gemacht haben wird, neu zu interpretieren. Man müsste es nur besser machen als Caurier und Leisner. Leider ist auch ziemlich sicher, dass es ganz gegenwärtig solche Szenen gibt, in denen Flüchtende willkürlich erschossen werden - vermutlich in Libyen, vermutlich in etlichen anderen Staaten in Afrika. Im Einheitsbühnenbild von Christian Fenouillat, einem schmucklosen Warteraum mit von der Decke herabhängenden Leuchtstoffröhren, könnte diese Szene überall und nirgends spielen, und das führt dazu, dass nur wenig Betroffenheit aufkommt - so etwas gibt es, das ist verabscheuungswürdig, aber es ist auch irgendwie weit weg. Krieg eben.

Szenenfoto

Nein, hier erschießt Luna den Rivalen Manrico noch nicht, das geschieht erst ein paar Bilder später. Auch Leonora versteht das untypische Zögern des ansonsten ziemlich mordlustigen Grafen nicht.

Auch das ist insoweit noch plausibel, als es die Gewalt an sich anprangert. Allerdings ist die Personenregie viel zu ungenau, um den Ansatz glaubwürdig fortzuführen. Es wird mächtig viel mit Schusswaffen aller Art herumgefuchtelt, und dabei gibt es so manches Opfer - nur dann, wenn die Rivalen und Todfeinde Manrico und Luna sich Auge in Auge gegenüber stehen, dann schießen sie nicht, sondern verfallen in genau die operntypische Gestik, die den Trovatore wie so oft unglaubwürdig macht. Einerseits fordert die Regie ein, die Geschichte im zeitgemäßen Gewand zu verstehen, andererseits stiehlt sie sich oft mit einem "ist doch nicht wörtlich zu verstehen" aus der unappetitlichen Affäre. Da soll der Saal plötzlich ein Kloster sein, kurz darauf ein Gefängnis. Da wirkt vieles ziemlich wenig durchdacht. Man muss die Oper ja nicht unbedingt auf inhaltliche Stringenz hin inszenieren, da gäbe es andere Ansätze - aber wenn man erst einmal so anfängt, muss man sich auch an diesem Ansatz messen lassen, und da fällt die Bilanz schlecht aus. Nebenbei: Verdis Dramaturgie zielt ja auf acht voneinander getrennte Bilder ab, scharf umrissene Tableaus statt einer kontinuierlichen Handlung. Das durchgehend gleiche Bühnenbild (na gut, es gibt später ein paar Spuren der Zerstörung) setzt dagegen auf diese (nicht vorhandene) Kontinuität, in der ersten Hälfte werden die Bilder sogar nahtlos verbunden (nach der Pause gibt's Zwischenvorhänge). Auch auf dieser formalen Ebene wirkt die Regie ziemlich planlos, findet keine überzeugenden Mittel, um mit Verdis Dramaturgie umzugehen.

Vergrößerung in neuem Fenster Spuren der Zerstörung: Man beachte, wie hübsch auf Linie die Deckenbeleuchtung herabgesunken ist. Und auch Leonora versteht wohl nicht, warum sich jemand in diesem Chaos die Mühe gemacht hat, Absperrgitter aufzustellen.

Die Spannung, die der Abend dennoch bekommt, erwächst aus der Musik. Dirigent Giacomo Sagripanti trifft mit den bestens aufgelegten Essener Philharmonikern ganz hervorragend die oft atemlose Nervosität und den drängenden Charakter der Musik. Dazu ist Sagripanti ein ausgezeichneter Begleiter der Sänger. Den famosen, ungemein klangschönen Chor und Extrachor (Einstudierung: Jens Bingert) lässt er oft im Piano singen, und selbst die großen Ausbrüche behalten bei aller Klanggewalt eine Binnenstruktur - das ist nicht einfach laut gesungen, sondern durchdacht gestaltet.

Szenenfoto

Leonora stirbt am Gift, um dem Liebesversprechen an den Grafen (hinten) zu entgehen - Manrico verpasst blöderweise trotzdem die Chance zur Flucht.

Nikoloz Lagvilava ist ein stimmgewaltiger Graf Luna von hoher Präsenz, der ab und zu sicher etwas leiser singen dürfte (ein paar lyrische Momente hat er schließlich auch), aber einen sehr virilen Bösewicht abgibt. Aurelia Florian als Leonora hat einen gedeckten, nicht immer ganz intonationssicheren Sopran von großer Intensität, mit leuchtender Höhe und bei aller Beweglichkeit dem nötigen Gewicht auch in den Verzierungen, die nicht zum Selbstzweck werden, sondern Ausdruck der Eigenwilligkeit dieser Figur (die in der Regie vergleichsweise vielschichtig gestaltet ist und keineswegs das naive junge Mädchen, wie es das 19. Jahrhundert gesehen haben mag). Carmen Topciu ist als Zigeunerin Azucena eine Spur zu hell timbriert (die beiden Frauenstimmen sind sich recht ähnlich), der Stimme fehlt die abgründige Farbe, aber die Sängerin gestaltet die Partie mit der brodelnden Unruhe, die der Figur ansteht. Gaston Rivero schließlich ist ein ausgezeichneter, baritonal eingedunkelter Manrico, klangschön (aber nicht dünn) im Piano, ausreichend kraftvoll in der Höhe, ohne kraftmeierisch zu werden. Nur der Schluss der berüchtigten Stretta, bei dem Tenorkollegen gerne das hohe C ausstellen (auf Youtube findet man originelle Zusammenstellungen nur dieser paar Takte), der bleibt matt - ein Ritter des hohen C ist er nicht, ein beeindruckender Verführer und tollkühner Kämpfer dagegen schon, wenigstens stimmlich (und auch vom Aussehen). Was aber macht die Regie? Sie lässt, ziemlich plump, am Ende eben dieser Stretta Lunas Soldaten die Wand einreißen und mit Maschinenpistolen hereinstürmen. Dass aber ein Tenor, der sich gerade die Seele aus dem Leib singt, postwendendend die Waffe fallen lässt und sich kampflos ergibt, das widerspricht jeder Verdi'schen Opernlogik. Dafür hat Verdi das Teufelsstück nun wirklich nicht komponiert. Erwähnenswert sind noch der mehr als solide Baurzhan Anderzhanov als Ferrando und Liliana de Sousa in der kleinen, aber prägnant gesungenen Partie der Ines.


FAZIT

Musikalisch mitreißend auf tollem Niveau. Szenisch gut gemeint, aber allzu reißerisch und viel zu ungenau umgesetzt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Giacomo Sagripanti

Inszenierung
Patrice Caurier
Moshe Leiser

Bühne
Christian Fenouillat

Kostüme
Agostino Cavalca

Licht
hristophe Forey

Choreinstudierung
Jens Bingert

Dramaturgie
Christian Schröder



Statisterie des Aalto-Theaters

Chor und Extrachor des Aalto-Theaters

Essener Philharmoniker


Solisten

Leonora
Aurelia Florian

Ines, ihre Vertraute
Liliana de Sousa

Der Graf von Luna
Nikoloz Lagvilava

Ferrando, Hauptmann im Heer Lunas
Baurzhan Anderzhanov

Azucena, eine Zigeunerin
Carmen Topciu

Manrico, ein Troubadour
Gaston Rivero

Ruiz, Manricos Vertrauter
Albrecht Kludszuweit

Ein Bote
Joo Youp Lee






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