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Musiktheater
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Mathis der Maler

Oper in sieben Bildern
Musik und Libretto von Paul Hindemith

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Großen Haus im MiR am 28. September 2017
(rezensierte Aufführung: 09.11.2017)

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Musiktheater im Revier
(Homepage)

Der Platz des Künstlers in Zeiten des Terrors

Von Thomas Molke / Fotos von Monika und Karl Forster

Intendant Michael Schulz hat den Beginn der Spielzeit im Musiktheater im Revier in dieser Saison ganz dem 500-jährigen Reformationsjubiläums gewidmet. So steht neben der Gastspiel-Revue Reformhaus Lutter von und mit Dominique Horwitz als erste große Opernpremiere Paul Hindemiths Oper Mathis der Maler auf dem Programm. Dieses Stück nimmt mit seiner Thematik eine Sonderstellung unter den Musiktheaterwerken der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten hatte Hindemith inspiriert, einen Opernstoff zu suchen, der die Stellung des Künstlers in Zeiten der Gewalt durchleuchtete, und da sah er in dem Maler Matthias Grünewald, den Schöpfer des Isenheimer Altars, eine geeignete Parallele zu seiner eigenen Gegenwart. So wie sich Grünewald zwischen dem Kampf der durch die Reformbewegungen Luthers ausgelösten Aufstände der Bauern gegen die Vorherrschaft der katholischen Kirche und des Adels positionieren musste, beschäftigte auch Hindemith die Frage, wo er selbst in Zeiten politischer Ausgrenzung als Künstler stehen wollte. Die Nationalsozialisten nahmen ihm diese kritische Haltung natürlich übel. Nachdem die dreiteilige Sinfonie Mathis der Maler im März 1934 in Berlin zur Uraufführung gekommen war, verhinderten die Nationalsozialisten die für Frankfurt angesetzte Uraufführung der Oper im folgenden Jahr. Hindemith ging nach Zürich, wo das Werk dann schließlich 1938 uraufgeführt wurde.

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Mathis (Urban Malmberg, Mitte) verhilft dem Bauernführer Schwalb (Tobias Haaks, rechts) und dessen Tochter Regina (Bele Kumberger) zur Flucht.

In sieben Bildern wird das Leben des Malers Matthias Grünewald (in der Oper: Mathis) bis zur Vollendung des Isenheimer Altars und seinem anschließenden Entschluss geschildert, sein Künstlerdasein zu beenden. Es beginnt in einem Antoniterkloster in Mainz, in dem Mathis in der Abgeschiedenheit an einem großen Wandbild arbeitet. Als der Bauernführer Schwalb mit seiner Tochter Regina auf der Flucht im Kloster Schutz vor den Soldaten sucht, wird Mathis mit dem durch die Reformationsbewegungen ausgelösten Bauernkrieg konfrontiert und beschließt, Partei für die Bauern zu ergreifen. Er verhilft nicht nur Schwalb und seiner Tochter zur Flucht, sondern bittet auch seinen Dienstherrn, den Kardinal Albrecht von Brandenburg, ihn aus dem Dienst zu entlassen. Auf Seiten der Bauern wird er jedoch von der Gewalt des Volkes gegen den Adel erschüttert. Bei dem Versuch, die Gräfin Helfenstein vor der Lynchjustiz zu bewahren, wird er selbst von den Bauern angegriffen, allerdings durch Schwalbs Auftauchen gerettet. Als die Bauern schließlich den kaiserlichen Truppen unterliegen, hat er es der Fürsprache der Gräfin zu verdanken, dass er gemeinsam mit Schwalbs Tochter entkommen und in den Odenwald fliehen kann. Dort hat er eine Vision des heiligen Antonius und sieht sich selbst zahlreichen Versuchungen ausgesetzt. Diese Traumvorstellungen hält er in den Bildern für den Isenheimer Altar fest, bevor er völlig erschöpft erkennt, dass seine Aufgabe als Künstler nun beendet ist.

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Das Volk (Chor und Extrachor) feiert die Rückkehr des Kardinals Albrecht von Brandenburg (Martin Homrich, Mitte).

Intendant Michael Schulz erklärt die Inszenierung zur Chefsache und verzichtet auf eine plakative Aktualisierung der Handlung. Die Kostüme von Renée Listerdal sind zeitlos gehalten, während das Bühnenbild von Heike Scheele mit den hohen grauen und flexibel verschiebbaren Mauern die Geschichte eher im 16. Jahrhundert belässt. Um die Stellung des Künstlers zu betonen, baut Schulz Zitate der Bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts in die Inszenierung ein. Wenn Mathis in einer Videoprojektion während der Ouvertüre Ursulas Körper blau bemalt, erinnert dieser Akt genauso wie das Gemälde, an dem er im weiteren Verlauf arbeitet, an Yves Kleins Performances. Im zweiten Bild münden dann direkt vor der Ankunft des Kardinals Albrecht von Brandenburg die Auseinandersetzungen der Anhänger der lutherischen und der päpstlichen Partei in einer Tortenschlacht, was als Anspielung auf die Eat Art des Schweizer Künstlers Daniel Spoerri betrachtet werden kann. Das bringt für das Stück zwar keine neuen Erkenntnisse, stört allerdings auch nicht weiter. Wesentlich verwirrender ist Schulz' Umgang mit Schwalbs Tochter Regina. Im vierten Bild lässt er sie selbst, gezwungen von den kaiserlichen Truppen, den Vater töten. So wird Regina im sechsten Bild von Schuldgefühlen gequält, wenn Mathis das Bild eines Engelskonzertes beschreibt. Im letzten Bild lässt er sie dann im einem weißen Unterkleid mit der Aufschrift "Stop War" hinter eine Schranke zwischen zwei Mauern treten und von Soldaten abführen.

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Riedinger (Luciano Batinić, Mitte) will seine Tochter Ursula (Yamina Maamar) mit dem Kardinal verheiraten.

Neben diesen kleinen Ungereimtheiten findet Schulz in seiner Inszenierung aber auch sehr beeindruckende Bilder, die vor allem von Scheeles verschiebbaren Mauern getragen werden. Zunächst lassen die Mauern den Bühnenraum immer größer werden. Von der beengenden Einöde der Klosterzelle im ersten Bild wird der Raum zur Martinsburg erweitert, wo die unterschiedlichen Parteien auf die Rückkehr des Kardinals warten. Während die Mauern hierbei noch strukturiert aufgebaut sind, wird diese Struktur in den folgenden Bildern durchbrochen und spiegelt das Chaos wider, in das der Krieg Mathis und die Menschen stürzt. Auch Mathis' Visionen im sechsten Bild werden ausdrucksstark umgesetzt. Während die drei Engel mit ihren weißen Flügeln zunächst eine Bilderbuch-Idylle vorgaukeln, brechen hier Figuren aus Politik und Justiz ein, die Mathis in einer Art Gerichtsverhandlung mit den verschiedenen Widersprüchen seines Lebens konfrontieren. Die Pose des gekreuzigten Jesus wird einmal von dem ermordeten Grafen Helfenstein angenommen und später von Ursula, die als Spielball der Anhänger Luthers fungiert, da der katholische Kardinal Albrecht zu einer Verbindung mit Ursula bewegt werden soll. Großartig werden auch der Chor und Extrachor im sechsten Bild in Szene gesetzt, wenn sie wie Dämonen aus der Unterwelt aus dem Bühnenboden emporgefahren werden und Mathis zu sich hinabziehen.

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Mathis (Urban Malmberg) und Regina (Bele Kumberger) fliehen vom Schlachtfeld.

Diese starken Bilder werden mit der vorzüglich aufspielenden Neuen Philharmonie Westfalen unter der Leitung ihres Generalmusikdirektors Rasmus Baumann umgesetzt, der die explosive Kraft von Hindemiths Musik mit großer Verve umsetzt. Leider ist das nicht immer sängerfreundlich und bringt die Solisten teilweise an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Urban Malmberg hat als Mathis an manchen Stellen das Nachsehen und kann mit seinem geschmeidigen Bariton nicht an jeder Stelle mit dem Orchester mithalten. Darstellerisch legt er die Titelfigur als Eigenbrödler an, der deutlich macht, dass Mathis auch am Ende seinen Platz noch nicht gefunden hat. Yamina Maamar wird als Ursula ebenfalls einiges abverlangt. Zwar kann sie sich mit ihrem runden dramatischen Sopran jederzeit gegen das Orchester durchsetzen, bedient sich jedoch stellenweise eines starken Vibratos. Auf ganzer Linie begeistern kann Martin Homrich als Kardinal Albrecht von Brandenburg, der mit kräftigem Heldentenor und sauberer Diktion dem gewaltigen Orchesterklang trotzt. Tobias Haaks verfügt als Bauernführer Schwalb ebenfalls über einen höhensicheren Tenor, bei dem keine Abstriche zu machen sind. Bele Kumberger begeistert als Schwalbs Tochter Regina mit leuchtendem, mädchenhaftem Sopran und beeindruckt durch bewegendes Spiel. Luciano Batinić gibt den Riedinger mit kühlem Bariton als eiskalten Taktierer. In den kleineren Partien überzeugen vor allem Almuth Herbst als Gräfin Helfenstein und Joachim Gabriel Maaß als Lorenz von Pommersfelden. Herbst stattet die Gräfin mit einem satten Mezzo aus und setzt vor allem in Mathis' Traumsequenz mit großer Dramatik Akzente. Maaß unterstreicht mit profunden Tiefen die Härte, die Lorenz vom Kardinal im Umgang mit den Lutheranern verlangt. So gibt es für alle Beteiligten am Ende großen und verdienten Beifall in einer Vorstellung, die trotz des Wochentags und der Schwere des Stoffes sehr gut besucht ist.

FAZIT

Hindemiths Mathis der Maler mag inhaltlich ein recht sperriges Werk sein. Schulz' überzeugender Ansatz und die musikalische Umsetzung machen den Abend sehens- und hörenswert.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rasmus Baumann

Inszenierung
Michael Schulz

Bühne
Heike Scheele

Kostüme
Renée Listerdal

Chor
Alexander Eberle

Licht
Patrick Fuchs

Dramaturgie
Gabriele Wiesmüller

 

Neue Philharmonie Westfalen

Opern- und Extrachor des MiR

Statisterie des MiR

 

Solisten

Mathis, Maler ein Maler am Hof Albrechts
Urban Malmberg

Albrecht von Brandenburg
Martin Homrich

Riedinger
Luciano Batinić

Ursula, Riedingers Tochter
Yamina Maamar

Hans Schwalb
Tobias Haaks

Regina, Schwalbs Tochter
Bele Kumberger

Wolfgang Capito
Edward Lee

Lorenz von Pommersfelden
Joachim Gabriel Maaß

Gräfin Helfenstein
Almuth Herbst

Truchseß von Waldburg
Jacoub Eisa

Sylvester von Schaumberg
Tobias Glagau

Der Pfeifer des Grafen
Apostolos Kanaris

 


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