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Old, New, Borrowed, Blue

Ballettabend mit Choreographien von David Dawson, Uwe Scholz, Bridget Breiner und Jiří Kylián

A Sweet Spell of Oblivion
Ballett von David Dawson, Musik von Johann Sebastian Bach

Jeunehomme-Klavierkonzert, 2. Satz
Ballett von Uwe Scholz, Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

In Honour of
Ballett von Bridget Breiner, Musik von Georgs Pel
ēcis

Indigo Rose
Ballett von Ji
ří Kylián, Musik von Robert Ashley, François Couperin, John Cage und Johann Sebastian Bach

Aufführungsdauer: ca. 2 h 5' (zwei Pausen)

Premiere im Großen Haus im MiR am 25. November 2017
(rezensierte Aufführung: 01.12.2017)

Homepage

Musiktheater im Revier
(Homepage)

Tänzerische Vielfalt in vier Teilen

Von Thomas Molke / Fotos von Costin Radu


"Etwas Altes, etwas Neues, etwas Geborgtes, etwas Blaues" ist nach einer Redewendung das, was einer Braut bei der Hochzeit Glück bringen soll. Dieser Ausspruch stammt ursprünglich aus dem Victorianischen England und ist über die USA nach Deutschland gelangt, und als Bridget Breiner die Zusammensetzung der Choreographien für den ersten Ballettabend in dieser Saison betrachtete, kam ihr sofort diese Redewendung in den Sinn, so dass die vier Choreographien unter dem Titel Old, New, Borrowed, Blue zusammengefasst wurden. Zwar geht es dabei nicht um eine Hochzeit, aber die vier Attribute stellen nach Breiners Meinung einen geeigneten Bezug zum Ballett im Revier dar. So gibt es eine "alte" Choreographie, die von der Compagnie bereits für einen anderen Ballettabend im MiR einstudiert worden ist, eine, die für das Ensemble nur "neu" ist, eine, die als Auftragswerk für das Lettische Nationalballett Riga gewissermaßen "geborgt" ist, und schließlich die Kreation Indigo Rose, die den Blauton im Titel vertritt. Für jeden Teil zeichnet ein anderer Choreograph verantwortlich, so dass das Ballett im Revier seine ganze tänzerische Vielfalt vom klassischen Spitzentanz bis hin zum modernen Ausdruckstanz unter Beweis stellen kann.

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A Sweet Spell of Oblivion: Louiz Rodrigues mit den vier Tänzerinnen (von vorne nach hinten: Tessa Vanheusden, Hitomi Kuhara, Sara Zinna und Francesca Berruto)

Der Abend beginnt mit A Sweet Spell of Oblivion, einer Choreographie von David Dawson, die bereits in dem dreiteiligen Ballettabend Bł vertanzt vor zwei Spielzeiten im Musiktheater im Revier zu erleben war, damals in einer orchestrierten Erstaufführung (siehe auch unsere Rezension). Die Choreographie entstand 2007 für die Ballett-Compagnie in Antwerpen und zeigt zu 9 Präludien aus Bachs wohltemperiertem Klavier 1 traumhafte Sequenzen, in denen das Wort "Vergessen" angedeutet werden soll. Zum C-Dur Präludium, mit dem das Stück beginnt, zaubert Louiz Rodrigues mit Francesca Berruto, Hitomi Kuhara, Tessa Vanheusden und Sara Zinna einen zarten Moment des neoklassischen Tanzes auf die Bühne, der in fließenden Bewegungen unter die Haut geht. Beeindruckend ist auch das abstrakte Bühnenbild von John Otto, das in ein kreisförmiges Nichts führt, was wie ein schwarzes Loch an einen Ort des Vergessens erinnert. Davon heben sich die golden glänzenden Kostüme (Yumiko Takeshima) wunderbar ab. In den folgenden Präludien wechseln sich dann Ensembles, Soli und Pas de deux ab und übersetzen die Atmosphäre der Musik in bewegende Bilder. Am Schluss erklingt erneut das C-Dur Präludium. Allerdings befinden sich die vier Tänzerinnen nun auf der anderen Seite der Wand, während Rodrigues im Vordergrund allein tanzt. Mit dem Verklingen der Musik verschwinden die Tänzerinnen gewissermaßen im Nichts und fallen dem Vergessen anheim. Während die Einstudierung des Stückes 2016 durch Tim Couchman erfolgte, hat dieses Mal Dawson höchstpersönlich seine Choreographie mit den Tänzerinnen und Tänzern des MiR neu erarbeitet und dabei auch kleinere Änderungen vorgenommen.

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Jeunehomme-Klavierkonzert, 2. Satz: Zwei Welten treffen aufeinander: Lucia Solari und Carlos Contreras.

Der zweite Teil des Abends stellt unter dem Attribut "neu" eigentlich die älteste Choreographie der Produktion dar. Das Jeunehomme-Klavierkonzert in der Choreographie von Uwe Scholz erlebte seine Uraufführung bereits am 26. Dezember 1986 mit Les Ballets de Monte Carlo. Scholz, der 1982 zum ersten "Ständigen Choreographen" des Stuttgarter Balletts nach John Cranko ernannt worden war, schuf zunächst als Ballettdirektor des Züricher Opernhauses und später als Chefchoreograph des Leipziger Balletts bis zu seinem Tod 2004 große sinfonische Tanzabende in neoklassischem Stil. Im Jeunehomme-Klavierkonzert setzt er Mozarts Klavierkonzert KV 271 aus dem Jahr 1777 in Bewegung um. Der Titel des Konzertes basiert eigentlich auf einem Schreibfehler, da das Konzert eigentlich den Namen der Solistin, Louise Victoire Jenamy, tragen sollte, für die Mozart dieses Konzert komponiert hatte. Durch einen Übertragungsfehler wurde jedoch aus "Jenamy" "Jeunehomme". Für den Ballettabend in Gelsenkirchen wird nur der 2. Satz aus dieser Choreographie verwendet. Scholz hatte diesen melancholischen 2. Satz in c-moll als großes Pas de deux für Ghislaine Thesmar und Paul Chalmer kreiert, der auch für die Neueinstudierung in Gelsenkirchen verantwortlich zeichnet. Das Stück beschreibt die Beziehung zwischen einer älteren Tänzerin und einem jüngeren Tänzer und zeigt die ganze Bandbreite aus Hingabe, Trennung und Wiederbegegnung in ergreifenden Bildern, die mit Mozarts Musik eine betörende Einheit eingehen. Als Bühnenbild fungiert ein auf die Rückwand projiziertes Notenblatt von Mozart, das die Geschichte direkt aus den Noten entstehen lässt. Neben Carlos Contreras ist als Gast Lucia Solari aus Kiel zu erleben, die mit bewegendem Ausdruck den verzweifelten Kampf um die Zuneigung des jüngeren Mannes umsetzt. Contreras arbeitet glaubhaft heraus, dass er sich zwar einerseits zu Solari hingezogen fühlt, aber dennoch andere Vorstellungen von einer erfüllten Beziehung hat. Wenn Solari dann allein auf der Bühne ist, wirkt sie absolut zerbrechlich und rührt in ihrer inneren Verzweiflung zu Tränen.

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In Honour of: Versuchsanordnung: von hinten nach vorne: Ledian Soto, Francesca Berruto und Valentin Juteau

Es folgt eine Choreographie der Ballettdirektorin Bridget Breiner, die sie für eine Tänzerin und zwei Tänzer als Auftragswerk des Lettischen Nationalballetts Riga choreographierte und dort am 26. April 2014 zur Uraufführung brachte. Als Preview war das Stück bereits einmalig am 5. April 2014 in Gelsenkirchen im Rahmen der II. Internationalen Benefizgala zugunsten der MiR-Stiftung zu erleben. Als Musik hat Breiner die Komposition In Honour of Henry Purcell des 1947 in Riga geborenen Komponisten Georgs Pelēcis ausgewählt, mit dem sie seitdem eine enge künstlerische Freundschaft verbindet, und ihre Kreation danach In Honour of genannt. Pelēcis' Musiksprache verbindet Elemente barocker und romantischer Musiksprache mit modernen repetitiven Techniken des Minimalismus. Für die Uraufführung in Riga wurde die Musik von der Neuen Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Askan Geisler mit den Gesangssolistinnen Almuth Herbst, Anke Sieloff und Denise Seyhan aufgenommen, so dass bei diesem Stück die Musik zwar nur eingespielt wird, aber zumindest von Ensemble-Mitgliedern des MiR stammt. Anders als in den beiden vorangegangenen Stücken sind die Bewegungen der Tänzerin und der beiden Tänzer eher abstrakt. Auf der Bühne dreht sich alles um einen Scheinwerfer, der in einem kleinen beweglichen Kasten vom Boden aus Licht spendet. Ledian Soto, Valentin Juteau und Francesca Berruto versuchen, sich mal mit diesem Scheinwerfer selbst in Szene zu setzen und dann die anderen anzustrahlen. Damit handelt das Stück in abstrakter Weise von dem Wunsch, etwas auszudrücken und zu schaffen. Den angestrebten Perfektionismus erreicht man jedoch nicht und führt folglich einen endlosen Kampf um das richtige Bild. Berruto, Soto und Juteau setzen diese unendliche Suche in bewegendem Ausdruck um.

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Indigo Rose: Kräftemessen zur Musik von Robert Ashley: Paul Calderone (links) und Valentin Juteau (rechts)

Nach der zweiten Pause folgt dann zum Abschluss Indigo Rose von Jiří Kylián. Kylián schuf diese Choreographie 1998 zum 20-jährigen Jubiläum des Nederlands Dans Theater II, der Nachwuchs-Company des NDT. In vier musikalisch recht unterschiedlichen Teilen wird ein Kaleidoskop über das Erwachsenwerden gezeigt. Indigo Rose steht als Titel dabei für ein unerreichbares Ideal, nach dem die jungen Menschen auf diesem Weg streben. Über die Bühne führt ein nach hinten gespanntes Seil, das Louiz Rodrigues auf der Suche nach einer Richtung im Leben betrachtet. In kraftvollen Sprüngen bringen die Tänzer zur abstrakten Klangsprache von Robert Ashley ihren Wunsch zum Ausdruck, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Ihr Kräftemessen und Ausprobieren der eigenen Möglichkeiten wirkt dabei absolut testosteron-gesteuert. In unterschiedlichen Farben wird die Individualität der einzelnen Männer unterstrichen. Die barocke Musiksprache von François Couperin schlägt dann einen anderen Tonfall an. Jetzt kommt mit den Tänzerinnen das weibliche Geschlecht ins Spiel, und plötzlich verwandelt sich die Situation in ein romantisches Werben und Flirten auf der Suche nach einem Lebenspartner. Nach diesem eher ruhigen Moment wird an dem Seil ein weißes Segel herabgelassen, und die Klangsprache wird mit John Cage wieder wesentlich unruhiger. Nun sieht man die Tänzerinnen und Tänzer teilweise als Schattenspiel hinter diesem weißen Segel, teilweise in hektischen Bewegungen vor dem Segel, so dass erneut die Suche nach der eigenen Identität deutlich wird. Das Stück endet dann mit Johann Sebastian Bach, wobei ab einem bestimmten Zeitpunkt die Szene auf der Bühne einfriert. Haben die Tänzerinnen und Tänzer ihr Ziel, die "blaue Rose", erreicht oder verharren sie einfach in ihrer Suche? Die Frage muss wohl jeder für sich selbst beantworten. In einer Videoprojektion im Hintergrund sieht man dazu Bilder von den Tänzerinnen und Tänzern, die immer wieder umgestoßen werden.

FAZIT

Das Ballett im Revier kann in einem abwechslungsreichen Ballettabend erneut die tänzerische Bandbreite der Compagnie unter Beweis stellen und erntet zu Recht dafür großen Beifall.


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Produktionsteam

Dramaturgie
Stephan Steinmetz

 

*rezensierte Aufführung

A Sweet Spell of Oblivion

Choreographie
David Dawson

Bühne
John Otto

Kostüme
Yumiko Takeshima

Lichtdesign
Bert Dalhuysen

Tänzerinnen und Tänzer

Francesca Berruto
Hitomi Kuhara
Tessa Vanheusden
Sara Zinna

*Louiz Rodrigues /
Valentin Juteau
Ledian Soto
José Urrutia

 

Jeunehomme-Klavierkonzert, 2. Satz

Choreographie, Bühne und Kostüme
Uwe Scholz

Einstudierung
Paul Chalmer

Tänzerin und Tänzer

*Lucia Solari /
Bridgett Zehr /
Sara Zinna

*Carlos Contreras /
José Urrutia

 

In Honour of

Choreographie
Bridget Breiner

Kostüme
Thomas Lempertz

Licht
Udo Haberland

Tänzerinnen und Tänzer

*Francesca Berruto /
Tessa Vanheusen

*Ledian Soto /
Paul Calderone

*Valentin Juteau /
Louiz Rodrigues

 

Indigo Rose

Choreographie und Bühne
Ji
ří Kylián

Einstudierung
Amos Ben-Tal

Kostüme
Joke Visser

Licht
Michael Simon

Video
Bernhard Kleine-Frauns

Tänzerinnen und Tänzer

Sarah-Lee Chapman
Hitomi Kuhara
Tessa Vanheusden
Sara Zinna

Paul Calderone
Valentin Juteau
Louiz Rodrigues
Ledian Soto
José Urrutia

 


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