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Dreimal Glass in tänzerischer Vielfalt Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre Nachdem der langjährige Ballettdirektor Ricardo Fernando dem Theater Hagen Ende der letzten Spielzeit den Rücken gekehrt und sich Richtung Augsburg verabschiedet hatte, wurde mit Spannung erwartet, wie es mit der kleinen aber feinen Tanzsparte in Hagen weitergehen würde. Dabei war Fernandos Nachfolger Alfonso Palencia im Gegenteil zum neuen Intendanten Francis Hüsers und dem neuen GMD Joseph Trafton kein Unbekannter mehr. Bereits seit Herbst 2014 gehört er dem Theater Hagen als Trainingsleiter an, zeichnete in der letzten Spielzeit für die Choreographien in der Operette Die Csárdásfürstin verantwortlich und hat schon einige Erfahrungen sammeln können, wie die Hagener bezüglich ihrer Tanztheatersparte "ticken", so dass von ihm kein Bruch mit liebgewonnenen Strukturen befürchtet werden muss. So setzt auch er einen Schwerpunkt auf stilistische Vielfalt des Tanzes und beginnt die Spielzeit mit einem dreiteiligen Tanzabend, in dem er zwei Werke international renommierter Gastchoreographen und eine eigene Kreation präsentiert, die er für diesen Abend entwickelt hat. Der Titel Dancing Souls kann dabei als Oberbegriff für alle drei Stücke verstanden werden, da es jeweils die "tanzende Seele" ist, die den Menschen Hoffnung im Leben gibt und ihnen hilft, den Mut nicht zu verlieren und stattdessen Probleme zu bewältigen. Dies kommt mal in abstrakten Bildern, mal in einer Art Handlungsballett zum Ausdruck. Ein weiteres Bindeglied zwischen allen drei Teilen ist die Musik von Philip Glass, die von allen drei Choreographen verwendet wird. Ensemble in Soma Den Anfang macht das Stück Soma von Marguerite Donlon, das am 8. Januar 2011 am Saarländischen Staatstheater im Rahmen einer Trilogie mit dem Titel Das Geheimnis der Unsterblichkeit als zweiter Teil uraufgeführt wurde. Donlon, die zu der Zeit Ballettdirektorin und Chefchoreographin in Saarbrücken war, zeigt darin eine Gruppe von Menschen, die allmählich erkennen, dass man mit vereinten Kräften die Probleme des Daseins wesentlich besser bewältigen kann als allein. Als Musik verwendet sie das erste Violinkonzert von Philip Glass, das er in Erinnerung an seinen kurz zuvor verstorbenen Vater komponierte und das mit dem Wiederholen fester Muster, die sich nur langsam verändern, den Zuhörer regelrecht hypnotisiert. Cecile Bouchier hat dafür einen beeindruckenden Bühnenraum mit dünnen Stäben geschaffen, die während der Musik in unterschiedliche Formationen gebracht werden und dabei Räume schaffen, die allesamt zerbrechlich wirken, so wie die Tänzerinnen und Tänzer in ihren Bewegungen. Gustavo Barros beginnt das Stück inmitten einer abstrakten Anordnung dieser Stäbe und setzt Glass' Musik in ergreifenden Bewegungen um. Mit Ana Isabel Casquilho präsentiert er im Anschluss ein eindrucksvolles Duett, in dem die beiden ihre Kräfte bündeln. Ebenso überzeugend agieren auch Da Ae Kim und Alexandre Démont im zweiten Duett. Das Ensemble zeichnet sich durch große Präzision und synchrone Bewegungen in einer abstrakten Körpersprache aus. Von den blass gehaltenen Kostümen hebt sich ein breiter schwarzer Strich auf den Rücken der Tänzerinnen und Tänzer ab, der vielleicht für das Rückgrat und die Kraft steht, die das Ensemble in der Gemeinschaft findet. Zu Recht erntet die Compagnie für diesen kraftvollen Einstieg großen Beifall im Publikum. Gustavo Barros und Da Ae Kim beim finalen Duett in Extremely Close Der zweite Teil des Abends, Extremely Close, stammt von Alejandro Cerrudo und wurde 2007 für die Hubbard Street Dance Chicago als Auftragswerk entwickelt, bevor Cerrudo zum Hauschoreographen der Compagnie avancierte. Seine Uraufführung erlebte das Werk am 4. August 2008 im Joyce Theater New York. Zur Klaviermusik von Philip Glass und Dustin O'Halloran, einem 1971 geborenen US-amerikanischen Pianisten und Komponisten, entstehen durch den Einsatz verschiebbarer Wände immer wieder neue Bilder, die die Tänzerinnen und Tänzer mal ganz nah zusammenkommen lassen und sie dann wieder völlig unvermittelt separieren. Der Bühnenboden ist mit weißen Federn ausgelegt, die genau so leicht und flüchtig sind wie die Begegnungen der einzelnen Menschen in dem Stück. Ein Großteil der Musik wurde auch als Filmmusik verwendet. O'Hallorans Op. 17 diente beispielsweise 2006 in dem Historiendrama Marie Antoinette als musikalische Untermalung, und Glass' Metamorposis Two stellt ein musikalisches Hauptthema des Films The Hours dar. In dunklen Kostümen heben sich die Tänzerinnen und Tänzer von den hellen Bühnenwänden ab und werfen je nach Lichteinstellung große Schatten. Dabei gelingen ihnen mit einer modern-abstrakten Körpersprache eindrucksvolle Bilder, die wie Momentaufnahmen im Gedächtnis bleiben. Am Ende steht ein großes Duett zwischen Amber Neumann und Bobby Briscoe, in dem die beiden auf einer nun leeren Bühne zueinander finden. Auch hierbei überzeugt die Hagener Compagnie durch kraftvollen Ausdruck und synchrone Bewegungen, auch wenn das Stück insgesamt im Gegensatz zum ersten Teil ein wenig abfällt. Luminous Heart: Die Eltern (Bobby Briscoe und Ana Isabel Casquilho, rechts) bangen um ihre Tochter Delphin (Amber Neumann, links). Den Abschluss bildet die Uraufführung des Stückes Luminous Heart vom neuen Ballettdirektor Alfonso Palencia. Erzählt wird eine für das Ballett eher untypische Geschichte über eine Herztransplantation. Palencia wurde laut eigenem Bekunden in seinem Freundeskreis mit diesem Thema konfrontiert und hat sich daraufhin intensiv mit der Frage beschäftigt, wie ein solcher Eingriff das Leben, Fühlen und Denken eines Menschen beeinflussen kann. Dazu erzählt er in seiner Choreographie die Geschichte von Delphin, einer jungen Frau, die schwer herzkrank ist und dringend eine Transplantation benötigt. An ihrer Seite hofft neben ihren Eltern auch ihr Freund Guillaume, der sehr unter der Angst vor dem Verlust seiner Geliebten leidet. Eines Tages kommt es zu einem Streit zwischen Guillaume und einer Gruppe von Männern, die ihn zu Tode prügeln. Sterbend realisiert er, dass sein Herz das Organ ist, dass Delphin retten kann. Delphin ist voller Schmerz über den Tod ihres Freundes, betrachtet die Möglichkeit, mit seinem Herzen weiterleben zu können, jedoch auch als Trost, da sie so einen Teil ihres Geliebten immer in sich trägt. Wie Cerrudo verwendet auch Palencia Filmmusik von Philip Glass aus The Hours und ergänzt sie um Ausschnitte aus dem Soundtrack zu The Danish Girl von dem französischen Komponisten Alexandre Desplat. Des Weiteren baut er noch den Lost Song des isländischen Komponisten Ólafur Arnalds aus dessen Album Found Songs ein. Der italienische Tänzer und Musiker Massimo Margaria hat diese Musikstücke durch eigene Kreationen und Arrangements ergänzt und mit der Geschichte verbunden. Luminous Heart: Wird Guillaume (Gustavo Barros) nach seinem Tod ein Teil von Delphin (Amber Neumann)? Zu Beginn hört man sphärische Klänge, die an das Schlagen eines Herzen erinnern. Noch weist der Rhythmus eine gewisse Unregelmäßigkeit auf, was für Delphins Erkrankung spricht. Wenn der Vorhang sich hebt, sieht man Amber Neumann als kranke Delphin auf einem weißen, abstrakt geformten Podest, das wohl das Krankenbett darstellen soll. Saskia Rettig schafft als Bühnenraum eine Reihe von transparenten und beweglichen Elementen, die mal in ihrer Sterilität an ein Krankenzimmer erinnern, mal den Tänzerinnen und Tänzern durch die geschickte Lichtregie von Tanja Rühl die Möglichkeit geben, sich hinter diesen Wänden zu verstecken. Um das Bett kreist das Ensemble als Delphins Freunde. Ana Isabel Casquilho und Bobby Briscoe gestalten die leidenden Eltern mit einer ergreifenden Intensität. Neumann changiert als Delphin zwischen Trost für ihre Familie und Verzweiflung. Besonders innige Momente hat sie dabei mit Gustavo Barros als Guillaume. In den Momenten des Leidens gelingen Palencia in seiner Choreographie durch den tänzerischen Ausdruck des Ensembles und die Musikauswahl bewegende Bilder. Die Funktion der drei Engel erschließt sich szenisch jedoch nicht, zumal die drei Tänzer auch hinterher in schwarzen Kostümen mit Kapuzen die Rolle des Todes übernehmen, die Guillaume in einer erschütternden Szene zu Tode treten. Unklar bleiben auch die vier Tänzerinnen in weißen Kleidern, die kurz vorher Delphins Bett umgeben und wesentlich eher an Engel erinnern. Der Schluss wird dann wieder verständlicher. Delphin wird neben dem toten Guillaume auf eine Bahre gelegt, die anschließend in der Mitte geteilt wird. Wieder hört man die sphärischen Klänge eines schlagenden Herzen. Noch scheint Delphin nicht genesen. Doch dann erscheint ihr Guillaume erneut und es kommt zu einem innigen Moment, der zeigen soll, dass er nun immer bei ihr sein wird. Ob das jedoch wirklich ein Trost sein kann, ist diskutabel und lässt den Zuschauer genauso im Ungewissen wie den Choreographen wahrscheinlich selbst. Das Publikum belohnt die eindrucksvollen Bilder und die überzeugende Umsetzung der Compagnie mit großem Applaus. FAZIT Dem neuen Ballettdirektor Alfonso Palencia ist der Einstieg gelungen. Man darf also zuversichtlich sein, dass das Ballett Hagen auch nach Fernandos Weggang seinen Stellenwert im Hagener Theater beibehalten kann. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
ProduktionsteamLicht Dramaturgie
Ballett Hagen
Soma
Choreographie und Kostüme
Bühne
Choreographische Einstudierung Tänzerinnen und Tänzer *rezensierte Aufführung
Erstes Duett
Zweites Duett
Ensemble
Extremely Close Choreographie und Bühne Kostüme Choreographische Einstudierung Tänzerinnen und Tänzer *rezensierte Aufführung Finales Duett Ensemble
Luminous Heart
Choreographie
Bühne und Kostüme Tänzerinnen und Tänzer *rezensierte Aufführung
Delphin, herzkranke junge Frau
Guillaume, ihr Freund
Delphins Eltern
Engel
Delphins Freunde
Tod
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