Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Aida

Oper in vier Akten
Libretto von Antonio Ghislanzoni
Musik von Giuseppe Verdi


Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Halle am 20. Januar 2018


Opernhaus Halle

Unter Palmen ein Nicht-ganz-Gesamtkunstwerk

Von Roberto Becker / Fotos: © Theater, Oper und Orchester GmbH Halle, Falk Wenzel

Wohl dem, der Peter Konwitschnys Grazer Aida (in Meiningen oder Leipzig) gesehen hat. Der ersetzte das dümmlich hoppelnde Folklore-Ballett nach dem Triumph über die barbarischen Horden der Feinde durch einen Schüttelfrost-Anfall der Kriegsherren. Und den finalen Erstickungstod des Liebespaares durch die Flucht seiner Protagonisten aus dem Stück und dem jeweiligen Opernhaus auf die Plätze davor. Man sah, was man hörte. Diese nachhaltige Parteinahme für Verdis Aida gilt immer noch. Ebenso wie deren Prunkvariante a la Zeffirelli als Inbegriff von Inszenierungskitsch. Diverse Vergegenwärtigungsversuche sind die Bewegungsform für diesen Widerspruch. Und sie misslingen meistens. Mehr oder weniger. Besonders krachend bei den vorigen Salzburger Festspielen. Konwitschny und davor Hans Neuenfels haben mit ihren Aida Deutungen Musiktheatergeschichte geschrieben. So etwas ist natürlich nicht wiederholbar.


Vergrößerung

Michael von zur Mühlen hat jetzt dieses Werk als historisches Produkt und als Folie für einen Diskurs zu den brennenden Fragen der Gegenwart ins Visier genommen. Offensichtlich mit der Absicht, dem zu folgen, was er Heiner Müller im Gespräch mit Alexander Kluge in einer Videoeinspielung sagen lässt. Nämlich dass Theater nur überlebt, wenn es den Fokus nicht auf das Produkt, sondern auf den Prozess legt. Das stimmt im Prinzip. Anderseits erwartet (und zahlt) das Publikum für ein jeweils fertiges Produkt. Oper als Gesamtkunstwerk eben. Was ja eh schon schwer genug ist mit Geschichten, die schon im vorvorigen Jahrhundert mit der Vergangenheit spielten. Und damit ihre Gegenwart überblendeten. Im Uraufführungsjahr 1871 etwa gab es in Kairo etwas zu feiern. Und die Deutschen gewannen ihren Krieg und bekamen ihr Kaiserreich.

Vergrößerung

Ein Teil der Inszenierung sind die Prospekte der Pariser Erstaufführung von Aida 1880 zwischen den Fotokopien des Portals der Halleschen Oper aus der Vorkriegszeit. Inklusive des Gestenrepertoires von damals. Spielbein, Standbein. Arme hoch, Blick nach unten. Rampe. Jeder macht seins. Und kassiert seinen Applaus. Die Claqueure sitzen im Saal und machen (mitinszeniert, aber nicht gleich als solche erkennbar) ihren Job. Ausstatter Christoph Ernst hat zwar nicht auch noch die alten Aida-Kostüme nachschneidern lassen, aber die Sängercrew in die Mode der Zeit gesteckt. Das hat einen Effekt zwischen Atmosphäre und Ironie. Und Drohung. Dass jemand so etwas wie zur Uraufführung sehen will, wird wohl nach dieser Vorstellung niemand mehr im Ernst verlangen. Diese Dosis genügt. Ansonsten reichen die Bühnenbilder des Meininger Theaterherzogs im Museum. Aber es geht ja (zumal wenn ein ambitionierter Dramaturg inszeniert) um die Tauglichkeit der alten Vorlagen für den Diskurs der Gegenwart. So halten sich die Ägypter und Äthiopier im Stück gegenseitig für barbarische Horden. Da schenkt keiner dem anderen was. Und so erkennt man den Unterschied zwischen den Siegern und Besiegten nach dem Feldzug gar nicht. Muss man auch nicht.


Vergrößerung

Den wut(bürgerlichen) Ausbruch des einen Ägypters, den erkennt man schon. Ägypten den Ägyptern. Egypt first. Da verselbständigt sich der als Ägypter-Fußvolk skizzierte Chor im Aktionismus. So wie bei den kleinen Rempeleien, mit denen die Ballettmusik mehr desavouiert als aufgegriffen wird. Das ist schon wohlbedachte, polemische Absicht und nicht Unvermögen der Regie. Unterlaufene Klischees sind das eine, zur Kunstform Oper gehörige und auch so rezipierte. Die eingeflüsterten modephilosophisch daherkommenden Texte aus dem Off müssten aber eigentlich (wenn man sie nicht wie bei Macrons eingespieltem Europaplädoyer erfassen kann) in Theater übersetzt werden. Hier sind sie nur eingespielte Wortmusik. So bleibt der Zugang zwar deutlich erkennbar, auf dem Weg zum Gesamtkunstwerk aber noch jede Menge Platz.

Vergrößerung

Den füllt die Musik. Mit der Staatskapelle unter ihrem GMD Josep Caballé-Domenech, dem mit Extrachor verstärkten Opernchor (Einstudierung: Rustam Samedov und Peter Schedding) und einem Protagonisten-Ensemble, das sich hören lassen kann. Yannick Muriel Noah (Aida), Magnus Vigilus (Radamès), Vladislav Solodyagin (Ramphis) und Svitlana Slyvia (Amneris) wurden besonders gefeiert. Beim Regieteam gab es die obligaten Buhs.


FAZIT

Michael von zur Mühlens Zugang zu Verdis Aida ist ungewöhnlich und regt zur Diskussion über das Woher und Wohin der Gattung Oper an.




Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Josep Caballé-Domenech

Inszenierung
Michael von zur Mühlen

Bühne und Kostüme
Christoph Ernst

Video
Iwo Kurze

Chor
Rustam Samedov
#Peter Schedding

Dramaturgie
Jeanne Bindernagel


Chor und Extrachor der Oper Halle

Staatskapelle Halle


Solisten

Der König
Sebastian Kroggel

Amneris
Svitlana Slyvia

Aida
Yannick-Muriel Noah

Radamès
Magnus Vigilius

Ramfis
Vladislav Solodyagin

Amonasro
Oleksandr Pushniak

Ein Bote
Yuriy Svatenko

Eine Tempelsängerin
Kaori Sekigawa


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Opernhaus Halle
(Homepage)






Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum

© 2018 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -