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Musiktheater
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Die Dreigroschenoper

Ein Stück mit Musik in einem Vorspiel und acht Bildern von Bertolt Brecht
nach John Gays The Beggar's Opera
Text von Bertolt Brecht
Musik von Kurt Weill


Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Mehrspartenproduktion des neuen theaters Halle, der Oper und der Staatskapelle Halle
Premiere im Opernhaus Halle am 18. Februar 2018


Opernhaus Halle

Vorwärts und nicht vergessen ...

Von Roberto Becker / Fotos: © Theater, Oper und Orchester GmbH Halle, Falk Wenzel

Ihre Feuertaufe als Regisseurin im Opernhaus hatte Henriette Hörnigk schon mit Elfriede Jelinecks Wut. Es war ein Wurf in der Raumbühne "Heterotopia". Jetzt ist die Chefdramaturgin des Schauspiels in Halle wieder dort zu Gast. Mit der Dreigroschenoper auf der "normalen" Bühne. Was dort vor sich hin rotiert, sieht ein wenig nach "Alexandar Denic baut für Frank Castorf" aus. Orte, Fassaden, Räume in denen man herumklettern kann. Leuchtschrift. Irgendwann fährt man eine Riesentrommel, eine Art Wassertank, herein, die man auch erklimmen kann. Und wenn Bettlerboss Jonathan Peachum Polizeichef Tiger-Brown das Fürchten, wegen der Krönungsfeierlichkeiten, lehren und den ungeliebten Schwiegersohn Mackie Messer hängen sehen will, dann baumelt eine ganze Armee aus Bettlerdummies drohend vom Schnürboden. Zwischen denen genau zur rechten Zeit der reitende Bote des Königs (Pardon: der fliegende Engel des Happy Ends) herumflattert und verkündet, dass Mackie doch nicht gehängt wird.


Vergrößerung Polly Peachum - blond und raffiniert

Ausstatterin Claudia Charlotte Burchard hat für eine Opulenz gesorgt, die alles zusammenhält und aus der Nummernrevue ein Stück macht. Eins, bei dem die Bekanntheit der Songs Fluch und Segen sein können. Eher Fluch, wenn man etwa den großen aufklärenden Verfremder Brecht heute noch einmal verfremden wollte, weil man den 90 Jahre alten Zuspitzungen nicht traut. Wenn die pure Armut und die Grundtypen des Elends zur Sprache kommen, die Moral und das Fressen und die "Verhältnisse", die nicht so sind, ganz prinzipiell ins Visier geraten. Und wenn wir ein London auf der Bühne nachvollziehen sollen, bei dem Gangsterboss und Polizeichef eine GroKo bilden, dann kann die Jacke des "armen bb" auch schnell mal so aussehen, als hätte man sie aus der Altkleidersammlung gefischt. Dabei gehört sie in die Gruppe jener abgewetzten, ein bisschen aus der Mode gekommenen, aber immer noch wie angegossen sitzenden Kleidungsstücke, die man einfach nicht wegschmeißen will.

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Mackie und sein Freund Tiger von den übrigen Gaunern einreahmt.

Und da wären wir beim Segen, den Songs: Also beim Haifisch und seinen Zähnen. Oder der Seeräuber Jenny, aus deren Ballade Lars von Trier schon mal ein ganzes Dogville gemacht hat. Und bei den Plänen, die beide nicht gehen. Und bei der Bank, deren Gründung angeblich schlimmer ist, als sie auzurauben. Das Fazit nach der in Halle bejubelten Premiere: man darf Weill und Brecht und ihrem nachhaltigsten Hit getrost trauen. Der Komponist steht hier dabei bewusst an erster Stelle, denn das Ganze muss vor allem musikalisch stimmen. Wie in Halle mit Michael Wendeberg und den Musikern der Staatskapelle, die Mackies Kumpane zu Beginn in den hochgefahrenen Graben scheuchen.


Vergrößerung Siehst du den Mond über Soho: Polly und Mackie

Die aber dann sehr fein auf die Bühne abgestimmt und mit Verve loslegen. Und wenn Hörnigk schon mal ihren Chef Matthias Brenner für den Peachum im Team hat, dann darf der natürlich die Popularität des Stückes testen: Nach der Pause dirigiert er den Saal zu einem gemeinsamen "Und der Haifisch…" - Verfremdung als anheimelnde Behaglichkeit des Grauens. Warum nicht. Hörnigk findet alsbald zu einem Tempo, das zieht. Als Dramaturgin hat sie aber auch kleine Schmankerl in den Text geschmuggelt. Wie Mackies Direktive "Vorwärts immer, rückwärts nimmer". Und dann einen Tonfall zu einem "Vorwärts", dass es fast so klingt wie das bewusste Kampflied…

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Matthias Brenner als ein Peachum, der den Saal mitsingen lässt.

Vor allem kitzelt Hörnigk aus allen die Vollblutschauspieler heraus. Mit besonderem Erfolg bei Martin Reik als einem Mackie, der einfach begnadigt werden muss. Ein Freund der Frauen - zwei hat er aktuell geheiratet, seinen Donnerstagstermin im Bordell lässt er aber auch nicht ausfallen, wenn die Leute seines alten Kumpels Tiger Brown hinter ihm her sind. Grandios ist Elke Richter als Frau Peachum. Punktgenau gesungen, schlangenlinienförmig geslapstickt! Annemarie Brüntjen als Polly läuft zur Hochform auf, wenn sie mit ihrer Konkurrentin Lucy (Ines Lex) aneinander gerät. Beide treffen aufeinander, wenn sie Mackie in der Zelle besuchen. Die eine auf halber Strecke von der Schauspielerin zur Sängerin, die andere von der (echten) Opernsängerin zur Schauspielerin. Herrlich, wie da die Fetzen (und die Beine) fliegen! Alle sind so im Brecht-Weill-Modus, dass es eine Freude ist!


FAZIT

In Halle kommt die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill als Gemeinschaftsproduktion von Schauspiel und Oper auf die Bühne und überzeugt restlos.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Wendeberg

Inszenierung
Henriette Hörnigk

Bühne und Kostüme
Claudia Charlotte Burchard

Choreographische Mitarbeit
Rafal Zeh

Dramaturgie
Kornelius Paede


Staatskapelle Halle


Solisten

Mackie Messer
Martin Reik a.G.

Jonathan Jeremiah Peachum
Matthias Brenner

Celia Peachum
Elke Richter

Polly Peachum
Annemarie Brüntjen

Tiger-Brown
Matthias Walter

Lucy Brown
Ines Lex

Spelunken-Jenny
Bettina Schneider

Pastor Kimball / Konstabler Smith / Hure
Peter W. Bachmann

Filch / Hure
Hagen Ritschel

Moritatensänger / Hure
Harald Höbinger

Münzmatthias
Till Schmidt

Hakenfingerjakob
Karl-Fred Müller

Sägerobert / Hure
Jörg Simonides


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Opernhaus Halle
(Homepage)






Da capo al Fine

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