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Götterdämmerung

Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 20' (zwei Pausen)

Premiere in der Oper Kiel am 10. März 2018




Theater Kiel
(Homepage)
Untergang durch Feuerkugel

Von Thomas Molke / Fotos von Olaf Struck

Was im Spätsommer 1848 ursprünglich als große Heldenoper in drei Akten unter dem Titel Siegfrieds Tod geplant war, fand ein Vierteljahrhundert später seine kompositorische Vollendung im letzten Teil einer groß angelegten Tetralogie, die den Nibelungen-Mythos nicht nur mit einem musikalischen Gewand versah, sondern auch die aus dem Nibelungenlied bekannte Sage unter Einbezug der nordischen Edda und der Volsungen-Saga völlig neu definierte. Dabei ist die Götterdämmerung nicht nur der längste Abend des kompletten Rings, da hier noch einmal alle Motive der drei vorherigen Stücke zusammenfließen, sondern vielleicht auch der anspruchsvollste Teil, weil in der Partitur neben einem riesigen Orchesterapparat anders als in den vorangegangenen Teilen zusätzlich noch ein stattlicher Opernchor verlangt wird. Hinzu kommen mehrere Ortswechsel in den einzelnen Akten, was eine weitere Herausforderung für eine szenische Umsetzung darstellt. In Kiel hat sich nun der Intendant Daniel Karasek gemeinsam mit dem Generalmusikdirektor Georg Fritzsch der Aufgabe gestellt, dieses Mammutwerk auf den Spielplan zu stellen, und führt die Tetralogie nun zweieinhalb Jahre nach dem Beginn mit dem Vorabend zu einem fulminanten, wenn auch in einzelnen Aspekten diskutablen Abschluss. Nachdem Das Rheingold und Siegfried recht klassisch interpretiert worden sind und Karasek für einige experimentelle Ansätze in der Walküre nicht nur Zustimmung beim Publikum geerntet hat, werden im Abschluss der Tetralogie die überwiegend klassisch-abstrakten Elemente mit Videoprojektionen einer sich der Erde nähernden riesigen Feuerkugel kombiniert, die am Ende zum Weltenbrand führt. Dabei setzt Karasek auf das Regie-Team, das sich bereits im Siegfried bewährt hat, wobei die Bühnenbildnerin Chiharu Shiota, auf die Karasek bei einer Ausstellung ihrer Kunstinstallation aufmerksam geworden ist, noch Unterstützung von Anna Myga Kasten erhält.

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Siegfried (Bradley Daley) drängt es zu neuen Abenteuern. Brünnhilde (Kirsi Tiihonen) überlässt ihm ihr Ross Grane.

Auch der Figurenbildner Marc Schnittger ist wieder an der Inszenierung beteiligt. Nachdem er für Siegfried den Riesen Fafner als Großfigur auf die Bühne gebracht hat, der von mehreren Figurenspielern eindrucksvoll dargestellt wurde, wird nun Brünnhildes Ross Grane, das sie Siegfried für seinen Auszug zu neuen Abenteuern überlässt und mit dem sie am Ende in den Weltenbrand reitet, in die Inszenierung einbezogen. Wie schon der Drache im Siegfried und die beiden Riesen im Rheingold ist ein Großteil der Figur nur durch ein weißes Gerüst angedeutet, das von drei schwarz gekleideten Spielerinnen und Spielern recht lebensecht bewegt wird. Während den Riesen im Rheingold und dem Riesenwurm im Siegfried jedoch eine durchaus bedeutende Rolle im Stück zukam, hat man in der Götterdämmerung eher den Eindruck, dass der Einsatz des Pferdes eher dazu dient, das erfolgreiche Konzept der vorherigen Produktionen zu kopieren. Das Pferd ist in seinen Bewegungen zwar wunderbar anzusehen, für den Handlungsverlauf wichtig ist es jedoch nicht. Im Vorspiel lenkt es sogar eher vom Gespräch zwischen Brünnhilde und Siegfried ab, weil man sich eher auf die Bewegungen des Pferdes als auf Brünnhilde und Siegfried konzentriert. Auch ist es Siegfried natürlich nicht möglich, auf der Figur in sein neues Abenteuer zu reiten. Stattdessen zieht er es brav hinter sich her. Wenn Brünnhilde am Ende in die Flammen reitet, darf sich das Pferd zumindest einmal aufbäumen, bevor es der ehemaligen Walküre ins Feuer folgt.

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Die Nornen (von links: Agnieszka Hauzer, Lori Guilbeau und Tatia Jibladze) spannen das Seil.

Die Nornen-Szene wird eindrucksvoll umgesetzt. Im Hintergrund leuchtet bereits in feurigem Rot der Walkürenfelsen, wobei die roten Netze, die säulenförmig aus dem Schnurboden herabhängen, wie Fortsetzungen des Seils wirken, das die Nornen in ihrer Szene spannen. Mit klarer Diktion rekapitulieren Tatia Jibladze, Agnieszka Hauzer und Lori Guilbeau als Nornen noch einmal die Geschehnisse der ersten drei Teile der Tetralogie, wobei sie den roten Faden quer über die Bühne spannen. Wenn das Seil schließlich reißt, löst sich auch der Knoten zwischen den beiden Säulen im Hintergrund, und den Nornen bleibt nichts anderes übrig, als zur Mutter Erda zurückzukehren. Nun treten Brünnhilde und Siegfried auf, deren Welt im Moment noch in Ordnung ist. Wie bereits im Siegfried startet Kirsi Tiihonen als Brünnhilde auch in der Götterdämmerung mit etwas starkem Vibrato in der Stimme, setzt ihren dramatischen Sopran aber im weiteren Verlauf sehr diszipliniert ein und gestaltet die Partie recht textverständlich. Was die Textverständlichkeit betrifft, kann Bradley Daley als Siegfried ebenfalls punkten. Ansonsten fehlt ihm stimmlich in den Höhen das Heldenhafte, was er durch überzeugendes Spiel allerdings wieder ausgleicht.

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Hagen (Taras Shtonda, rechts) manipuliert Gunther (Ks. Tomohiro Takada, Mitte) und Gutrune (Agnieszka Hauzer) am Gibichungenhof.

Für Siegfrieds Rheinfahrt hat Konrad Kästner eine Videoprojektion entworfen, die eher an einen Flug durch das All erinnert. Man hat den Eindruck, dass der Walkürenfelsen auf einem anderen Planeten liegt und Siegfried an den Gibichungenhof zur Erde hinabsteigt. Hier ist alles sehr kahl und steril gehalten. Natur sucht man an diesem Hof vergeblich. Die folgenden Projektionen von Kästner deuten an, dass ein sich der Erde nähernder Feuerball bereits die Flora und Fauna der Erde in großen Teilen zerstört hat. Diese Projektionen sind zwar optisch eindrucksvoll gestaltet, werfen inhaltlich jedoch Fragen auf, weil der Weltenbrand damit ja schon einsetzt, lange bevor Brünnhilde ihn im Libretto eigentlich auslöst. Als Hagen stellt sich Taras Shtonda in Kiel vor und avanciert trotz der absolut bösen Rolle zum Publikumsliebling des Abends. Mit rabenschwarzem Bass zeichnet er den grimmen Albensohn, dessen einziges Ziel ist, in den Besitz des Rings zu kommen. Gunther wird von dem mittlerweile zum Kammersänger gekürten Tomohiro Takada mit kräftigem Bariton präsentiert und dabei szenisch keineswegs als Feigling gezeichnet, auch wenn er Hagens Intrigen nicht gewachsen ist. Takada macht darstellerisch glaubhaft, wieso sich Gunther zum Mord an Siegfried überreden lässt, wobei er bei der Jagdszene bereits erkennt, dass diese Entscheidung falsch gewesen ist. Doch er besitzt nicht die Kraft, Hagen an seinem Vorhaben zu hindern, und muss verzweifelt zusehen, wie Siegfried getötet wird. Umso wütender bricht sein Zorn aus ihm heraus, wenn er Hagen schließlich des Mordes an seinem Blutsbruder anklagt. Agnieszka Hauzer verfügt als Gutrune über einen warmen Sopran und macht sich mit verführerischem Spiel den Helden Siegfried gefügig. Dass sie von Hagen manipuliert wird, durchschaut sie genauso wenig wie ihr Bruder.

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Waltraute (Tatia Jibladze, rechts) bittet Brünnhilde (Kirsi Tiihonen, links), den Rheintöchtern den Ring zurückzugeben.

Ein musikalischer Glanzpunkt des Abends ist Waltrautes Erzählung im ersten Akt. Tatia Jibladze überzeugt als Waltraute in ihrer Schilderung mit dramatischem Mezzo und einer hervorragenden Diktion. Tiihonen begegnet ihrer Schwester als Gegenspielerin auf Augenhöhe und weist das Ansinnen, den Ring, Siegfrieds Liebespfand, den Rheintöchtern zurückzugeben, brüsk zurück. So viel Hochmut muss natürlich bestraft werden. Beim anschließenden Kampf mit dem als Gunther auftretenden Siegfried wird szenisch allerdings nicht wirklich glaubhaft, dass Daley Tiihonen den Ring entwenden kann. Wenn Gunther sie anschließend im zweiten Akt den Gibichungen als seine zukünftige Braut vorführt, nimmt man Tiihonen die gebrochene Frau nicht ganz ab. Erst als verratene Frau kann Tiihonen bei ihrer Forderung nach Rache szenisch wieder mehr überzeugen. Ein weiterer Glanzpunkt ist dann die Szene zwischen Hagen und seinem Vater Alberich zu Beginn des zweiten Aktes. Kammersänger Oskar Hillebrandt ist für den im Programmheft vorgesehenen Kammersänger Jörg Sabrowski eingesprungen, der die Partie des Alberich bereits im Rheingold und im Siegfried interpretiert hat. Hillebrandt überzeugt mit markantem Bass-Bariton und sauberer Diktion, macht aber deutlich, dass der Nachtalbe seinen Einfluss auf seinen Sohn bereits verloren hat. Sein "Sei treu" wirkt eher wie eine verzweifelte Bitte als wie ein Befehl. Shtonda zeigt mit schwarzem Bass absolut glaubhaft, dass Hagen nur sein eigenes Ziel verfolgt, und begeistert beim Aufruf zum Opfer mit autoritärer Stimmgewalt, die es mit dem kräftig auftrumpfenden Opernchor aufnehmen kann.

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Die Rheintöchter Woglinde (Mercedes Arcuri, links), Flosshilde (Tatia Jibladze, Mitte) und Wellgunde (Ks. Heike Wittlieb, rechts) wollen Siegfrieds (Bradley Daley) Ring.

Wenn Siegfried bei der Jagd auf die Rheintöchter trifft, werden die drei Bühnenstangen aus dem Rheingold wieder aufgegriffen, auf denen die Rheintöchter emporgezogen und wieder herabgelassen worden sind. Doch diese Stangen sind wie der Rhein nach dem Verlust des Goldes aus dem Gleichgewicht gekommen. In fahlem Licht sind Mercedes Arcuri als Woglinde, Kammersängerin Heike Wittlieb als Wellgunde und Tatia Jibladze als Flosshilde in die Jahre gekommen und wirken in ihren langen Gewändern wie alte Diven. Trotzdem fühlt Siegfried sich zu ihnen hingezogen und weist sie erst endgültig zurück, als sie ihm seinen nahenden Tod prophezeien. Wenn er anschließend Hagen und den Gibichungen von seinen Begegnungen mit dem Waldvogel erzählt, lässt Karasek eine Statistin im Waldvogelkostüm an der Seite auftreten, um Siegfrieds Erinnerung noch präsenter zu machen. Vielleicht erscheint ihm hier der Vogel aber noch einmal, um ihn zu warnen, kann von Siegfried aber nicht mehr verstanden werden. Bei Siegfrieds Ermordung sieht man dann auf der rechten Seite im Hintergrund in einer  Videoprojektion vor einem blauen Kosmos Wotan als Wanderer, der tatenlos zusehen muss, wie mit Siegfried seine letzte Hoffnung untergegangen ist. Wenn Siegfrieds Leichnam dann zurück an den Gibichungenhof gebracht wird, wird in einer weiteren Videoprojektion ein Leichenzug vor einem brennenden Wald eingeblendet, dessen Bäume bereits von dem nahenden Feuerball in Brand gesetzt worden sind.

Trotz dieser ganzen Weltuntergangsprojektionen im Verlauf der Aufführung inszeniert Karasek nicht gegen den Hoffnung bietenden Schluss. Tiihonen zieht bei "Starke Scheite schichtet mir dort" und ihrem folgenden Schlussgesang noch einmal alle Register ihres dramatischen Soprans, bevor sie mit einer Fackel Flammen an die Burg legt und gefolgt von ihrem Ross Grane in das Feuer eilt. Im Hintergrund sieht man anschließend in einer Projektion wie die Erde von dem Feuerball komplett vereinnahmt wird. Doch dann treten zahlreiche Kinder auf, die zunächst auf die Videoprojektion blicken, bevor sie sich zum Publikum drehen. Dass dieses Bild unter die Haut geht, ist vor allem dem ausdrucksstarken Spiel des Philharmonischen Orchesters Kiel unter der Leitung von Georg Fritzsch zu verdanken, dass diesen Ring musikalisch fulminant zu einem Abschluss bringt. Man möchte eigentlich einen Moment innehalten und dieses Bild auf sich wirken lassen, doch ein Teil des Publikums kann seine Begeisterung nicht zurückhalten und bricht direkt im Anschluss in frenetischen Jubel aus.

FAZIT

Intendant Daniel Karasek und GMD Georg Fritzsch gelingt im hohen Norden ein musikalisch fulminanter und szenisch überzeugender Ring, der einen Besuch absolut empfehlenswert macht.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Georg Fritzsch

Regie
Daniel Karasek

Bühne
Chiharu Shiota
Anna Myga Kasten

Kostüme
Claudia Spielmann

Lichtgestaltung
George Tellos

Video
Konrad Kästner

Großfigur, Entwurf und Bau
Marc Schnittger

Choreinstudierung
Lam Tran Dinh

Dramaturgie
Cordula Engelbert

 

Philharmonisches
Orchester Kiel

Opernchor und Herren des Extrachores
des Theaters Kiel

Statisterie des Theaters Kiel


Solisten

*Premierenbesetzung

Siegfried
Bradley Daley

Gunther
Ks. Tomohiro Takada

Hagen
Taras Shtonda

Alberich
Ks. Jörg Sabrowski /
*Ks. Oskar Hillebrandt

Brünnhilde
Kirsi Tiihonen

Gutrune
Agnieszka Hauzer

Waltraute
Tatia Jibladze

1. Norn
Tatia Jibladze

2. Norn
Agnieszka Hauzer

3. Norn
Lori Guilbeau

Woglinde
Mercedes Arcuri

Wellgunde
Ks. Heike Wittlieb

Flosshilde
Tatia Jibladze

Grane-Spielerinnen und Spieler
*Julian Bublitz
*Lasse Burmester
Andrey Rudnev
*Nina Scholz
Isaak Thiesen


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Kiel
(Homepage)




Da capo al Fine

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