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Ein Hauch von Csárdásfürstin
Von Thomas Molke / Fotos: © Matthias Stutte Von Emmerich Kálmán kennt man heute noch in erster Linie Die Csárdásfürstin und Gräfin Mariza. Der Rest seiner gut 20 Operetten hat - sieht man von vereinzelten Aufführungen ab - im deutschsprachigen Raum nicht den Sprung ins Repertoire geschafft. Dies gilt auch für seine 1917 in Wien uraufgeführte Faschingsfee, die eine Umarbeitung seiner zwei Jahre zuvor in Budapest herausgebrachten Operette Fräulein Susi (Zsuzsi kisasszony) mit Übernahme fast aller Musiknummern war. In Wien war dem Werk kein großer Erfolg vergönnt, da das Stück musikalisch und inhaltlich als Abklatsch der Csárdásfürstin kritisiert wurde. Erst durch die ein Jahr später entstandene Berliner Fassung für das Metropol-Theater mit der legendären Fritzi Massary in der Titelpartie konnte die Operette nach dem Ende des Ersten Weltkriegs große Erfolge feiern. Zur Eröffnung der neuen Spielzeit hat man nun in Mönchengladbach das Stück fast auf den Tag genau 100 Jahre nach der Wiener Uraufführung auf den Spielplan gestellt, und der Intendant des Theaters Krefeld-Mönchengladbach schlüpft höchstpersönlich in die Rolle des Rittmeisters von Grevlingen. Ausgelassene Stimmung beim Fasching in der Künstlerkneipe "Der grüne Pinsel": vorne von links: Samuel Lubitschek (Hayk Dèinyan), Victor Ronai (Michael Siemon) und Lori (Gabriela Kuhn) mit dem Chor des Theaters Krefeld und Mönchengladbach In seiner Operettenbiographie Unter Tränen lachen bezeichnet Stefan Frey Die Faschingsfee als eine "gewendete Csárdásfürstin", was mit Blick auf die Handlung nicht vollständig abgestritten werden kann. Statt der vom Fürstensohn Edwin geliebten Varieté-Sängerin Sylva Varescu ist es der Maler Victor Ronai, der sich in die verwitwete Fürstin Alexandra verliebt, die standesgemäß den Rittmeister Ottokar von Grevlingen heiraten soll, sich jedoch vielmehr zu dem mittellosen Maler hingezogen fühlt. Sieht man jedoch von diesem parallel gebauten Grundkonflikt und dem glücklichen Ende für Alexandra und Victor ab, erzählen Kálmáns Librettisten in der Faschingsfee eine ganz andere Geschichte. Alexandra trifft während des Karnevals wegen einer Autopanne zufällig in der Künstlerkneipe "Der grüne Pinsel" auf den Maler Victor, der sie vor den Avancen des aufdringlichen Staatssekretärs Dr. Lothar Mereditt bewahrt, was dazu führt, dass Mereditt den Victor für seine Malerei versprochenen Geldpreis in Höhe von 5000 Mark nicht auszahlt. Alexandra, die in der Künstlerkneipe als "Faschingsfee" incognito bleibt, lässt Victor heimlich das Geld für die Einrichtung seines Ateliers zukommen und sucht ihn einen Tag vor ihrer Verlobung dort auf. Die beiden verbringen die Nacht im Atelier, und Victor plant eine gemeinsame Zukunft mit der schönen Unbekannten. Da platzt der Rittmeister herein und stellt Alexandra zur Rede. Am Aschermittwoch soll die Verlobung zwischen dem Rittmeister und Alexandra gefeiert werden, doch Alexandra entzieht sich in letzter Sekunde der bevorstehenden Vernunftehe und bekennt sich zu Victor. Alexandra (Debra Hays) landet mit ihrem Chauffeur Hubert von Mützelburg (Markus Heinrich) im bunten Treiben der Bohemiens. Dass der Abend mit über drei Stunden für eine Operette verhältnismäßig lang ist, liegt vor allem daran, dass nach jedem Akt eine Pause gemacht wird. Dafür kreiert Siegfried E. Mayer allerdings auch jeweils ein komplett neues, aufwendig gestaltetes Bühnenbild, das die Operette in ihrer ganzen Opulenz glänzen lässt. Carsten Süss, der für die Aufführung in Mönchengladbach eine neue Dialogfassung erstellt hat, lässt die Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg spielen, um "die Handlung fassbarer und nachvollziehbarer darzustellen", wie er es in dem von ihm abgefassten Artikel im Programmheft erläutert. Ob man die Figuren jedoch besser nachvollziehen kann, wenn Dr. Mereditt als verkappter Altnazi dargestellt wird, der die Geschehnisse des Dritten Reiches mit einem Mantel des Schweigens bedecken will und in AfD-Manier den Wert alter deutscher Tugenden heraufbeschwört, ist fraglich. Von daher bleibt die Einlage "Herr Erbprinz, wir stellen gehorsamst uns vor" aus der Herzogin von Chicago, bei der vier arische Mädchen mit blonden Zöpfen im Hotel Regina auf der langen Verlobungstafel tanzen, genauso Geschmacksache wie der Regie-Einfall, am Ende dieser Musiknummer ein riesiges Portrait von Richard Wagner von der Wand rutschen zu lassen und dahinter ein Bild des Führers freizulegen. Rittmeister von Grevlingen (Michael Grosse) stellt seine zukünftige Braut Alexandra (Debra Hays) im Maler-Atelier zur Rede. Sieht man von diesem Ausrutscher ab, bietet der Abend für das Publikum Operetten-Unterhaltung vom Feinsten. Die Künstlerkneipe "Der grüne Pinsel" ist als leicht heruntergekommenes Etablissement im Souterrain angelegt, wobei man auf der hochgefahrenen Hinterbühne nicht nur die Straße sondern auch noch den Wagen sieht, dem die "Faschingsfee" entsteigt, um sich unter das bunte Treiben der Bohemiens zu mischen. Die Jukebox und Kinoplakate im Hintergrund sowie die jugendlichen Tänzerinnen und Tänzer lassen in Petticoats und mit gegelten Haaren das Rock 'n' Roll-Flair der 50er Jahre aufleben. Für das Maler-Atelier im zweiten Akt hat Mayer dann einen riesigen Dachgeschossraum mit einer gewaltigen schrägen Fensterfront entworfen, in dem Victors Gemälde wunderbar zur Geltung kommen. Das Portrait von Alexandra erinnert optisch jedoch eher an die andere Besetzung der Titelpartie, Janet Bartolova. Der dritte Akt atmet im Hotel Regina dann die muffige Atmosphäre der 50er Jahre mit einer riesigen Tafel und drei großen Landschaftsbildern mit röhrenden Hirschen. Der graue Aschermittwoch wird in diesem Ambiente ernst genommen, weil sich zur Verlobungsfeier nur eine alte Dame im Rollstuhl und ein sich ständig in der Nase bohrender junger Mann als Gäste eingefunden haben. Als Anspielung auf Dinner for One befindet sich auf der rechten Seite ein Teppich mit einem Eisbärkopf, über den der Rittmeister dann ganz zum Schluss stolpert. Musikalisch weht durch die meisten Nummern ein Hauch der Csárdásfürstin, so dass man zu Beginn fast jeden Liedes das Gefühl hat, in einem anderen Stück zu sein. Die Solisten werden von Mikroports unterstützt, da sie ansonsten an vielen Stellen wahrscheinlich von den frisch aufspielenden Niederrheinischen Sinfonikern unter der Leitung des neuen 1. Kapellmeisters Diego Martín-Etxebarría übertönt worden wären und man den Text nicht mehr verstanden hätte. So lässt nur bei Hayk Dèinyan als ständig krittelndem Samuel Lubitschek die Textverständlichkeit in den Liedern ein wenig zu wünschen übrig. Ansonsten gestaltet er Victors stets pessimistischen Freund mit großem Spielwitz und markanten Tiefen. Debra Hays stattet die Titelpartie mit leuchtendem Sopran aus und überzeugt mit eindringlichem Spiel. Nachvollziehbar gelingt ihr der Wandel von einer fremdbestimmten Dame aus gutem Hause hin zu einer selbstbewussten Frau, die es schafft, ihrem Herzen und nicht der Konvention zu folgen. Eindringlich gestaltet Süss das Ende, wenn sich der Vorhang zu melancholischen Klängen bereits schließt, während Hays mit ihrem zukünftigen Gatten und den wenigen Gästen an der Verlobungstafel traurig sitzt, so dass das Publikum schon am glücklichen Ausgang der Geschichte zweifelt. Doch dann gelingt es Hays doch noch, diesem traurigen Dasein zu entfliehen. Michael Siemon glänzt als Maler Victor nicht nur mit sauber ausgesungenen Höhen und strahlendem Tenor, sondern macht auch darstellerisch deutlich, dass für den jungen Mann sowohl Standes- als auch Altersunterschiede bedeutungslos sind. Juan Carlos Petruzziello überzeugt als unangenehmer Dr. Lothar Mereditt mit kräftigem Tenor. Musikalische Versöhnung im Hotel Regina: "Hubsi" (Markus Heinrich) und Lori (Gabriela Kuhn) Zu Publikumslieblingen avancieren Markus Heinrich und Gabriela Kuhn als "Hubsi" und Lori. Heinrich versprüht als Chauffeur des Rittmeisters, Hubert von Mützelburg, großartige Komik, wenn er verzweifelt versucht, die Zukünftige seines Chefs von dem Maler fernzuhalten, und löst damit bei seiner Geliebten Lori unkontrollierbare Eifersuchtsattacken aus. Kuhn begeistert als kecke Lori mit großem Spielwitz und sorgt vor allem im dritten Akt für einige Verwirrung, wenn sie den Rittmeister über ihre falschen Verdächtigungen aufklären will. Einen musikalischen Höhepunkt markiert ihr großes Versöhnungs-Duett im dritten Akt, wenn sie darüber philosophieren, wie der liebe Gott die Frau erfunden hat. Hier begeistern Mützelburg und Kuhn in einer temporeichen Choreographie von David Williams und geben nach dem tosenden Applaus des Publikums sogar noch zwei tänzerisch abgewandelte Zugaben. Intendant Michael Grosse mimt einen in den Konventionen behafteten Rittmeister, der am Ende großmütig auf seine Braut verzichtet. Singen muss er in dieser Rolle nicht. Der Chor des Theaters Krefeld und Mönchengladbach präsentiert sich stimmgewaltig und überzeugt durch große Spielfreude. Diego Martín-Etxebarría führt die Niederrheinischen Sinfoniker schwungvoll durch die Partitur, so dass es am Ende großen Jubel für alle Beteiligten gibt. FAZIT Carsten Süss gelingt eine im Großen und Ganzen schwungvolle und opulente Umsetzung einer unbekannten Operette, bei der musikalisch immer wieder die Csárdásfürstin durchschimmert. Dramaturgisch hat das Stück jedoch einige Längen und wird sich wohl langfristig nicht neben der Csárdásfürstin und Gräfin Mariza durchsetzen können.
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ProduktionsteamMusikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild Kostüme Choreographie Choreinstudierung
Dramaturgie
Chor des
Theaters Statisterie des Theaters Niederrheinische Sinfoniker
Solisten*Premierenbesetzung
Alexandra
Rittmeister Ottokar von Grevlingen
Dr. Lothar Mereditt
Victor Ronai
Samuel Lubitschek
Hubert von Mützelburg
Lori Aschenbrenner
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