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Cendrillon (Aschenputtel)

Märchenoper in vier Akten
Libretto von Henri Cain nach dem Märchen von Charles Perrault
Musik von Jules Massenet

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theater Münster am 14. April 2018

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Theater Münster
(Homepage)
Zwischen Traum und Wirklichkeit

Von Thomas Molke / Fotos von Oliver Berg

Auch wenn Jules Massenet im letzten Viertel des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu den Komponisten zählte, deren Werke auf den Spielplänen der französischen Opernhäuser stets präsent waren, ja sogar eine gewisse Vormachtstellung besaßen, haben sich nur wenige Stücke im Repertoire etablieren können, so dass eine Aufführung einer Massenet-Oper fernab von Manon und Werther schon als Rarität bezeichnet werden kann. Selbst aus Thaïs ist in der Regel nur das berühmte Intermezzo in diversen Galakonzerten zu hören. Dass seine 1899 in Paris mit großem Erfolg uraufgeführte Märchenoper Cendrillon heute ebenfalls ein Schattendasein führt, mag vor allem darauf zurückzuführen sein, dass Rossinis Opera buffa La Cenerentola musikalisch eine größere Anziehungskraft besitzt. Im Gegensatz zu Rossini greift Massenets Fassung wieder mehr auf das Märchen von Charles Perrault zurück und beinhaltet nicht zuletzt durch die Fee die magischen, märchenhaften Momenten, auf die Rossini größtenteils verzichtet. Vielleicht liegt es aber auch an der schwer zu besetzenden Partie der Fee mit einem hohen Koloratursopran, der einen enormen Stimmumfang erfordert, dass viele Bühnen vor einer Aufführung dieser Oper heute zurückschrecken. In Münster nimmt man die Herausforderung an und präsentiert zwei Wochen vor der Live-Übertragung aus der Met mit Joyce DiDonato eine eigene Inszenierung.

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Alles ist möglich: Lucette (Henrike Jacob) träumt sich in eine andere Welt.

Das Regie-Team um Roman Hovenbitzer lässt sich dabei vor allem von dem Medium Film inspirieren. Im Jahr der Uraufführung gab es auch eine Stummfilmadaption des Stoffes von Georges Méliès. Pandolphe, der Vater von Cendrillon, die bei Massenet Lucette heißt, betreibt ein Kino, in dem der neue Film Cendrillon in Anwesenheit der Hauptdarsteller Premiere feiert. Zur Ouvertüre sieht man auf einer großen Leinwand als Stummfilm die Schlusssequenz des Films, in der der Märchenprinz zu seiner geliebten Cendrillon findet. Ein Conférencier (Gregory Moulin) stellt dem Publikum die Akteure vor, die nach einem kurzen Pressetermin vor lebensgroßen Pappfiguren der Hauptpersonen Prinz, Cendrillon und Fee zur Premierenfeier im Restaurant "Belle Époque" entschwinden. Jetzt erst setzt die eigentliche Opernhandlung ein. Madame de la Haltière, Lucettes böse Stiefmutter, putzt ihre beiden Töchter Noémie und Dorothée für den Besuch der Feier heraus und hofft darauf, dass eine ihrer beiden Töchter auf der Feier das Herz des Hauptdarstellers gewinnen kann. Pandolphe folgt seiner Frau und lässt Lucette schweren Herzens allein im Kinosaal zurück. Diese macht sich an ihre Arbeit, träumt sich aber bald in eine andere Welt, in der eine Fee mit sechs Geistern aus der Kinoleinwand heraustritt. Die Fee erinnert in ihrem weißen Kostüm mit leuchtenden Lampen unter dem Tüllrock und dem Einhorn auf ihrer Stirn an ein Fabelwesen. Gemeinsam mit den Geistern stattet sie Lucette mit einem prächtigen Abendkleid und gläsernen Schuhen aus und bringt sie mit der Auflage, Punkt Mitternacht zurückzukehren, zur Premierenfeier.

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Pandolphe (Gregor Dalal) leidet unter seiner Frau Madame de la Haltière (Suzanne McLeod, links) und seinen beiden Stieftöchtern Noémie (Kristi Anna Isene, rechts) und Dorothée (Christina Holzinger, 2. von rechts).

Ab jetzt erkennt der Zuschauer selbst die Grenze zwischen Traum und Realität nicht mehr. Ist es nun der Prinz oder der Hauptdarsteller, der im zweiten Akt in einem Saal hoch oben auf einer Lampe sitzt und melancholisch seinen Gedanken nachhängt? Jedenfalls ist er genervt, von den zahlreichen Damen, die versuchen, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Kostümbildner Bernhard Niechotz hat vor allem für Madame de Haltière und ihre beiden Töchter fantasievolle, skurrile Kostüme entworfen, die sie mit den hochtoupierten Haaren und ihrem affektierten Gehabe der Lächerlichkeit preisgeben. Erst Cendrillons Auftritt zieht den Prinzen in ihren Bann. Doch Mitternacht kommt schneller als erwartet, und Lucette muss überstürzt den Ball verlassen. Zurück im Kino fühlt sich Lucette von überdimensionalen Schatten verfolgt, die in einer beeindruckenden Videoprojektion von Oliver Berg an die Rückwand des Kinosaals geworfen werden. Erschöpft flieht sie aus dem Haus und will sich das Leben nehmen. Die Rückwand des Kinosaals löst sich nun auf, und die Fee führt Lucette mit verbundenen Augen in einen abstrakten Raum, in dem sie erneut dem Prinzen, der nach dem Verschwinden der unbekannten Schönen ebenfalls das Weite gesucht hat, begegnet. In einem betörenden Duett finden die beiden zueinander, bevor der Morgen anbricht und Lucette erneut in den Kinosaal zurückkehrt.

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Der Prinz (Youn-Seong Shim) verliebt sich auf dem Ball in Cendrillon (Henrike Jacob, vorne) (im Hintergrund: die Fee (Kathrin Filip)).

Die Suche des Prinzen nach der Besitzerin des geheimnisvollen Schuhs wird nun als Film auf der Leinwand gezeigt. Mit großem komischen Talent versuchen Mitglieder des Chors, Madame de la Haltière und ihre beiden Töchter, den Schuh anzuziehen. Dabei sieht man, wie die Damen zunächst ihre Füße feilen und bearbeiten, bevor sie sich dem Anpassen des Schuhs stellen. Natürlich passt der gläserne Schuh keiner der Damen, und so kommt es durch das Wirken der Fee zu einer erneuten Begegnung zwischen Prinz und Lucette. Wie auf der Leinwand gibt es dann auch im Saal für den Hauptdarsteller und das Mädchen im Kino ein glückliches Ende. Die Grenzen zwischen Traum und Realität sind nun endgültig verschwommen.

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Die Fee (Kathrin Filip, Mitte) und die Geister (Damen des Chors) führen Cendrillon (Henrike Jacob, in der Mitte liegend) mit ihrem Prinzen zusammen.

Musikalisch bewegt sich der Abend auf gutem Niveau. Henrike Jacob stattet die Titelpartie mit leuchtendem Sopran aus und überzeugt durch mädchenhaftes Spiel. Die Partie des Prinzen, die Massenet eigentlich als Hosenrolle für einen Mezzosopran komponiert hat, wird in Münster mit dem Tenor Youn-Seong Shim besetzt. Shim punktet mit sauberen Höhen und findet in den Duetten mit Jacob zu einer bewegenden Innerlichkeit. Dennoch hätte man sich an dieser Stelle lieber zwei Frauenstimmen gewünscht. Kathrin Filips Sopran ist für die Partie der Fee etwas zu schwer. In den luziden Höhen trifft sie zwar die Töne sauber, lässt aber die Leichtigkeit vermissen, die dieses irreale Wesen auszeichnet. So klingt die Fee nicht ganz so ätherisch, wie es in der Partitur eigentlich gewünscht wird. Mit den sechs Geistern, die mit Damen des Chors gut besetzt sind, erzeugt Filip aber trotzdem eine märchenhafte Atmosphäre, die die Traumwelt von der Wirklichkeit deutlich abhebt. Gregor Dalal stattet Lucettes Vater mit sonorem, teilweise aber recht polterndem Bariton aus. Dabei wird deutlich, dass er in seiner Ehe mit Madame de la Haltière nichts zu melden hat. Suzanne McLeod gestaltet die böse Stiefmutter als regelrechten Drachen mit großem Komik-Potenzial. Auch Kristi Anna Isene und Christina Holzinger sorgen als Stiefschwestern Noémie und Dorothée mit großer Selbstironie für komische Momente. Stefan Veselka führt das Sinfonieorchester Münster mit sicherer Hand durch die teils sphärisch klingende Partitur. Der von Inna Batyuk gut einstudierte Chor rundet den Abend gekonnt ab, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Massenets Cendrillon ist eine nette Abwechslung zu Rossini La Cenerentola. Im direkten Vergleich würde man aber wahrscheinlich der italienischen Opera buffa den Vorzug geben.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Veselka

Inszenierung
Roman Hovenbitzer

Bühne und Kostüme
Bernhard Niechotz

Video
Oliver Berg

Choreographische Mitarbeit
Tomasz Zwozniak

Choreinstudierung
Inna Batyuk

Dramaturgie
Ronny Scholz

 

Sinfonieorchester Münster

Opern- und Extrachor des Theaters Münster

Statisterie

 

Solisten

Cendrillon
Henrike Jacob

Pandolphe
Gregor Dalal

Madame de la Haltière
Suzanne McLeod

Noémie
Kristi Anna Isene

Dorothée
Christina Holzinger

Die Fee
Kathrin Filip

Märchenprinz
Youn-Seong Shim

Der König
Stephan Klemm

Die Minister
Christian Sander
Filippo Bettoschi
Christoph Stegemann

Sechs Geister
Barbara Bräckelmann
Katarzyna Grabosz
Ute Hopp
Simona Maestrini
Katarina Michaelli
Melanie Spitau

Conférencier
Gregory Moulin


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