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Musiktheater
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Roméo et Juliette

Oper in einem Prolog und fünf Akten (sieben Bildern)
Libretto von Jules Paul Barbier und Michel Florent Carré nach dem gleichnamigen Drama von William Shakespeare
Musik von Charles Gounod

in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (eine Pause)

Premiere im Theater Aachen am 9. Dezember 2018

 

Logo: Theater Aachen

Theater Aachen
(Homepage)

Tragische Liebesgeschichte in antiker Ruine

Von Thomas Molke / Fotos: © Wil van Iersel

Charles Gounod ist in Deutschland vor allem durch sein berühmtes Ave Maria und die Vertonung von Johann Wolfgang von Goethes Drama Faust, der Tragödie erster Teil bekannt, mit dem er 1859 seinen Durchbruch als Opernkomponist feiern konnte und das in Deutschland wahrscheinlich aus Respekt vor dem großen deutschen Nationaldichter früher häufig unter dem Namen Margarethe gespielt wurde. Dabei konnte Gounod seinen größten Erfolg 1867 mit Roméo et Juliette feiern, einem Werk, das sich in der Struktur sehr nah an die Vorlage von William Shakespeare hält. Allein im Uraufführungsjahr stand das Stück in Paris 90 Mal in Folge vor ausverkauftem Haus auf dem Spielplan. Mit dem Stoff hatte sich Gounod schon als junger Komponist beschäftigt, als er eigentlich noch überwiegend als Kirchenmusiker tätig war. Nachdem er 1839 Hector Berlioz' Symphonie Roméo et Juliette gehört hatte, spielte er bereits 1841 mit dem Gedanken, ein Libretto von Felice Romani zu vertonen, das Bellini 1830 zu I Capuleti e i Montecchi verarbeitet hatte. Aber es sollte noch über 20 Jahre dauern, bis er sich erneut mit diesem Sujet auseinandersetzte und einen triumphalen Erfolg verbuchen konnte, der nicht nur ein Gegengewicht zu den Musikdramen Richard Wagners in Deutschland bildete, sondern auch richtungsweisend für die französischen Komponisten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wie Jules Massenet, Claude Debussy und Camille Saint-Saëns wurde. In Aachen bildet diese Oper nun gemeinsam mit dem Schauspiel Der Kaufmann von Venedig einen Shakespeare-Schwerpunkt, wobei in beiden Fällen Ewa Teilmans für die Regie verantwortlich zeichnet.

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Maskenball bei den Capulets (vorne links: Tybalt (Soon-Wook Ka), vorne rechts: Graf Capulet (Pawel Lawreszuk), dahinter: Chor)

Wie bei Shakespeare gibt es auch in der Oper einen Prolog, in dem der Chor die nachfolgende Handlung kommentiert und das tragische Ende bereits vorwegnimmt. Teilmans geht in ihrer Inszenierung sogar noch weiter und rahmt das komplette Stück in diesen Prolog ein. Nach Roméos und Juliettes Tod tritt der Chor noch einmal auf und wiederholt die Szene gewissermaßen als Epilog. Vor und während der Ouvertüre, die in regelrecht martialischen Klängen die Animositäten zwischen den Capulets und Montaigus herausarbeitet, choreographiert Hakan T. Aslan Straßenkämpfe zwischen den rivalisierenden Familien, die in ihrer Ausgestaltung schon beinahe an die Auseinandersetzungen zwischen den Jets und Sharks in Bernsteins West Side Story erinnern. Elisabeth Pedross hat als Bühnenbild eine gewaltige antike Ruine entworfen, in der die ganze Geschichte spielt und die durch Einsatz der Drehbühne schnell wechselnde Orte ermöglicht. Die hohen Gemäuer werden durch Gerüste wie beim Wiederaufbau eines antiken Monumentes gestützt. Das riesige Loch in der Rückwand der Fassade deutet die Zerstörung an, die die Feindschaft zwischen den beiden Familien mit sich gebracht hat. Die Kostüme von Andreas Becker sind beim Fest bei den Capulets im ersten Akt sehr opulent gehalten, zeigen die Figuren im weiteren Verlauf allerdings in moderner Kleidung als Menschen der Gegenwart, die in einer antiken Kulisse eine Geschichte durchleben, die auch heute noch nichts an Aktualität eingebüßt hat.

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Die berühmte Balkon-Szene: Juliette (Larisa Akbari) und Roméo (Alexey Sayapin)

Natürlich darf auch der berühmte Balkon nicht fehlen, von dem aus Juliette ihr erstes Rendezvous mit Roméo nach dem Maskenball hat. Im vierten Akt hängt ein langes weißes Tuch von dem Balkon herab, unter dem zwei Tänzer langsam auf die gegenüberliegende Seite der Bühne krabbeln, um so die ganze Bühne mit dem weißen Laken zu bedecken, in das sich anschließend Juliette und Roméo einhüllen, um ihre erste und gleichzeitig letzte Liebesnacht zu verbringen. Ein weißes Tuch fungiert dann am Ende auch als Leichentuch, mit dem die scheinbar tote Juliette in der Familiengruft aufgebahrt wird. Neben ihr liegt wie ein mahnendes Omen der tote Tybalt. Frère Laurent tritt bereits im ersten Akt beim Maskenball bei den Capulets als stummer Beobachter auf, befindet sich aber auf einem Gerüst im Hintergrund. Als Studierzimmer fungiert die Rückseite von Juliettes Balkon. Ein paar Plakate an der Zimmerwand deuten eine klerikale Umgebung an. Ansonsten hat Laurent mit seiner modernen Kleidung, der schwarzen Kappe und den Tätowierungen auf den Oberarmen nichts von einem Priester. Nur wenn er seine lange schwarze Kutte anlegt, um Roméo und Juliette zu vermählen, wird er als Mann der Kirche erkennbar. Ihm nimmt man so auch ab, dass er einen "rettenden" Trank bereithält, mit dem er Juliette vor der unmöglichen Hochzeit mit Graf Paris bewahren will. Sorgsam wacht er an Juliettes Grab, um auf Roméo zu warten, und bricht erst auf, als er erfährt, dass Roméo den Brief nicht erhalten hat. So kommt es zum unausweichlichen Tod der beiden Liebenden.

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Juliette (Larisa Akbari) bricht bei der geplanten Hochzeit mit Graf Paris (Andranik Fatalov, hinten rechts) in den Armen von Frère Laurent (Woong-jo Choi, vorne rechts) zusammen (links: Graf Capulet (Pawel Lawreszuk) mit dem Chor als Hochzeitsgesellschaft).

Musikalisch begeistert das Werk mit einer Fülle an bezaubernden Melodien, wobei neben den Titelfiguren auch die kleineren Partien mit wunderbaren Arien bedacht sind. Zu nennen ist hier beispielsweise Mercutio, der sich direkt im ersten Akt auf dem Maskenball über seinen Freund Roméo lustig macht, weil dieser aufgrund eines unguten Gefühls den Ball wieder verlassen möchte. Fabio Lesuisse begeistert in der Arie "Mab, la reine des mensonges" mit kräftigem Bariton, während er mit lebhaftem Spiel die Unberechenbarkeit der "Königin der Träume und Illusionen" vor Augen führt. Fanny Lustaud präsentiert mit ihrer Arie "Que fais-tu, blanche tourterelle" mit jugendlich frischem Mezzo Roméos Pagen Stéphano, der die Capulets provoziert und sie mit Geiern vergleicht, in deren Nest sich eine Turteltaube (Juliette?) verirrt hat. Durch die beiden Tänzer Ken Bridgen und Alekszandr Szivkov erhalten die nachfolgenden Kampfszenen ein Tempo, das es erneut mit einem aktionsreichen Musical aufnehmen kann. Auch Soon-Wook Ka macht hier als Tybalt darstellerisch mit Lesuisse eine sehr gute Figur. Doch Ka begeistert nicht nur mit atemberaubenden Kampfbewegungen. Auch stimmlich glänzt er mit höhensicherem Tenor auf ganzer Linie. Eine regelrechte Gänsehaut beschert im Anschluss der von Jori Klomp einstudierte Chor, wenn er in "O jour de deuil!" Mercutios und Tybalts Tod beklagt. Woong-jo Choi begeistert als Frère Laurent mit markantem Bass und intensivem Spiel. Für die erkrankte Julia Mintzer ist ganz kurzfristig die Mezzosopranistin Ariana Lucas eingesprungen, die die Partie der Amme Gertrude mit dunkel-timbriertem Mezzo meistert. Szenisch fällt nicht auf, dass sie erst am Tag der Premiere in die Produktion eingestiegen ist.

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Liebe bis in den Tod: Juliette (Larisa Akbari) und Roméo (Alexey Sayapin)

Eine Aufführung dieser Oper steht und fällt natürlich mit der Besetzung der beiden Titelpartien, aber auch da lässt der Abend in Aachen keine Wünsche offen. Larisa Akbari, die in Aachen bereits die Violetta in Verdis La traviata und Donna Anna in Mozarts Don Giovanni mit großem Erfolg interpretiert hat, verleiht der Partie der Juliette mit strahlend leichtem Sopran einerseits die jugendliche Frische, die für die Rolle erforderlich ist, und ist andererseits zu großen dramatischen Ausbrüchen fähig. Mit enormer stimmlicher Beweglichkeit und Ausdauer glänzt sie in den Koloraturen, was vor allem in ihrer großen Arie "Je veux vivre" im ersten Akt zum Ausdruck kommt, wenn Juliette ihre Lebensfreude auf dem Maskenball präsentiert. Alexey Sayapin, der in Aachen bereits als Alfredo in La traviata an ihrer Seite gestanden hat, ist auch als Roméo ein prädestinierter Partner. Mit großem tenoralen Schmelz gestaltet er seine Kavatine im zweiten Akt, "Ah! Lève-toi, soleil", in der er sich Juliettes Erscheinen auf dem Balkon herbeisehnt, und schwingt sich beim "parais" mit scheinbarer Leichtigkeit in grandiose Höhen empor, ohne dabei zu forcieren. Die vier Duette mit Akbari sind an Innigkeit kaum zu überbieten. Diesen beiden nimmt man das frisch verliebte Liebespaar in jedem Moment ab. Besonders unter die Haut geht das große Liebesduett "Nuit d'hyménée", in der sie ihre Hochzeitsnacht feiern, bevor Roméo ins Exil gehen muss. Da bricht das Publikum bereits in tosenden Applaus aus, bevor das Orchester verstummt ist. Auch das Abschiedsduett in der Gruft, "Viens! Fuyons au bout du monde!" rührt zu Tränen, bevor Roméo an den Folgen des Giftes stirbt und sich Juliette zeitgleich mit dem Dolch ersticht.

Das Sinfonieorchester Aachen schwelgt unter der Leitung von Christopher Ward in den süffigen Klängen der Partitur, trumpft vielleicht an einzelnen Stellen etwas zu stark auf. Aber da lässt sich Ward wahrscheinlich vom hohen Emotionsgehalt der Musik mitreißen. So gibt es am Ende verdienten Jubel für alle Beteiligten.

FAZIT

Diese Produktion ist Balsam für die Seele. Musikalisch lässt sie keine Wünsche offen, und optisch bietet die antike Ruine eine ideale Kulisse für die berühmte Liebestragödie.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christopher Ward

Inszenierung
Ewa Teilmans

Bühne
Elisabeth Pedross

Kostüme
Andreas Becker

Choreographie
Hakan T. Aslan

Choreinstudierung
Jori Klomp

Video
Luca Fois

Licht
Dirk Sarach-Craig

Dramaturgie
Michael Schmitz-Aufterbeck



Sinfonieorchester Aachen

Opern- und Extrachor Aachen


Solisten

*Premierenbesetzung

Juliette Capulet
Larisa Akbari

Gertrude, Juliettes Amme
Julia Mintzer /
*Ariana Lucas

Tybalt, Juliettes Cousin
Patricio Arroyo /
*Soon-Wook Ka

Graf Paris, mit Juliette verlobt
Andranik Fatalov

Graf Capulet, Juliettes Vater
Pawel Lawreszuk

Gregorio, Diener bei den Capulets
Stefan Hagendorn

Ein junger Capulet
Ken Bridgen

Roméo Montaigu
Alexey Sayapin

Stéphano, Roméos Page
*Fanny Lustaud /
Rina Hirayama

Benvolio, ein Freund Roméos
Soon-Wook Ka /
*Takahiro Namiki

Mercutio, ein Freund Roméos
Fabio Lesuisse

Ein junger Montaigu
Alekszandr Szivkov

Frère Laurent
Woong-jo Choi

Frère Jean
Johannes Piorek

Der Herzog von Verona
Vasilis Tsanaktsidis

Statisterie Theater Aachen
Thorsten Bindewald
Roman Charkirov
Tjark Döring
Tobias Kulka
Keara Lindert-Knöppel

 


Weitere Informationen
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Theater Aachen
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