Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Im Bann des Vergangenen
Von Roberto Becker / Fotos von Iko Freese - drama-berlin.de
Gerade hat die Deutsche Oper für ihre Ausgrabung von Erich Wolfgang Korngolds Oper Das Wunder der Heliane beim Jahresranking der Zeitschrift Opernwelt abgesahnt. Aus einer ziemlich verqueren Story hatte Christoph Loy eine Geschichte herausgeschält, die in den Bann zog und deren Interpreten durchweg begeisterten. Jetzt hat die Komische Oper mit Korngolds Toter Stadt nachgezogen. Eigentlich ist das ein risikoarmer, sicherer Griff in die Trickkiste mit Werken der immer noch stiefmütterlich behandelten Richard-Strauss-Konkurrenten. Wobei es der 1920 zeitgleich in Köln und Hamburg uraufgeführte Wurf des damals 23jährigen, längst als Wunderkind unter Genieverdacht etablierten Komponisten in den letzten Jahren wieder zurück ins Repertoire geschafft hat.
Basel, Magdeburg, Dresden, Hamburg … der Vergleichsmöglichkeiten sind viele. Da hat es die jüngste Produktion an der Komischen Oper schwer, wirklich standzuhalten. Und das, obwohl Barrie Kosky mit dem Kanadier Robert Carsen einen international gesuchten Regiestar eingeladen und mit Sara Jakubiak, die gerade nebenan in der Deutschen Oper bei der anderen Korngold-Oper gefeierte Heliane, für die weibliche Hauptrolle der Marietta engagiert hat. Jakubiak liefert natürlich auch als Marietta das schwelgerische Strahlen und kalkulierte Ausflippen der Lebenslust. Dank der Übertitelungsanlage ist es auch kein wirkliches Problem, dass nicht jedes Wort klar zu verstehen ist. Die lebende Wiedergängerin bringt Paul aus der Fassung
Und natürlich gibt es den Aha-Effekt, wenn die beiden ans Herz gehenden unverwüstlichen Ohrwürmern: "Glück, das mir verblieb…" und "Mein Sehnen, mein Wähnen, …" erklingen. Aber fürs hingerissene Wegschmelzen geht es diesmal einfach zu laut zu. Der neue GMD Ainārs Rubikis treibt das Orchester der Komischen Oper oft bis kurz unter die Ohrstöpselgrenze, was nicht nur für die Sänger ein Problem der Durchschlagskraft wird. Mitunter klingt das nicht nach dem metaphorischen, von einem dekadenten Todeshauch umwehten Brügge (die Oper geht auf den symbolistischen Roman Bruges-la-Morte zurück), sondern eher nach dem Peking-Bombast in Puccinis Turandot. Die Imitation von Maschienengewehr-Schlagzeug inklusive. Ein wirklich feingesponnenes schwelgerisches Klangfarbenvergnügen ist das nicht. Mehr eine harte akustische Droge. Die aber immerhin. Marietta ist ein begehrter Star
Ein Problem des Abends ist aber überraschenderweise auch die Regie. Es ist ein Carsen von der Stange geworden. Mit einigen Ingredienzien, die für die Komische Oper typisch sind - und meistens auch passen. Also flotte Balletteinlagen und eine Dosis Glanz und Glamour. Hier mit einem Auftritt, bei dem Marietta auf dem Kronleuchter durch die Decke einschwebt. Dazu waren die Wände des entstehungszeittypischen, aber als Raum ins Riesenhafte ausgedehnten Schlafzimmers gleichsam auseinander geflogen (Bühne: Michael Levine). Da hatte sich die "Kirche des Gewesenen", wie Paul den Raum der krankhaft übersteigerten Erinnerung an seine verstorbene Frau Marie nennt, spaltweise zur Welt hin geöffnet und Maries äußerliche Wiedergängerin Marietta und mit ihr das pralle Leben eindringen lassen. Für Paul, dem Aleš Briscein mit Dauerhochdruck beizukommen versucht, ist diese ganze lebendige Welt Ursache für Kopfschmerzen. Immer wieder hält er sich verkrampft die Schläfen, weil er das Leben nicht wirklich aushält. Carsen erzählt die Geschichte gleichsam realistisch. In einem ins großbürgerliche vergrößerten Raum mit aufs kleinbürgerliche verkleinerten Akteuren. Paul immer in seinem grauen Businessanzug. Ohne den großen Revueauftritt mag man es an der Komischen Oper nicht ...
Marietta am liebsten in Unterwäsche. Als sie sich ihm zu weit annähert und mit seiner wichtigsten Reliquie, den Haaren seiner toten Frau, spielt, erwürgt er sie. Wobei das aber auch ein Traum sein kann, in dem ihm klar wird, dass sein Traum von Wirklichkeit den der Erinnerung zerstört hat, wie er so melancholisch wie hellsichtig singt. Am Ende jedenfalls sind die Haar-Reliquie, sein Freund Frank und Haushälterin Brigitta nur noch für ihn - nicht mehr für die Zuschauer - wirklich vorhanden. Wenn die beiden am Ende doch noch auftauchen, haben sie weiße Kittel an und Paul folgt ihnen widerstandslos, wohin auch immer. Viel weiter als mit dieser dialektischen Pointe am Ende geht Carsen nicht über eine realistische Bebilderung der Geschichte hinaus. Günter Pappendell ist jener besorgte Freund Frank, der - vielleicht nur in Pauls Einbildung - zu seinem Rivalen bei Marietta wird, und der Pierrot aus ihrer Künstlertruppe. Maria Fieser eine betörend souveräne Brigitta. Das Publikum applaudierte am Ende einhellig - wie echte Korngoldbegeisterung klingen kann, war dann doch mehr beim Wunder der Heliane zu erleben gewesen. In Sachen Korngold bleibt die Deutsche Oper der Berliner Sieger.
Robert Carsens Regie bleibt deutlich unter den Erwartungen. Musikalisch setzt GMD Ainārs Rubikis vor allem auf Lautstärke. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreographie
Licht
Video
Chöre
Kinderchor
Dramaturgie
Solisten
Paul
Marietta/ Erscheinung Maries
Frank, Pauls Freund /
Brigitta, Pauls Haushälterin
Juliette, Tänzerin
Lucienne
Victorin, Der Regisseur
Graf Albert
Tänzerinnen und Tänzer
|
© 2018 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de