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Ausnahmsweise trifft der Tod mal den RichtigenVon Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu
Der Saisonauftakt findet im Keller statt. Genauer in der "Werkstatt", wie die kleine Bühne im Bonner Opernhaus heißt. Victor Ullmanns Kaiser von Atlantis ist auch im kleinen Format komponiert, im Konzentrationslager Theresienstadt in den Jahren 1943-44 für die dort gerade verfügbare Besetzung. Zur Uraufführung kam es dort nicht mehr, Ullmann wurde nach Auschwitz deportiert und umgebracht, und dort starb auch Librettist Peter Kien (vermutlich an einer Infektion). Die Oper aufzuführen ist aller Ehren wert; sie auf einer sehr kleinen Bühne zu spielen ist - wie zuletzt in Köln - nicht unproblematisch: Die Stimmen mischen sich schlecht mit dem Orchesterklang und sind zu direkt, es fehlt auch an theatralischer Distanz. Dabei hat diese Bonner Produktion, entstanden in Kooperation mit dem Beethovenfest, ihre musikalischen Meriten. Unter der Leitung von Hermes Helfricht trifft das Beethoven Orchester in Kammerbesetzung sehr gut die wechselnden Tonfälle Ullmanns, hinter denen die Zeitoper der 1920er-Jahre aufblitzt im Nummernschema mit Blues und Choral. Der Kaiser
Den düsteren Umständen zum Trotz bewahrt sich die Oper eine Spur Witz, wenn der Tod dem Kaiser die Gefolgschaft versagt und der erklärte Krieg aller gegen alle folglich nicht zum Sterben führt - bis der Kaiser angesichts seiner unerwarteten Ohnmacht sich bereit erklärt, als erster dem Tod zu folgen. Giorgos Kanaris muss als Kaiser seine Stimme zurücknehmen angesichts der Nähe zum Publikum, wodurch manche Passagen wackeln, gestaltet die Partie aber insgesamt ordentlich wie auch Leonard Barnad die des Todes und des Lautsprechers. Tenor Christian Georg als Harlekin, Symbol für das Leben, und als plötzlich in den Gegner verliebter Soldat hat es einfacher, insbesondere im schönen Liebesduett mit Bubikopf (Rose Weissgerber), und Charlotte Quadt ist ein vokal intensiver Trommler. Alles nicht schlecht, und doch bleibt der Raum akustisch unbehaglich für eine Oper. Tod und Harlekin
Wie aber geht man mit dem Stoff und dem historischen Kontext um? Regisseurin Seollyeon Konwitschny (den Nachnamen hat die gebürtige Koreanerin von ihrem Ehemann, dem Regisseur Peter Konwitschny) lässt im Prolog, in dem die Grundzüge der Handlung vorgestellt werden, einen jungen Mann auftreten, der mit einem Klavierauszug oder Textbuch (Details sind von der Zuschauertribüne mit mäßiger Sicht nicht immer zu erkennen) einem SS-Offizier die Handlung darlegt - und anschließend von diesem erschossen wird. Man ahnt in der Figur den Komponisten oder Librettisten (oder auch beide), und im Folgenden schlüpft diese Figur in die Rolle des Todes und damit des großen Gegenspielers des Kaisers. Du magst mich töten, aber in meinem Werk überlebe ich Dich - so in etwa kann man das Konstrukt deuten, und das ist eine ganz akzeptable Lösung. Das Bühnenbild besteht aus einer Reihe weiß gestrichener Koffer, wohl ein Bild für die im KZ Umgekommenen, und hier ist das Problem, dass diese Koffer über die Symbolwirkung hinaus keine klare Funktion bekommen, im Weg stehen und am Ende an der Rückwand gestapelt werden. Der Kaiser selbst ist dann ein moderner Manager mit Laptop, der Trommler seine eiskalt agierende Chefsekretärin, also eine ziemlich moderne Deutung. Auch der Soldat und Bubikopf (hier eindeutig eine Frau), das Liebespaar, sind gegenwärtige Figuren. Wenn sie ein verdorrtes Blümchen finden, das am Ende ergrünt, ist das allerdings nicht nur Kitsch, sondern auch fragwürdig: Der Schluss der Oper - die Wiederkehr des Todes - ist ja doch ein ausgesprochen ambivalentes Bild, zumal mit Kenntnis des historischen Kontextes. Da sollte sich ein positiv gedeutetes Finale à la "Der Kaiser ist tot" verbieten. Ärger über die Tod-Verweigerung: Harlekin, Kaiser und Trommler
Plausibler ist, zumindest auf den ersten Blick, die Idee, Karl Amadeus Hartmanns Klaviersonate 2. April 1945 einzuschieben - eine musikalische Reaktion auf den Todesmarsch der in Dachau Inhaftierten nach der Evakuierung des Lagers, den der Komponist vor seinem Domizil unmittelbar miterlebte (der junge kanadische Pianist Ben Cruchley spielt die Musik klar und sachlich). Musikalisch ist das allerdings eine andere Welt, und dadurch geht ein Bruch durch den Abend (oder besser zwei, vor und nach der Sonate). Der Regisseurin gelingt es dabei nicht, die Sonate szenisch plausibel zu integrieren. Ein paar der Koffer werden beiseite geräumt, der Flügel in die Bühnenmitte geschoben, und dann erklingt das Werk als konzertanter Einschub mit Applaus am Ende - bevor dann der Kaiser von Atlantis fortgesetzt wird. Hat dieser Kaiser etwa durch Hartmanns Musik so etwas wie Läuterung erfahren? Das aber wird szenisch nicht erkennbar. Oder muss das Ende (bei dem ja letztendlich alle sterben, wenn der Tod wieder aktiv wird) ein wenig geschönt werden des Konzepts wegen? Hier endet der Abend mit zum Publikum erhobenen Zeigefinger in der Erkenntnis: "Du sollst den großen Namen Tod nicht eitel beschwören." Daran hätte die Regie sich mal ein Beispiel nehmen sollen.
Eigentlich ist der Regieansatz mit einer Verschränkung von Historie und zeitloser Gegenwart sowie von Ullmann und Hartmann nicht schlecht, aber so recht zünden will das Konzept dann doch nicht. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Ausstattung
Licht
Dramaturgie
Solisten
Kaiser Overall
Der Lautsprecher / Der Tod
Harlekin / Pierrot / Soldat
Bubikopf / Mädchen /weiblicher Soldat
Ein Trommler
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