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Musiktheater
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Der Kaiser von Atlantis
oder Die Tod-Verweigerung

Spiel in einem Akt
Text von Peter Kien
Musik von Victor Ullmann
Unter Verwendung der Klaviersonate 27. April 1945 von Karl Amadeus Hartmann


in deutscher Sprache, keine Übertitel

Aufführungsdauer: ca. 1h 20' (keine Pause)

In Kooperation mit dem Beethovenfest Bonn
Premiere in der Werkstatt im Opernhaus Bonn am 7. September 2018


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Theater Bonn
(Homepage)

Ausnahmsweise trifft der Tod mal den Richtigen

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu


Der Saisonauftakt findet im Keller statt. Genauer in der "Werkstatt", wie die kleine Bühne im Bonner Opernhaus heißt. Victor Ullmanns Kaiser von Atlantis ist auch im kleinen Format komponiert, im Konzentrationslager Theresienstadt in den Jahren 1943-44 für die dort gerade verfügbare Besetzung. Zur Uraufführung kam es dort nicht mehr, Ullmann wurde nach Auschwitz deportiert und umgebracht, und dort starb auch Librettist Peter Kien (vermutlich an einer Infektion). Die Oper aufzuführen ist aller Ehren wert; sie auf einer sehr kleinen Bühne zu spielen ist - wie zuletzt in Köln - nicht unproblematisch: Die Stimmen mischen sich schlecht mit dem Orchesterklang und sind zu direkt, es fehlt auch an theatralischer Distanz. Dabei hat diese Bonner Produktion, entstanden in Kooperation mit dem Beethovenfest, ihre musikalischen Meriten. Unter der Leitung von Hermes Helfricht trifft das Beethoven Orchester in Kammerbesetzung sehr gut die wechselnden Tonfälle Ullmanns, hinter denen die Zeitoper der 1920er-Jahre aufblitzt im Nummernschema mit Blues und Choral.

Szenenfoto

Der Kaiser

Den düsteren Umständen zum Trotz bewahrt sich die Oper eine Spur Witz, wenn der Tod dem Kaiser die Gefolgschaft versagt und der erklärte Krieg aller gegen alle folglich nicht zum Sterben führt - bis der Kaiser angesichts seiner unerwarteten Ohnmacht sich bereit erklärt, als erster dem Tod zu folgen. Giorgos Kanaris muss als Kaiser seine Stimme zurücknehmen angesichts der Nähe zum Publikum, wodurch manche Passagen wackeln, gestaltet die Partie aber insgesamt ordentlich wie auch Leonard Barnad die des Todes und des Lautsprechers. Tenor Christian Georg als Harlekin, Symbol für das Leben, und als plötzlich in den Gegner verliebter Soldat hat es einfacher, insbesondere im schönen Liebesduett mit Bubikopf (Rose Weissgerber), und Charlotte Quadt ist ein vokal intensiver Trommler. Alles nicht schlecht, und doch bleibt der Raum akustisch unbehaglich für eine Oper.

Szenenfoto

Tod und Harlekin

Wie aber geht man mit dem Stoff und dem historischen Kontext um? Regisseurin Seollyeon Konwitschny (den Nachnamen hat die gebürtige Koreanerin von ihrem Ehemann, dem Regisseur Peter Konwitschny) lässt im Prolog, in dem die Grundzüge der Handlung vorgestellt werden, einen jungen Mann auftreten, der mit einem Klavierauszug oder Textbuch (Details sind von der Zuschauertribüne mit mäßiger Sicht nicht immer zu erkennen) einem SS-Offizier die Handlung darlegt - und anschließend von diesem erschossen wird. Man ahnt in der Figur den Komponisten oder Librettisten (oder auch beide), und im Folgenden schlüpft diese Figur in die Rolle des Todes und damit des großen Gegenspielers des Kaisers. Du magst mich töten, aber in meinem Werk überlebe ich Dich - so in etwa kann man das Konstrukt deuten, und das ist eine ganz akzeptable Lösung. Das Bühnenbild besteht aus einer Reihe weiß gestrichener Koffer, wohl ein Bild für die im KZ Umgekommenen, und hier ist das Problem, dass diese Koffer über die Symbolwirkung hinaus keine klare Funktion bekommen, im Weg stehen und am Ende an der Rückwand gestapelt werden. Der Kaiser selbst ist dann ein moderner Manager mit Laptop, der Trommler seine eiskalt agierende Chefsekretärin, also eine ziemlich moderne Deutung. Auch der Soldat und Bubikopf (hier eindeutig eine Frau), das Liebespaar, sind gegenwärtige Figuren. Wenn sie ein verdorrtes Blümchen finden, das am Ende ergrünt, ist das allerdings nicht nur Kitsch, sondern auch fragwürdig: Der Schluss der Oper - die Wiederkehr des Todes - ist ja doch ein ausgesprochen ambivalentes Bild, zumal mit Kenntnis des historischen Kontextes. Da sollte sich ein positiv gedeutetes Finale à la "Der Kaiser ist tot" verbieten.

Szenenfoto

Ärger über die Tod-Verweigerung: Harlekin, Kaiser und Trommler

Plausibler ist, zumindest auf den ersten Blick, die Idee, Karl Amadeus Hartmanns Klaviersonate 2. April 1945 einzuschieben - eine musikalische Reaktion auf den Todesmarsch der in Dachau Inhaftierten nach der Evakuierung des Lagers, den der Komponist vor seinem Domizil unmittelbar miterlebte (der junge kanadische Pianist Ben Cruchley spielt die Musik klar und sachlich). Musikalisch ist das allerdings eine andere Welt, und dadurch geht ein Bruch durch den Abend (oder besser zwei, vor und nach der Sonate). Der Regisseurin gelingt es dabei nicht, die Sonate szenisch plausibel zu integrieren. Ein paar der Koffer werden beiseite geräumt, der Flügel in die Bühnenmitte geschoben, und dann erklingt das Werk als konzertanter Einschub mit Applaus am Ende - bevor dann der Kaiser von Atlantis fortgesetzt wird. Hat dieser Kaiser etwa durch Hartmanns Musik so etwas wie Läuterung erfahren? Das aber wird szenisch nicht erkennbar. Oder muss das Ende (bei dem ja letztendlich alle sterben, wenn der Tod wieder aktiv wird) ein wenig geschönt werden des Konzepts wegen? Hier endet der Abend mit zum Publikum erhobenen Zeigefinger in der Erkenntnis: "Du sollst den großen Namen Tod nicht eitel beschwören." Daran hätte die Regie sich mal ein Beispiel nehmen sollen.


FAZIT

Eigentlich ist der Regieansatz mit einer Verschränkung von Historie und zeitloser Gegenwart sowie von Ullmann und Hartmann nicht schlecht, aber so recht zünden will das Konzept dann doch nicht.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Hermes Helfricht

Inszenierung
Seollyeon Konwitschny

Ausstattung
Helmut Brade

Licht
Thomas Roscher

Dramaturgie
Tilmann Böttcher


Beethoven Orchester Bonn


Solisten

Kaiser Overall
Giorgos Kanaris

Der Lautsprecher / Der Tod
Leonard Bernard

Harlekin / Pierrot / Soldat
Christian Georg

Bubikopf / Mädchen /weiblicher Soldat
Rose Weissgerber

Ein Trommler
Charlotte Quadt



Weitere
Informationen

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Theater Bonn
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