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Musiktheater
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Tristan und Isolde

Handlung in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner


In deutscher Sprache mit flämischen und französischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h (zwei Pausen)

Koproduktion mit der Opera Australia und dem Teatro Communale di Bologna
Premiere in der Opera la Monnaie Brüssel am 2. Mai 2019


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La Monnaie
(Homepage)
Die Macht der Bilder

Von Roberto Becker / Fotos © Van Rompey und Van Rompay/Segers

Ambitioniert ist der Spielplan bei Peter de Caluwe in Brüssel allemal. Eine so ausgefallene, in gleich zwei komplett verschiedene Bildwelten entschwindende Zauberflöte wie die von Romeo Castellucci zu Beginn der laufenden Spielzeit muss man sich erstmal zutrauen. Freilich trägt zu Caluwes Erfolg eine Risikobereitschaft bei, die größer ist als bei manch einem seiner Kollegen an vergleichbaren Häusern. Dass er jetzt den vom Film kommenden Deutschen Ralf Pleger zu seinem Operndebüt mit nichts Geringerem als Richard Wagners Tristan und Isolde eingeladen und mit dem Bildhauer Alexander Polzin zusammengespannt hat, verwundert also nicht allzu sehr. Polzin ist mit seiner Arbeit schon weiter als bis ins Foyer der Pariser Bastille und des Brüssler La Monnaie vorgedrungen, wo Arbeiten von ihm stehen. In Brüssel ist es eine Skulptur, die an Caluwes legendären Vorvorgänger im Amt, Gerard Mortier, erinnert. Er hat auch schon als Bühnenbilder an etlichen Inszenierungen mitgewirkt. Neben vielen kleineren Arbeiten u.a. 2009 bei David Hermanns Rigoletto an der Deutschen Oper am Rhein und 2013 für den Parsifal von Michael Schulz zu den Salzburger Osterfestspielen.

Der 1967 im Havelland geborenen Ralf Pleger hat sich vor allem als Filmemacher einen Namen gemacht. Etliche aus dem Umfeld der Oper, u.a. über die Komponisten Georg Friedrich Händel und Richard Wagner. Dem Schöpfer des Tristan war in dessen Jubiläums-Jahr 2013 der Neunzigminüter Wagnerwahn mit Samuel Finzi und Pegah Ferydoni gewidmet. Mit seiner weltweit tourenden Konzertshow In War & Peace - Harmony Through Music mit Joyce DiDonato, Manuel Palazzo, Maxim Emelyanychev und dem Orchester Il Pomo d'Oro ist er der eigentlichen Oper immerhin schon mal recht nahe gekommen.


Foto kommt später Erster Aufzug (Foto © Van Rompay/Segers)

Nun also Tristan und Isolde in Brüssel. Hier dominiert zunächst die Bildwelt von Polzin. Er hat sich zusammen mit dem Regisseur (beide firmieren ausdrücklich gemeinsam für die künstlerische Konzeption) zu drei sich komplett unterscheidenden Bildern entschlossen. Sie sind alle drei weit von jedem Realitätsbezug entfernt und versuche so das Besondere von Wagners Ausnahmewerk in Sichtbare zu holen. Dabei löst Pleger die Akteure allerdings nicht so weit aus dem Bildkontext, dass sie eine eigenständig menschliche Grenzerfahrung anschaulich machen könnten. Sie bleiben aufs Rituelle, Zeichenhafte reduziert. Mit der Bewegungsenergie geht er ähnlich knausrig um wie Robert Wilson. Es wird vor allem geschritten, gestanden, als Figurine gewirkt, vor allem aber von der Rampe weg hemmungslos ins Publikum gesungen. Was für die Sänger zunächst kein Nachteil sein muss. Man merkt man den kleinteiligen Bewegungschoreographien der Körper bzw. der Hände gleichwohl an, dass sie mit einem Kamerablick entworfen wurden und in Großaufnahme sicher auch Wirkung entfalten würden.

Foto kommt später

Zweiter Aufzug (Foto © Van Rompey und Van Rompay)

Der erste Aufzug bannt Isolde und Brangäne, aber auch Tristan und Kurwenal in eine Tropfsteinhöhle. Mit bloßem Auge anfangs gar nicht zu erkennen, wachsen gewaltige Stalaktiten von der Decke. Weil der Raum hinten durch eine Spiegelwand begrenzt ist, wird die Illusion von räumlicher Tiefe verstärkt. Es ist ein überraschender Effekt, wenn der Chor hinter diesem Spiegel für Momente sichtbar wird. Am Ende, wenn die Choristen den König aus den Seitenlogen bejubeln, weil man sie hinter den jetzt ausgewachsenen Stalaktiten gar nicht mehr erkennen würde, geht man freilich besser (im übertragenen Sinne) in Deckung.

Im zweiten Aufzug wird die Bühne von einer gewaltigen Skulptur beherrscht, die am ehesten an das gewaltige Wurzelwerk eines Baumriesen erinnert. Aber kalkweiß ist und irgendwann zu leben beginnt, weil sich menschliche Arme und Beine, sogar ganze Körper herausschälen. Es macht ziemlich Eindruck, wenn diese Figuren später die (wenn auch sparsamen) Bewegungen von Tristan und Isolde vervielfachen. Das paradoxe metaphorische Spiel mit dem scheuchenden Licht und der umhüllenden Nacht wird aufgegriffen, wenn beim Verlöschen der warnenden Leuchte die Rückwand von schwarz auf weiß wechselt. In dieser Wunderbaumwurzel ereignet sich auch das große Liebesduett. Wenn der In-flagranti-Eklat am Ende den Monolog des Königs einleitet, dann beginnt die Skulptur von innen zu leuchten. Dieser Akt kommt dem (Liebes-)Drogentrip, auf dem sich die Protagonisten befinden, wohl ganz bewusst am nächsten. Für die Zuschauer nachvollziehbar wird diese Veränderung der Wahrnehmung durch ein ausgeklügeltes Spiel mit dem Licht und diversen Schattenwürfen (John Torres).

Foto kommt später

Zweiter Aufzug (Foto © Van Rompey und Van Rompay)

Im dritten Bild spielen die fast schon die Hauptrolle. Da finden sich in der von weißem Neonlicht umrahmten Wand unregelmäßig wie im Schweizer Käse verteilte Löcher. Immer wieder fahren durchsichtige Röhren in den Raum und werfen ihre Schatten. Davor bzw. dazwischen leidet ein Tristan vor sich hin, dessen Gesicht jetzt - warum auch immer - gold überzogen ist und der ein rotes Gewand trägt, als wäre er einem Film über Nero entsprungen. Bei Isoldes Liebestod fährt hinter der Wand eine Lichtbatterie gen Schnürboden. Dass in Robert Wilsons Otello ein paar Tage vorher in Baden-Baden etwas ähnliches zu besichtigen war, mag Zufall sein, wundert aber bei der Vorliebe fürs Zelebrieren des Momentes und der Standbilder, die Pleger in seinem Operndebüt ebenso wie Wilson (als Markenzeichen) pflegt, nicht. Hier liegt auch die Grenze dieser Tristan-Ästhetik, der allein die Interpretation übertragen wurde. Die aber durch ihre Orientierung auf das Bild oder die sich nur unmerklich ereignende Geste viele Geheimnisse nicht preisgibt, ja wohl auch nicht preisgeben will. Das Problem dieser Inszenierung liegt nicht in den starken autonomen Bildern. Das Problem liegt eher darin, dass sich die Protagonisten nicht von ihrer Herkunft und Verortung in diesen Bildern emanzipieren können.

Foto kommt später

Dritter Aufzug (Foto © Van Rompay/Segers)

Das eröffnet immerhin großen Spielraum für die vokale Entfaltung der Protagonisten. Die vermögen den aber nur teilweise wirklich überzeugend zu nutzen, um das Manko an darstellersicher Intensität auszugleichen. Keine Wünsche lässt der König Marke von Franz Josef Selig offen. Hier versteht man jedes Wort, sitzt jede Phrase, tönt die voluminöse Stimme immer gleichmäßig kraftvoll und intakt, vermittelt sich die tiefe Traurigkeit des Königs. Als Melot und Steuermann macht Wiard Witholt gute Figur. Auch Andrew Foster-Williams kämpft sich weit an seinen Kurwenal heran. Nora Gubisch bleibt bei ihren entsprechenden Bemühungen um Brangäne leider auf Sichtweite. Die Oper wird ihren Grund gehabt haben, nicht den Bayreuth- und überhaupt wagnererfahrenen Christopher Ventris zur Premiere ins Rennen zu schicken, sondern Bryan Register. Der vermag sich im Laufe des Abends deutlich zu steigern und ist in den Fieberfantasien mit schöner heller Höhe zur Stelle. Dass auch die ursprünglich einmal vorgesehene Petra Lang gleich die ganze Rolle zurückgegeben hat, mag man dagegen wirklich bedauern, denn Ann Petersen wirkte mitunter allzu sehr auf einzelne Ausbrüche konzentriert und weniger dem großen Bogen gewachsen. Aber auch sie kam unfallfrei über die Runden und lieferte mit einem packenden Liebestod einen überzeugenden Beleg dafür, dass sie ihre Kräfte klug einzuteilen vermag.

Im Graben stand Alain Altinoglu am Pult des Symphonieorchesters der La Monnaie-Oper. Sein Zugriff setzte nicht auf einen Klangrausch, der sich einschmeichelt, sondern behauptete sich unmissverständlich. Man könnte ihn fast grob nennen. Die Sänger kamen damit allerdings klar. Sie nutzten ihren meist privilegierten Platz an der Rampe ebenso rigoros wie er seine Hoheit über Lautstärke und Tempo.

FAZIT

Von der neuen Brüssler Tristan werden vor allem die drei starken Bühnenbilder im Gedächtnis bleiben, die sich eindrucksvoll als autonome Kunstanstrengung behaupten und eine Art subversive Verbindung zur Musik aufnehmen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alain Altinoglu

Künstlerisches Konzept
Ralf Pleger
Alexander Polzin

Inszenierung
Ralf Pleger

Bühne
Alexander Polzin

Kostüme
Wojciech Dziedzic

Licht
John Torres

Choreographie
Fernando Melo

Chor
Martino Faggiani



Herrenchor und
Symphonieorchester der
Oper La Monnaie, Brüssel


Solisten

Tristan
Bryan Register

Isolde
Ann Petersen

Brangäne
Nora Gubisch

König Marke
Franz Josef Selig

Kurwenal
Andrew Foster-Williams

Melot / Ein Steuermann
Wiard Witholt

Ein Hirt / Ein junger Seemann
Ed Lyon


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
La Monnaie
(Homepage)



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