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Das Rheingold

Vorabend zu dem Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (keine Pause)

Premiere am 3. Februar 2018 im Opernhaus Chemnitz (siehe auch unsere Premierenrezension)
(Rezension im Rahmen des 2. Ring-Zyklus zu Ostern 2019: 18.04.2019)


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Theater Chemnitz
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Vom Märchenwald zur kühlen Optik

Von Thomas Molke / Fotos von Kerstin Nijhof

Der Beginn gehört ganz der Robert-Schumann-Philharmonie und dem Generalmusikdirektor Guillermo García Calvo. Der berühmte Es-Dur-Akkord entsteht ganz leise wie aus dem Nichts, und Calvo zelebriert mit dem Orchester mit bewegenden Klängen den langsam anschwellenden Rhein. Wenn sich der Vorhang dann öffnet, mag für einen Moment der Verdacht entstehen, das Regie-Team um Verena Stoiber wolle das Publikum für diesen Vorabend in eine Märchenwelt entführen. Aus dem Schnürboden hängen grüne Ranken herab, die mit dem leicht glitzernden dunklen Bühnenboden sehr anschaulich machen, dass man sich auf dem Grund des Rheins befindet. Die drei Rheintöchter schwingen in hautfarbenen Kostümen, die ihre unschuldige Nacktheit betonen, an herabhängenden Lianen über die Bühne und vermitteln den Eindruck von Schwerelosigkeit. Irritierend sind lediglich Kinosessel, die auf der rechten und linken Seite an der Bühnenrampe stehen. Auf der rechten Seite sitzt bereits ein Herr, Loge, wie sich später herausstellt, der das ganze Spiel beobachtet. Während des Vorspiels schleichen zwei Personen herein, die man zunächst für Zuschauer hält, die ein wenig zu spät gekommen sind. Nachdem sie sich allerdings durch die ganze erste Reihe des Parketts gekämpft haben, wird klar: Das gehört zum Stück. Es handelt sich um Wotan und seine Gattin Fricka, die auf der linken Seite Platz nehmen. Von dem Geschehen auf der Bühne scheinen sie allerdings nicht allzu viel mitzubekommen, da man das Gefühl hat, dass zumindest Wotan einschläft.

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Die Rheintöchter (von links: Floßhilde (Sophia Maeno), Woglinde (Guibee Yang) und Wellgunde (Sylvia Rena Ziegler)) verspotten Alberich (Jukka Rasilainen).

Alberich ist ein hässliches behaartes Wesen mit einem riesigen Geschlechtsteil, womit betont wird, was er in den Tiefen des Rheins bei den Rheintöchtern sucht. Dass sich die drei von ihm abgestoßen fühlen, kann man hier sehr gut nachvollziehen. Erst entwischen sie ihm immer an ihren Lianen, bevor sie ihn schließlich damit fesseln. Dann unterbricht die aufgehende Sonne das Spiel. Die Bühne wird in goldfarbenes Licht getaucht und betont noch ein letztes Mal den Eindruck einer märchenhaften Idylle. Nun greift Loge in das Geschehen ein und überreicht Alberich ein Messer, mit dem er eine Liane abschneidet und sich dann des Schatzes bemächtigt. Das Gold, das er stiehlt, sind die langen blonden Haare der drei Rheintöchter, die er ihnen mit dem Messer abtrennt, bevor er die drei blutend in den Tiefen des Rheins zurücklässt. Guibee Yang, Sylvia Rena Ziegler und Sophia Maeno begeistern als Rheintöchter mit homogenem Gesang und sehr klarer Diktion. Auch darstellerisch überzeugen sie auf ganzer Linie, wenn sie sich während ihres Gesangs an den Lianen über die Bühne schwingen. Jukka Rasilainen stattet den Alberich mit einem dunklen Bass aus und gestaltet den Nachtalben wunderbar abstoßend.

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Wotan (Krisztián Cser, rechts) verhandelt mit dem Riesen Fasolt (Magnus Piontek, links) über die Bezahlung der Burg.

Mit dem Raub des Rheingolds ist dann der märchenhafte Ansatz vorbei, und Stoiber entführt uns in eine Welt, die ihrer Natürlichkeit beraubt ist. Die Burg, die die Riesen für die Götter gebaut haben, gestaltet die Bühnenbildnerin Sophie Schneider als eine graue schäbige Mauer, die, wie es bei kahlen Wänden häufig der Fall ist, später mit zahlreichen Schmierereien übersät ist. Dazwischen finden sich auch Textauszüge aus dem Libretto und andere "philosophische" Weisheiten mit leichter Kapitalismuskritik. Fricka weckt ihren Mann im Kinosessel auf, und er scheint zunächst ein bisschen verwirrt zu sein, dass sich die Bühne verändert hat. Die beiden Riesen Fasolt und Fafner wirken nur zu Beginn sehr groß, wenn sie über die Mauer schauen, sind ansonsten in ihren grauen Anzügen allerdings ganz normale Geschäftsleute. Freia, Donner und Froh werden als junge, verzogene Gören dargestellt, die großen Wert auf Äußerlichkeiten und Statussymbole legen. So sind Freias Hilferufe zu Beginn nicht ganz ernst zu nehmen, wenn sie mit zahlreichen großen Einkaufstüten die Bühne betritt. Froh und Donner erscheinen zunächst im Golfer-Outfit. Wieso sie sich anschließend in weiße Hochzeitskleider zwängen und dann auch noch blonde Perücken aufsetzen, die ein wenig an die abgeschnittenen Haare der Rheintöchter erinnern, erschließt sich nicht wirklich. Sollen damit die Riesen verhöhnt werden? Loge sitzt zu Beginn der Szene noch auf der Bühne und schleicht sich erst später davon, um dann wie Wotan und Fricka durch den Zuschauerraum aufzutreten. Krisztián Cser stattet den Wotan mit einem dunklen Bass aus, der in den Tiefen große Durchschlagskraft und Autorität besitzt. In den Höhen wackelt er allerdings an einigen Stellen und wirkt im vierten Bild sogar leicht indisponiert. Anne Schuldt gestaltet seine Gattin Fricka mit einem satten Mezzosopran. Magnus Piontek und James Moellenhoff überzeugen als Fasolt und Fafner mit profunder Tiefe. Bernhard Berchtold unterstreicht als Feuergott Loge mit beweglichem Tenor die Unberechenbarkeit der Figur.

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Alberich (Jukka Rasilainen) verflucht den Ring.

Nibelheim im dritten Akt ist dann eine Kapitalistenhochburg, in der im Überfluss produziert wird. Das hat zwar nichts mit Gold zu tun, sondern steht wohl eher für die Waren, die man mit dem Gold kaufen kann. In einem zweistöckigen Kasten mit glänzenden Metallstangen gibt es in der zweiten Etage in Gestalt von knapp bekleideten Statistinnen die Ware Mensch zu erwerben. Wieso Alberich einer Dame zunächst mit dem Messer den BH öffnet und anschließend die Kehle durchschneidet, bleibt unklar und unnötig. Vielleicht gehört das ebenfalls zur Befriedigung der sexuellen Lust. Die Tarnkappe ist ein goldumrandeter Spiegel. Inwiefern dieser für die Verwandlung in ein anderes Wesen stehen soll, ist ebenfalls diskutabel. Bei Mime macht dieser Spiegel noch Sinn, weil er sich darin ja selbst sieht und daher nicht weiß, wo sich sein Bruder gerade befindet. Die Verwandlung in einen Riesenwurm und eine Kröte bleiben hingegen etwas blass. Beim Riesenwurm soll ein bisschen Bühnennebel nachhelfen, aber die richtige Größe gewinnt der Moment dadurch nicht. Vielleicht macht sich auch deshalb Wotan über diese Verwandlung lustig. Die Kröte im Anschluss wird auch nicht wirklich klein, weil der Spiegel dafür einfach zu groß ist. Dennoch überzeugen Rasilainen, Cser und Berchtold in dieser Szene durch eindrucksvolles Spiel und starken Gesang. Reto Rosin punktet als Mime mit kräftigem Tenor. Wenn Wotan Alberich schließlich den Ring entwendet, geht Rasilainens Fluch unter die Haut.

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Loge (hier: Benjamin Bruns, 2. von rechts) rät Wotan (Krisztián Cser, rechts), auf den Ring zu verzichten (links als Beobachterin: Erda (Bernadett Fodor), in der Mitte oben: Froh (hier: Petter Wulfsberg Moen), in der Mitte unten von links: Fafner (James Moellenhoff), leicht erhöht: Donner (hier: Matthias Winter), Fricka (hier: Monika Bohinec) und Fasolt (Magnus Piontek)).

Für Irritation sorgt ein alter Mann am Stock, der anschließend über die Bühne läuft und neben Erda auf der linken Bühnenseite in den Kinosesseln Platz nimmt. Später hat man den Eindruck, dass es sich dabei um den alten Wotan als Wanderer handeln soll, weil Wotan ihn anblickt, als wenn er in ihm seine Zukunft sehen könne. Die ganzen Kisten, die Alberichs Nibelungen aus Nibelheim gebracht haben, sind so gewaltig, dass es eigentlich gar kein Problem wäre, damit Freia vollständig zu bedecken. Deswegen wird sie auf ein emporgefahrenes Bühnenelement gestellt. Dennoch bleibt eigentlich keine Ritze für den Ring. Bernadett Fodor glänzt als Erda mit einem satten Mezzosopran und enormer Bühnenpräsenz. Da kann man gut nachvollziehen, dass sie Wotan irritiert zurücklässt. Schweren Herzens überlässt er den Riesen den Ring und beobachtet entsetzt, wie Fafner seinen Bruder Fasolt mit einem Golfschläger brutal erschlägt. Zwar karrt Fafner anschließend eine Menge Kisten von der Bühne, aber irgendwie steht immer noch viel zu viel herum, so dass der Einzug der Götter in Walhall ein bisschen untergeht. Hier schwächeln auch die Blechbläser etwas und spielen beim hehren Marsch der Götter ein wenig unsauber. Auf der grauen Wand im Hintergrund steht über den Schmierereien "Wallhall". Warum das Wort falsch geschrieben ist und ein "l" durchgestrichen wird, erschließt sich nicht, stört allerdings auch nicht weiter. Das Publikum zeigt sich begeistert und überschüttet die Solisten und das Orchester mit großem und verdientem Beifall.

FAZIT

Sieht man von kleineren Ungereimtheiten ab, stellt diese Rheingold-Inszenierung einen guten Einstieg in den Zyklus dar, der auch musikalisch größtenteils überzeugt.

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Zu den weiteren Rezensionen

Die Walküre

Siegfried

Götterdämmerung (zur Rezension der Premiere am 1. Dezember 2018 geht es hier)

 


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Guillermo García Calvo

Inszenierung
Verena Stoiber

Bühne und Kostüme
Sophie Schneider

Lichtgestaltung
Holger Reinke

Dramaturgische Betreuung
Carla Neppl



Robert-Schumann-Philharmonie

Mitglieder der Statisterie der
Oper Chemnitz


Solisten

*rezensierte Aufführung

Wotan
Krisztián Cser

Donner
Matthias Winter /
*Andreas Beinhauer

Froh
Petter Wulfsberg Moen /
Siyabonga Maqungo
*James Edgar Knight

Loge
Benjamin Bruns /
Edward Randall /
*Bernhard Berchtold

Fricka
Monika Bohinec /
Bernadett Fodor /
*Anne Schuldt

Freia
Maraike Schröter /
*Franziska Krötenheerdt

Erda
*Bernadett Fodor /
Anja Schlosser

Alberich
Jukka Rasilainen

Mime
Edward Randall /
Benedikt Nawrath /
*Reto Rosin

Fasolt
Magnus Piontek

Fafner
*James Moellenhoff /
Avtandil Kaspeli

Woglinde
Guibee Yang

Wellgunde
Sylvia Rena Ziegler

Floßhilde
Sophia Maeno




Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Chemnitz
(Homepage)



Da capo al Fine

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