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Götterdämmerung

Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 6h (zwei Pausen)

Premiere am 1. Dezember 2018 im Opernhaus Chemnitz


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Theater Chemnitz
(Homepage)
Eine Schlittenfahrt mit Siegfried

Von Joachim Lange / Fotos von Kerstin Nijhof


"Das Beste zum Schluss". Das wäre eine mögliche Überschrift zu der Götterdämmerung, mit der Elisabeth Stöppler und GMD Guillermo Garcia Calvo jetzt den neuen Chemnitzer Ring der vier verschiedenen Regisseurinnen abgeschlossen haben. Was zu sehen und zu hören ist, packt mit einem durchdachten Konzept. Es imaginiert subtil die drei vorausgehenden Ringteile, glänzt mit klugen Einfällen und liefert zum Schluss auch noch eine feministischen Pointe für den "Frauen-Ring", die keineswegs aufgesetzt wirkt. Da singt Brünnhilde im Schneetreiben vom Untergang und hantiert mit einem Benzinkanister und einem Feuerzeug herum. Aber als es ernst wird, ist sie doch so sehr mitfühlender Mensch, dass sie es nicht fertigbekommt, sich anzuzünden. In der Verzweiflung über ihr Versagen findet sie aber Trost. Was Wagner szenisch zu seinen letzten Ringtönen im Traum nicht eingefallen wäre, wird hier Ereignis: Die von allen Männern verratene Brünnhilde findet Trost bei ihrer Mutter Erda. Zu der gesellen sich dann auch die Rheintöchter, eine der Nornen, ihre Schwester Waltraute und schließlich auch noch Gutrune.

Szenenfoto

Wenn Brünnhilde mit Siegfried Schlitten fährt ...

Die war Brünnhilde schon vorher näher als üblich gekommen. Als der Drahtzieher des Heldenmordes aufgeflogen ist, drückt ihr die Walküre eine Pistole in die Hand. Nach dem Motto: "Du darfst …" Während Gutrune Hagen über den Haufen schießt, hält sich Brünnhilde einfach die Ohren zu. Am Ende finden sich also die Frauen im Stück zusammen. Was vermutlich auch keine Lösung der Weltprobleme ist, aber eine schöne Utopie. Damit tritt Stöppler Wagner zwar vors Schienbein, aber nicht so, dass er in die Knie geht, sondern nur so, dass er (heute) besser aussieht.

Alles beginnt auf einem Felsen, über den eine Eiszeit herrscht und der an Caspar David Friedrichs Eismeer erinnert (Bühne: Annika Haller). Nebel wallen. Das Ross Grane ist zum Schlitten mutiert. Es wirkt am Anfang wie ein kleiner Witz, wenn Siegfried damit loszieht. Den zweiten Witz dieser Kategorie gibts bei den Gibichungen. In der holzgetäfelten Bar mit Oberlicht und Rolltor räkelt sich Gutrune mit dem geflochtenen blonden Haarkranz à la Timoschenko auf einem Eisbärenfell. Über dessen Kopf stolpert Siegfried prompt, als hätte er sich in das Dinner for one verirrt. Ansonsten haben die Gibichungen auch ihr Päckchen zu tragen. Gutrune langweilt sich. Gunther ist damit beschäftigt, seine Minderwertigkeitskomplexe mit einem Mafiahabitus zu kompensieren. Hagen ist der Mann hinter der Bar, ein Spielmacher des Bösen, der Siegfried mit Drogen versorgt, aber auch ein Problem mit seinem Vater hat, der ihn nie geliebt, sondern nur als Werkzeug seiner Macht großgezogen hat. Spricht Hagen von den Wälsungen-Zwillingen, dann fahren Gunther und Gutrune so aus einer vertrauten Umarmung auf, als hätte man sie gerade ertappt. Wenn er seine Mannen ruft, dann bricht eine von Gesine Völlm knallig bunt kostümierte Après-Ski Gesellschaft ein und benimmt sich auch so. Als Gruppe und im Detail. Dass Gunther den hereingeschneiten Siegfried mit der gleichen Geste begrüßt wie Putin gerade den saudischen Kronprinzen in Buenos Aires, ist sicher Zufall. Aber ein pikanter.

Szenenfoto

Siegfried und die Gibichungen an der Hausbar

Die in jedem Detail exzellente Personenregie gipfelt freilich beim Trauermarsch. Wenn sich die Jagdgesellschaft mit Masken, Gewehren und Ledermänteln um Siegfried versammelt, dann sieht das fast schon nach einem Femegericht aus. Wenn Hagen Siegfried dann kaltblütig erschossen und der jetzt verzweifelte Gunther ihm die Augen geschlossen hat, dreht sich plötzlich Bühne und wir sehen Brünnhilde in ihrer Walküren-Uniform in Mitten von lauter toten Helden, denen sie jetzt Siegfried hinzufügen wird. Er singt von seiner Erinnerung an Brünnhilde also schon nicht mehr in dieser Welt. Wie er dann, wenn sie seinen Leichnam wäscht, selbst über seinen eigenen Tod weint, ist eine der überraschendsten und ergreifendsten Szenen. Hier muss man mal in die ganz große Vergleichskiste greifen und sie neben Joachim Herz stellen, der einst Wotan um Siegfried trauern ließ. Diesmal sind wirklich wir es. Stöppler hat aus der Götterdämmerung mit ihrer Balance zwischen Menschenfeinzeichnung und Weltuntergangsszenario kurzweiliges Musiktheater gemacht, das ohne vordergründigen Firlefanz auskommt und das Zeug hat, selbst hartgesottene Wagnerianer aus der Fassung zu bringen. Mehr geht nicht.

Szenenfoto

Siegfried und Guther auf dem Felsen bei Brünnhilde

Dazu kommt eine musikalische Qualität, auf die sich jedes vergleichbare Haus etwas einbilden könnte. Guillermo García Calvo erweist sich mit dieser Götterdämmerung (er hatte bereits den Vorabend dirigiert und für Walküre und Siegfried das Orchester in der Obhut von Felix Bender belassen) als ein sehr sensibler, sängerfreundlicher Wagnerdirigent, dem es gelingt, die psychologische Feinzeichnung der Personenregie von Stöppler durchweg musikalisch zu beglaubigen. Er hat den Ehrgeiz, den Strom der Musik gelegentlich sogar zum Stillstand bis dicht an die Lautlosigkeit heranzuführen. Damit verstärkt er die Spannung (in der Waltrauten-Erzählung) so, dass das Publikum den Atem anhält. Wenn er das Orchester entfesselt - wie bei den Mannen-Chören oder dem Trauermarsch, dann ist es ein Lodern, das, ohne Effekthascherei, urmusikalisch von Innen kommt und nicht als Waffe gegen die Trommelfelle eingesetzt wird. Calvo hat mit der Robert-Schumann-Philharmonie den Standortvorteil eines mit Wagner über Jahrzehnte vertrauten Orchesters. Und er nutzt ihn. Ein paar Wackler bei den Bläsern erinnern daran, dass diese Musik Menschenwerk ist und sind geschenkt.

Szenenfoto

Siegfrieds Frauen: Brünnhilde und Gutrune

Eine Sensation sind Daniel Kirch als Siegfried und Stephanie Müther als Brünnhilde. Beide liefern einen Premium-Wagner, der jedem Vergleich standhält. Ohne die geringste Konditionsschwäche. Immer gestaltend. Beide. Sie: Eine Brünnhilde von barocker Opulenz in Gestalt und Stimme, dabei mit einer menschlichen Ausstrahlung wie selten. Lodernd in den Ausbrüchen und dabei beispielhaft wortverständlich. Er: Ein sympathischer Held, der sich wie ferngesteuert in der Parvenü-Gesellschaft bewegt und dabei er selbst bleibt. Mit einem verführerischen Timbre, ohne Kraftmeierei - ab sofort in der ersten Reihe der Heldentenöre, denen der Siegfried auf den Leib geschneidert scheint.

Szenenfoto

Ergreifendes Finale des Trauermarsches - Siegfried ist schon nicht mehr auf dieser Welt.

Bei diesem Niveau an der Spitze haben es die anderen Protagonisten schwer. Aber sie schlagen sich durchweg mehr als beachtlich. Marius Bolo? ist ein fabelhafter Hagen, auch wenn er an seine Grenzen kommt, wenn er gegen den Chor ansingen muss, so wie Pierre-Yves Pruvot schnell in seinen Gunther mit mafioser Attitüde auch stimmlich hineinwächst. Cornelia Ptassek verpasst ihrer Gutrune eindrucksvolles Format, Anne Schuldt sorgt für einen packenden Waltrauten-Auftritt und Jukka Rasilainen bleibt als Alberich mit seinem Alptraum-Besuch bei Hagen im Gedächtnis. Die Nornen und Rheintöchter sind erstklassig - der Chor präzise.


FAZIT

Der Oper Chemnitz ist mit der Götterdämmerung ein triumphaler Ring-Abschluss gelungen. Stehende Ovationen für alle. Die Rechnung von Intendant Christoph Dittrich mit einem dritten Ring in Sachsen Furore zu machen ist mit dieser Götterdämmerung mehr als aufgegangen. Bravo!


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Guillermo García Calvo

Regie
Elisabeth Stöppler

Bühne
Annika Haller

Kostüme
Gesine Völlm

Chor
Stefan Bilz



Chor und Chorergänzung
der Oper Chemnitz

Damen und Herren der Statisterie

Robert-Schumann-Philharmonie


Solisten

Siegfried
Daniel Kirch

Gunther
Pierre-Yves Pruvot

Alberich
Jukka Rasilainen

Hagen
Marius Bolos

Brünnhilde
Stéphanie Müther

Gutrune / 3. Norn
Cornelia Ptassek

Waltraute
Anne Schuldt

2. Norn
Anja Schlosser

3. Norn / Wellgunde
Sylvia Rena Ziegler

Woglinde
Guibee Yang

Flosshilde
Sophia Maeno


Der Ring des Nibelungen
in Chemnitz:

Das Rheingold
Premiere am 3.2.2018





Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Chemnitz
(Homepage)



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