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Götterdämmerung

Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 45' (zwei Pausen)

Premiere am 27. Oktober 2018 im Opernhaus Düsseldorf


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Rheinoper
(Homepage)
Darum ist es am Rhein nicht schön

Von Stefan Schmöe / Fotos von Hans Jörg Michel


Rheinromantisches Kaffeekränzchen: Drei alte Damen treffen sich, draußen nur Kännchen, am Rheinufer oder vielleicht auf einem Schiff, mit Blick auf Drachenfels und die Insel Nonnenwert (freilich in der romantischen Darstellung von John Charles Robinson aus dem Jahr 1857). Sie haben vermutlich schon hier gesessen, als Tisch und Stühle noch nicht aus billigem Plastik waren und Geschirr wie Personal nicht das Firmenlogo der Köln-Düsseldorfer Rheinschiffgesellschaft trugen (wobei es die tatsächlich seit Wagners Zeiten gibt). Diese drei alten Damen wissen so ziemlich alles über die Welt, aber anfangen können sie mit diesem Wissen nichts. Es sind die Nornen, und diese etwas merkwürdige Einleitungsszene nimmt Regisseur Dietrich W. Hilsdorf mit einem ordentlichen Maß an Ironie und Humor statt mythologischem Pathos.

Szenenfoto

Kaffekränzchen vor romantischer Rheinlandschaft: Die Nornen

Endlich, möchte man rufen, nachdem Hilsdorf drei Abende lang alle Erwartungen an eine bedeutungsschwere Ring-Regie einigermaßen konsequent unterlaufen und zwar immer wieder subtil anspielungs- und assoziationsreich inszeniert, die großen Überraschungsmomente aber ausgelassen hat. Endlich ein paar freche Bilder- leider zeigt nur die erste Norn (Susan Maclean) angemessenes stimmliches Wagnerformat, während Sarah Ferede und noch mehr Morenike Fadayomi ziemlich angestrengt klingen - , und wenn die Damen sich verabschiedet haben, geht es gleich flott weiter: Auf dem Deck der kaum mehr see- oder flusstüchtigen "MS Wodan" sitzt Brünnhilde, einen Baby-Strampler strickend, unterm Weihnachtsbäumchen. Der Wille zu revolutionären Taten ist dem hehren Paar wohl abhandengekommen, die große Weltgeschichte steht gerade still. Das rostige Schiff bleibt symbolträchtig durchgehend im Zentrum des Geschehens: Wie in den Teilen zuvor ist Hilsdorf nichts gelegen an realen Orten; die Bühne (Dieter Richter) zeigt Theater-Orte, das mit farbigen Lampen besetzte Portal einer Revue-Bühne zieht sich durch alle vier Abende der Tetralogie. In dieser Götterdämmerung brennen oft nur zwei Lampen in rot und grün wie die Positionslichter eines Schiffes.

Szenenfoto

Idyll mit Weihnachtsbaum: Siegfried und Brünnhilde

Als "Endspiel auf dem Rhein" hat Hilsdorf seine Inszenierung bezeichnet. Da wird das Schiff ohne Umbau zur Gibichungen-Halle, wo es vergleichsweise konventionell zugeht. Gunther (großartig kraftvoll: Bogdan Baciu) und Gutrune (klangschön, aber stimmlich etwas zu kleinformatig: Sylvia Hamvasi) sind durch die sehr genaue Personenführung als schillernde Charaktere gezeichnet (auch wenn es verzichtbar erscheint, dass sich die elegante Gutrune ein Rauschgift spritzt). Beklemmende Intensität bekommt der Wachtraum Hagens im zweiten Aufzug mit der Erscheinung Alberichs (in der kurzen Partie ungemein präsent: Michael Kraus), wobei Hans-Peter König als wuchtiger, dämonischer (und trotzdem szenisch wie vokal mit Zwischentönen gezeichneter) Hagen ohnehin gesanglich der Star des Abends ist. Die Doppelhochzeit mit dem Chor der "Mannen" zeichnet Hilsdorf fast als Revue, da blinkt das Bühnenportal fröhlich in den Regenbogenfarben auf, und der Chor erscheint als uniform kostümierter Karnevalsverein (mit reichlich angestaubten Trachten, an denen die Geschichte offensichtlich nicht spurlos vorbeigegangen ist) - auch das ist Düsseldorfer Lokalkolorit, wie man auch in den ziemlich schlecht zu erkennenden Projektionen auf die rückwärtigen Wände die Fahrt rheinabwärts bis zur historischen Düsseldorfer Altstadt erahnen kann. Die martialische Fröhlichkeit der Musik findet ihr Pendant in einer kleinen Szene am Rand, als ein Tanzmariechen unter offensichtlichen Schmerzen in den Spagat gezwungen wird - Hilsdorf erweist sich einmal mehr als Meister solcher kleiner Episoden, wie nebensächlich erzählt, die aber die Spannung hochhalten.

Szenenfoto

"Schläfst Du, Hagen, mein Sohn?" Hagen und Alberich auf der MS Wodan

Die Fahrt geht weiter, unter Rheinbrücken hindurch bis zu einer Industrielandschaft, die man wohl in Duisburg verorten darf, dem zweiten Standort der Rheinoper, und vor dieser Gegenwartskulisse wird Siegfried ziemlich klassisch mit Hagens Speer erstochen. Zum Trauermarsch wechselt Hilsdorf dann die Ebene: In einem militärisch anmutenden Zeremoniell - die Karnevalsuniformen lassen sich da schnell umdeuten in "richtige" Uniformen - werden diverse Flaggen der deutschen Geschichte dem Leichnam Siegfrieds hinterher geworfen: Der Doppelköpfige Adler des Heiligen Römischen Reiches, das Schwarweißrot des Deutschen Reiches und die Hakenkreuzflagge, schließlich Hammer und Zirkel der DDR und auch das vertraute Schwarzrotgold, zuletzt eine weiße, noch unbeschriebene Flagge wohl als Ausdruck des noch Kommenden. Im Rhein, dem deutschesten aller Flüsse, werden die Ideen des Deutschen Nationalstaats versenkt. Dieser Moment geht unter die Haut. (Man kann allerdings auch fragen, warum in den drei Teilen zuvor nicht klarer darauf hingearbeitet worden ist.)

Szenenfoto

Düsseldorfer Doppelhochzeit: In der Mitte Gutrune und Siegfried, rechts Brünnhilde und Gunther, dazu das, was man am närrischen Rhein unter "Mannen" versteht

Hilsdorf verzichtet auf ein klares Statement: Dieser Ring hat bis zuletzt kein eindeutiges Thema, ist nicht von einer großen These getragen. "Diese Zeit, die sammelt viele Zeiten ein", zitiert er Botho Strauß (aus Kalldewey Farce) per Übertitel, und weiter: "Nehmt, was ihr gebrauchen und erhalten könnt." Der Ring als Setzkasten, als Schatzkiste deutscher Mythen quasi zur freien Bedienung. Man muss vielleicht die zyklischen Aufführungen abwarten, ohne den Erwartungsdruck der Premiere, um das Konzept angemessen würdigen zu können, auch um zu beurteilen, ob hier ein feinmaschiges Netz von Beziehungen und Querverweisen gesponnen wurde, oder ob das Konzept in die Beliebigkeit führt. Ein Fall von Utopieverweigerung bleibt es in jedem Fall. Hilsdorf lässt die letzten Takte mit dem Erlösungsmotiv bei Saalbeleuchtung spielen. Ein szenisch vergleichsweise stiller, nachdenklicher Schluss, trotz einiger Flammen ohne Knalleffekt, entsprechend der Gesamtkonzeption. Am Ende greift das Theater auf das Publikum über, das sich seinen eigenen Reim machen muss.

Stimmlich fehlt Linda Watson die Fähigkeit zur hochdramatischen Attacke, um in ihrem Schlussmonolog wirklich fesseln zu können. Die Sängerin ist ja nicht mehr jung (und keine sehr bühnenwirksame Darstellerin), das merkt man auch der Stimme an, die nicht mehr beliebig "aufdrehen" kann. Mit der großen Routine - die drei Brünnhilde-Partien hat sie ja an vielen großen Häusern, auch mit Thielemann in Bayreuth, gesungen - gestaltet sie die Partie sehr geschickt, immer auf schönen Klang bedacht und (fast) nie forcierend. Michael Weinius als Siegfried beginnt beeindruckend, sein Tenor ist nicht zu leicht und hat Glanz in der Höhe, auch Substanz im Piano. Nun hat der zweite Akt in den Hochzeitsrufen exponiert hohe Töne, und war es Premieren-Nervosität oder Unsicherheit mit der Partie? - Weinius mogelte sich um eben diese Töne herum, verlor gleichzeitig insgesamt an Sicherheit, ließ nachfolgend auch im dritten Akt manchen hohen Ton ganz weg oder deutete nur an und sang zunehmend kurzatmig. Schade, nach einem famosen Beginn (und einer überzeugenden Leistung im Siegfried in der vorigen Spielzeit) war das dann doch ins Ziel gezittert. Hinreißend frech und frisch singen und spielen die drei Rheintöchter (Anke Krabbe, Kimberly Boettger-Soller und Ramona Zaharia), nachzutragen aus dem ersten Akt bleibt die differenziert singende, aber etwas matte Waltraute von Katarzyna Kuncio.

Manches Buh für die Regie, einhelliger Jubel für den Dirigenten Axel Kober. Der trifft ziemlich gut einen immer wieder fesselnden, "erzählenden" Tonfall, weniger symphonisch als vielmehr beweglich auf die Szene reagierend, nie dick, trotzdem zupackend dramatisch und schneidend scharf, wenn es darauf ankommt (den Düsseldorfer Symphonikern gelingt vieles gut, aber immer wieder mal "klappern" die Einsätze wie gleich beim allerersten Akkord). Was auf der Bühne passiert, findet sein Pendant im Orchestergraben - und umgekehrt. Da schließt sich der Ring auf musikalisch bemerkenswertem Niveau.


FAZIT

Hilsdorf beendet den Ring an der Rheinoper mit einer trostlos-düsteren Rheinfahrt, auf der kein Platz für große Weltentwürfe ist - nach mancher szenischen Durststrecke in den ersten drei Abenden (endlich) mit ein paar (nicht zu großen) Aufregern. Im Ergebnis ist das sicher kein furioser Ring, sondern eher einer der Zwischentöne und kleinen Zeichen am Rande, der sich vielleicht erst auf den zweiten Blick erschließt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Axel Kober

Regie
Dietrich Hilsdorf

Bühne
Dieter Richter

Kostüme
Renate Schmitzer

Licht und Video
Volker Weinhart

Dramaturgie
Anna Grundmeier
Bernhard F. Loges



Statisterie der
Deutschen Oper am Rhein

Chor und Extrachor der
Deutschen Oper am Rhein

Düsseldorfer Symphoniker


Solisten

* Besetzung der Premiere

Siegfried
* Michael Weinius /
Corby Welch

Gunther
* Bogdan Baciu /
Richard Sveda

Gutrune
* Sylvia Hamvasi /
Anke Krabbe

Alberich
Stefan Heidemann /
* Michael Kraus

Waltraute
* Katarzyna Kuncio /
Sarah Ferede

Brünnhilde
* Linda Watson /
Heike Wessels

1. Norn
* Susan Maclean /
Renée Morloc

2. Norn
* Sarah Ferede /
Annika Schlicht

3. Norn
* Morenike Fadayomi /
Barno Ismatullaeva

Wogline
* Anke Krabbe /
Heidi Elisabeth Meier

Wellgunde
* Kimberly Boettger-Soller /
Anneli Sophie Müller

Flosshilde
* Ramona Zaharia /
Anna Harvey


Der Ring des Nibelungen
in Düsseldorf und Duisburg:

Das Rheingold
Premiere am 23.6.2017

Die Walküre
Premiere am 28.1.2018

Siegfried
Premiere am 7.4.2018

Götterdämmerung
Premiere am 27.10.2018




Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Rheinoper
(Homepage)



Da capo al Fine

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