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Die Rollen, die wir spielen
Von Stefan Schmöe / Fotos von Hans Jörg Michel
Ist das nun eine ernst gemeinte Oper oder einfach nur höherer Unsinn? Ein liebestoller König, der in seiner Auftrittsarie seine Zuneigung zu einem Baum besingt, ist zweifellos eine der merkwürdigsten Liebeserklärungen der Operngeschichte. Und doch hat Händel immer wieder bewegende Musik geschrieben, spielt dabei mit den Konventionen einer im Grunde zu seiner Zeit bereits längst antiquierten Gattung. Im Fall Xerxes war sich das Publikum nie ganz sicher, was man davon zu halten hat. In gewisser Hinsicht also ein Fall für die ironiefreudige Postmoderne. Pastorales Rendezvous mit Schafen: Romilda und Arsamenes
Stefan Herheims Inszenierung, als Koproduktion der Komischen Oper Berlin und der Rheinoper im Jahr 2013 erstmals in Düsseldorf zu sehen (siehe unsere Rezension der Premiere), ist eine gleichzeitig eine Liebeserklärung an die Barockoper und deren Persiflage. In der grandiosen Ausstattung (Kostüme: Heike Schele, Bühne: Gesine Völlm) sieht man auf der Drehbühne ein Barocktheater mit seinen gemalten Kulissen und bis zur Absurdität aufgetakelten Kostümen, aber im nächsten Moment die heruntergekommene Rückseite. Die Welt als großes Theater also, indem wir Menschen, von unsinniger Liebe getrieben, die wunderlichsten Rollen spielen. Herheim schreckt weder vor Klamauk noch vor Frivolität zurück und platzt damit auch schon mal in die Musik herein (Leonardo Muscato war in seiner ganz anders überdrehten Bonner Inszenierung vor ein paar Wochen damit zurückhaltender). Aber der Unfug hat einen humanitären Kern. Wenn im Schlusschor die Choristen in Alltagskleidung an die Rampe treten und die Solisten in ihren Kostümen wie Requisiten hinter dem fallenden Vorhang zurückbleiben, dann ist aus dem Barockspektakel längst ein Stück unserer Zeit geworden, in dessen überzogenen Affekten wir uns selbst belachen dürfen. Er bringt es einfach nicht übers Herz, sie zu ermorden: Xerxes (hier der in der besprochenen Vorstellung erkrankte Valer Sabadus) und Romilda
Leider musste Countertenor-Star Valer Sabadus diese Wiederaufnahme krankheitsbedingt absagen, für ihn sprang Sopranistin Stephanie Houtzeel ein - bei allem Bedauern über die Umbesetzung ein Glücksfall, weil sie die Titelpartie in dieser alles andere als leicht zu spielenden Inszenierung (überwiegend in deutscher Sprache, einige Arien im italienischen Original) bereits in Berlin gesungen hat, und für das Geschlechterdurcheinander (auch das sind Rollen, die uns zugewiesen werden) ist es nicht unbedingt von Nachteil, wenn der Perserkönig von einer Frau gestaltet wird. Mit klarer, leuchtender Stimme und akkuraten Koloraturen ist die Partie zudem hinreißend gesungen, wie überhaupt das musikalische Niveau ausgezeichnet ist mit Terry Wey als Xerxes' Bruder (und Rivalen in Liebesdingen) Arsamenes, Heidi Elisabeth Meier als von beiden umworbene Romilda, Anke Krabbe als deren hinreißend zickiger Schwester Atalante und Katarina Bradic als Xerxes' eigentlicher Verlobten Amastris. Hagen Matzeit als Diener Elviro wechselt mit viel Witz zwischen Bariton und Altus, und Torben Jürgens gibt einen vertrottelten Brautvater Ariodate, der versehentlich die Falschen und damit dann doch die Richtigen verheiratet. Unter der Leitung von Konrad Junghänel spielt die Neue Düsseldorfer Hofmusik mit leichtem, geschmeidigen Klang bravourös und wird auch hier und da szenisch einbezogen, und auch der Chor lässt keine Wünsche offen. Großer Jubel beim Publikum für eine über weite Strecken (im zweiten Teil gibt's ein paar Längen) sehr unterhaltsame Aufführung.
Große komische Barockoper ohne Scheu vor gehobenem Unsinn, unbedingt sehens- und hörenswert. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne
Kostüme
Licht
Chor
Dramaturgie
Solisten
Xerxes, König von Persien
Arsamenes
Amastris
Ariodate
Romilda
Atalante
Elviro
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